Monsieur Klein

Kritik

Alain Delon VOlume 2
„Monsieur Klein“ // Deutschland-Start: 5. Juli 2012 (DVD)

Paris im Jahr 1942: Robert Klein (Alain Delon) staunt nicht schlecht, als vor seiner Tür eines Tages eine Zeitung liegt, die es nur als Abonnement für Juden gibt. Denn der wohlhabende Kunst- und Antiquitätenhändler ist Katholik. Er zögert nicht lang, will dieses Missverständnis so schnell wie möglich aufklären. Schließlich stehen Juden stark unter Druck, wovon er bereits mehrere Male selbst profitiert hat. Zu seinem Entsetzen muss er jedoch bald feststellen, dass es sich nicht einfach nur um ein Versehen handelt. Vielmehr nutzte ein flüchtiger Jude gezielt die Identität Kleins. Während dieser nun zunehmend verzweifelt versucht, seine Herkunft zu beweisen, zieht sich die Schlinge immer weiter zu …

Die Schuld am Rande

Bei Filmen über den Holocaust geht es meistens um die Täter und die Opfer. Dann und wann werden auch Geschichten derer erzählt, welche die Opfer irgendwie retten wollten – siehe Schindlers Liste oder Die Frau des Zoodirektors. Aber es geht auch ganz anders, wie Monsieur Klein aufzeigt. Hier gibt es eben keine grausamen Nazis, welche sich an dem Leid der Juden ergötzen und diese demütigen, wann auch immer sie können. Tatsächlich merkt man hier zunächst gar nicht, dass eines der dunkelsten Kapitel der neueren Menschengeschichte angefangen hat. Das spielt sich woanders ab, in den Schatten, im Flüstern, in den nervösen Blicken.

Das liegt auch daran, dass Klein selbst keinen wirklichen Blick dafür hat. Ob ihm das Leid der anderen dabei nicht bewusst ist oder ob es ihm egal ist, das bleibt dabei etwas offen. Er selbst ist ein unpolitischer Menschen, dem es in erster Linie um seinen eigenen Vorteil geht. Ein Opportunist, der die Situation der Juden ausnutzt, um Geschäfte zu machen, ohne dabei anderen tatsächlich etwas Böses zu wollen. Dafür ist er zu sehr Egozentriker. Umso verwirrender ist für ihn die Erfahrung, nun selbst von anderen bestimmt zu werden, genauer von einem seltsamen Doppelgänger, der seine Identität angenommen oder ausgenutzt hat und der ihm nun richtig viel Ärger bereitet.

Was ist wahr?

Dabei spielt Monsieur Klein durchaus geschickt mit der Ungewissheit, ob es diesen Doppelgänger wirklich gibt. Jede Spur, die Klein verfolgt, führt ins Nichts, ein Rätsel gibt das neue auf. Das hat dann teilweise schon eine surreale Note, wird zu einen Mysterythriller, der à la Kafka seinen Protagonisten auf eine unmögliche Reise schickt. Das ist recht spannend gemacht, als Zuschauer will man schon wissen, wer denn nun dieser Mister X. ist, der Briefe schreibt, aber nicht auftaucht. Und natürlich auch: Wird Klein das Missverständnis aufklären, bevor es zu spät ist und er selbst zu einem Opfer wurde?

Trotz dieser sehr konkreten Bedrohung sollte man sich hiervon jedoch keinen regulären Thriller versprechen, bei dem der Held seine „Unschuld“ beweisen muss und gegen die gnadenlos drängende Zeit ankämpft. Die meiste Zeit über ist der Film sehr ruhig, definiert sich weniger über die Handlung als seine Atmosphäre. Interessant ist dabei vor allem, wie sehr die Grenzen mit der Zeit verschwimmen, selbst einfachste Tatsachen plötzlich ganz unsicher erscheinen. Klein, wunderbar von Schauspiellegende Alain Delon (Der Chef, Oktober in Rimini) verkörpert, wandelt sich von einem Mann mit fester Position und Identität in jemanden, der selbst nicht mehr genau weiß, was Sache ist und wer er ist.

Das ist dann weniger für ein Publikum geeignet, das unbedingt klare Antworten braucht. Das Thrillerdrama, welches 1976 im Wettbewerb in Cannes lief und für eine Reihe von Césars nominiert wurde, stellt lieber Fragen, anstatt sich um das Ergebnis zu kümmern. Widersprüche sind deshalb hier mal kein Mangel, sondern Teil es Konzepts, wenn Monsieur Klein die Idee einer festen Identität in Frage stellt und auf interessante Weise mit einem realen Albtraum verbindet. Der Film zeigt dabei einerseits klar auf, wie eine schweigende bis gleichgültige Masse Faschismus ermöglicht – was erschreckende Parallelen zu heute aufzeigt –, ohne daraus aber eine Geschichte der Rache und Genugtuung zu machen. Stattdessen hat Regisseur Joseph Losey seinerzeit ein schön bebildertes Werk vorgelegt, das in mehrfacher Hinsicht nachdenklich stimmt und einen auch im Anschluss nicht ganz los lässt.

Credits

OT: „Monsieur Klein“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1976
Regie: Joseph Losey
Drehbuch: Franco Solinas, Fernando Morandi
Musik: Egisto Macchi, Pierre Porte
Kamera: Gerry Fisher
Besetzung: Alain Delon, Jeanne Moreau, Francine Bergé, Juliet Berto, Suzanne Flon

Bilder

Trailer

Filmfeste

Cannes 1976
Cannes 2019

Filmpreise

Filmpreis Jahr Kategorie Ergebnis
Cannes 1976 Goldene Palme Nominierung
César 1976 Bester Film Sieg
Beste Regie Joseph Losey Sieg
Bester Hauptdarsteller Alain Delon Nominierung
Beste Kamera Gerry Fisher Nominierung
Bestes Szenenbild Alexandre Trauner Sieg
Bester Schnitt Henri Lanoë Nominierung
Bester Ton Jean Labussière Nominierung

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In „Monsieur Klein“ wird ein Kunsthändler 1942 in Paris zu einem Juden gemacht, obwohl er keiner ist. Der Film ist dabei einerseits Thriller um einen Mann, der um die Wahrheit kämpft, eine allgemeine Reflexion über Identität und gleichzeitig Einblick in die schweigende Masse des Faschismus. Aufgrund seiner surrealen Anmutung und offenen Fragen richtet sich das schön bebilderte und gut gespielte Werk dabei an ein Publikum, das selbst gerne nachdenkt und interpretiert.
8
von 10