Gegen den Strom
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Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela

Kritik

Gegen den Strom Abgetaucht in Venezuela
„Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela“ // Deutschland-Start: 9. Juli 2020 (Kino)

Mit Verbrechern kennt Regisseur Sobo Swobodnik sich aus. In 6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage – Die Morde der NSU zeichnet er den Terror des rechtsradikalen Untergrunds nach, zuletzt drehte er Therapie für Gangster über eine spezielle Einrichtung, die sich um suchtkranke Straftäter kümmert. Und auch in Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela stehen Verbrecher und terroristische Vereinigungen im Mittelpunkt, so lautet zumindest der Vorwurf der deutschen Bundesstaatsanwaltschaft. Die erklärte Thomas Walter nämlich vor 25 Jahren zu einem linksradikalen Terroristen und suchte ihn deshalb per Haftbefehl, weshalb der seinerzeit untergetaucht ist. Swobodnik hat ihn gefunden, woran seine persönlichen Verbindungen sicher ihren Anteil haben: Seine Tochter ist die Nichte von Walter.

Musik als Form des Widerstands
Anders als man vielleicht erwarten könnte, ist Walter aber nicht damit beschäftigt, irgendwelche Anschläge zu planen, Millionäre zu entführen oder Finanzinstitute zu infiltrieren. Stattdessen nimmt er in Venezuela, seiner derzeitigen Wahlheimat, lieber Musik auf, als Teil eines transatlantischen Projekts, um auf diese Weise gegen Rechtsradikalismus, Diskriminierung, Rassismus und für Widerstand zu kämpfen. Klassische Protestlieder eben, wie sie früher noch etwas verbreiteter waren. Öffentliche Auftritte damit sind naturgemäß ein wenig schwieriger, aber das Internet hat auch hier seine Spuren hinterlassen, öffnet neue Türen für Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Das dürfte so manche im Publikum erst einmal überraschen. Wer sich von Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela einen Einblick in eine Terrorzelle erhofft, geht leer aus, hier gibt es Studioaufnahmen statt Molotow-Cocktails. Swobodnik befasst sich auch nur anfangs mit der Frage, ob Walter überhaupt diese Einteilung verdient. Viel mehr sind es andere Punkte, die in dem Dokumentarfilm eine Rolle spielen. Einer davon: Wie ist das eigentlich, so im Untergrund zu leben? Walter erzählt freimütig von seinen eigenen Erfahrungen, gibt Tipps für das eigene Verschwinden, mokiert sich auch über die Behörden, die Steuergelder in Massen verprasst haben bei der Suche nach ihm. Über Leute, die sich einfach auf Staatskosten einen schönen Urlaub gemacht, gar nicht wirklich gesucht haben.

Das Leben mit der Krise
Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela befasst sich aber auch mit der neuen Heimat von Walter. Dass sich das südamerikanische Land in einer Krise befindet, ist bekannt, seit Jahren schon haben die Menschen mit Hyperinflation und steigender Armut zu kämpfen. Zudem ist der sozialistisch-diktatorisch regierte Staat weltweit isoliert. Einblicke in das Leben dort sind daher so oder so spannend, egal um wen es sich handelt. Walter zu seinen Beobachtungen der dortigen Umstände zu befragen, ist dadurch doppelt interessant. Er nimmt eine Art Außenseiterposition ein, ist aufgrund seines linken Hintergrunds aber durchaus mit sozialistischen Gedanken verbunden, zumindest der Theorie nach.

Das ist natürlich schon etwas viel Stoff für einen einzigen Film. Man weiß bei der Doku, die 2019 bei der DOK Leipzig lief, zwischenzeitlich nicht genau, worum es nun inhaltlich wirklich gehen soll. Außerdem führt dieses Themengemenge dazu, dass vieles nicht weiter vertieft werden kann, man im Anschluss noch viele weitere Fragen gehabt hätte. Gleichzeitig ist es interessant, was Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela alles aus der Materie rausholt, ist Porträt eines Mannes, Porträt eines Landes, befasst sich dabei gleichzeitig mit der Kunst als einer Form des Widerstands. Als ein Versuch, den Stimmen der Mächtigen seine eigene entgegenzuschleudern, damit auf Missstände aufmerksam zu machen oder wenigstens zu hinterfragen. Und von denen gibt es heute noch mindestens genauso viele wie vor 25 Jahren.

Credits

OT: „Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Sobo Swobodnik
Drehbuch: Sobo Swobodnik
Musik: Thomas Walter, Mal Élevé
Kamera: Sobo Swobodnik, Elias Gottstein

Bilder

Trailer

Filmfeste

DOK. Leipzig 2019

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„Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela“ besucht einen als linker Terrorist gesuchten Deutschen, der seit 25 Jahren auf der Flucht ist und in Venezuela eine neue Heimat fand. Der Dokumentarfilm streift dabei jede Menge Themen, ist Personenporträt, gibt Einblick in einen Krisenstaat, erzählt von Kunst als Mittel des Protests. Das ist eine interessante Mischung, auch wenn vieles zwangsläufig nur an der Oberfläche bleiben kann.