Eine private Angelegenheit Una questione privata
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Eine private Angelegenheit

Kritik

Eine private Angelegenheit
„Eine private Angelegenheit“ // Deutschland-Start: 3. September 2020 (Kino)

Italien gegen Ende des Zweiten Weltkriegs: Die Kämpfe sind noch immer voll im Gange, auch wenn mittlerweile der Überblick verloren gegangen ist, wer genau gegen wen kämpft. Mehrere Widerstandsgruppen haben sich gebildet, welche sowohl die Nationalsozialisten wie auch die einheimischen Faschisten bekämpfen. Mitten in dem diesem Trubel, zwischen den Bomben und dem Nebel, läuft Milton (Luca Marinelli) umher und sucht nach Giorgio (Lorenzo Richelmy). Die beiden eint nicht nur ihre Freundschaft, sondern auch die Liebe zu Fulvia (Valentina Bellè), die ihnen noch immer im Kopf herumspukt, obwohl sie sich längst in den Norden abgesetzt hat …

Das Drama hinter dem Kampf
Wer nach einem Lied für einen Kriegsfilm sucht, der wird nicht unbedingt als erstes an Somewhere over the Rainbow denken. Und doch ist die ursprünglich von Judy Garland in Der Zauberer von Oz gesungene Ballade ein wiederkehrendes Motiv in Eine private Angelegenheit, wird immer wieder in verschiedenen Variationen aufgegriffen. Andererseits: Um einen reinen Kriegsfilm handelt es sich hierbei auch gar nicht. Vielmehr vermischt Regisseur Paolo Taviani, der zusammen mit seinem Bruder Vittorio das Drehbuch schrieb, auf eine eigene Weise Geschichtsstunde mit Kriegsschrecken und Melodram, erzählt eben nicht nur von den Kämpfen, sondern auch den Menschen und ihren Vorgeschichten.

Zu diesem Zweck blickt Eine private Angelegenheit regelmäßig zurück, gibt sich Gedanken hin an eine Zeit der Unschuld und der Liebe. Genauer erfahren wir mehr über die drei jungen Menschen und die Gefühle, die sie füreinander pflegen. Zwei Männer, der eine eher schüchtern, der andere impulsiver, dazu eine Frau, die irgendwie zwischen ihnen steht: Das ist der Stoff, aus dem klassische Liebesgeschichten gemacht werden. Doch die Adaption von Beppe Fenoglios autobiografisch gefärbtem Roman gönnt dem Trio das Glück nicht. Das gibt es nur in Erinnerungen, vielleicht auch Fantasien. Ganz sicher sein kann man sich nicht, ob die Szenen wirklich so stattgefunden haben oder ob da bei der Wiedergabe nicht einiges verfärbt wurde.

Ein gespenstischer Krieg
Verstärkt wird dieses Wundern durch die Kriegsszenen, die oft etwas unwirklich anmuten. Immer wieder liegt ein dichter Nebel über den Feldern und Wäldern, in denen Milton unterwegs ist und eine gespenstische Atmosphäre erzeugen, die man eher in einem Horrorfilm vermuten würde. Eine tatsächliche Spannung geht damit jedoch weniger einher. Auch wenn es wieder und wieder zu brenzligen Situationen kommt, darunter eine größere Verfolgungsjagd über eine Brücke: Eine private Angelegenheit ist weit von dem Brachialhorror anderer aktueller Kriegsfilme wie The Outpost – Überleben ist alles entfernt, ist auch durch die menschenleeren Szenerien surrealer, nie ganz fassbar.

Wer einen „normalen“ Kriegsfilm sehen möchte, der ist deshalb an der falschen Adresse. Es gibt beispielsweise kaum Gewalt – und wenn erfahren wir diese nur aus der Ferne oder abseits der Kamera. Auch historische Kontexte fehlen, Texttafeln, Jahreszahlen, eine genaue Erklärung, wer da wer ist und warum. All dies war den Taviani-Brüdern nicht wichtig. Stattdessen ist ihre letzte Zusammenarbeit vor dem Tod Vittorios eine traumartige Begegnung mit dem Leid. Ein Film, der ebenso von Sehnsüchten getrieben ist wie Dorothy, als sie Jahrzehnte zuvor von den prächtigen Regenbögen und fernen Ländern sang. Die kunstvollen Bilder einer vergangenen Zeit vermischen sich mit den Gedanken, Träumen und Ängsten, die rastlos umherstürzen, zu einem Gefühl, das noch lange nachwirkt, obwohl oder weil es so wenig fassbar war und die Antworten vorenthält, die der Anlass einer langen Reise waren.

OT: „Una questione privata“
Land: Italien
Jahr: 2017
Regie: Paolo Taviani
Drehbuch: Paolo Taviani, Vittorio Taviani
Vorlage: Beppe Fenoglio
Musik: Giuliano Taviani, Carmelo Travia
Kamera: Simone Zampagni
Besetzung: Luca Marinelli, Lorenzo Richelmy, Valentina Bellè

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Toronto International Film Festival 2017

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Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs sucht ein Italiener seinen Kameraden und denkt dabei an die gemeinsame Zeit und eine gemeinsame Liebe. „Eine private Angelegenheit“ kombiniert dabei auf interessante Weise ein von Flashbacks getragenes Melodram und ein manchmal surreal anmutendes Kriegsszenario zu einer von Sehnsüchten und fernen Blicken geprägten Suche.
7
von 10