Jules und Jim
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Jules und Jim

Kritik

Francois Truffaut
„Jules und Jim“ // Deutschland-Start: 23. Februar 1962 (Kino) // 22. September 2016 (DVD/Blu-ray)

Als sich der Österreicher Jules (Oskar Werner) und der Franzose Jim (Henri Serre) 1912 in Paris über den Weg laufen, ist das der Beginn einer großen Freundschaft. Sie können sich über alles austauschen, die Kunst, die Literatur – und auch die Frauen. Kompliziert wird es jedoch, als die beiden Catherine (Jeanne Moreau) kennenlernen. Für Jules steht fest, dass er sein Leben mit ihr teilen will, und nur mit ihr, obwohl auch Jim von ihr durchaus angetan ist. Tatsächlich heiraten die beiden und ziehen fort, während der Kriegsjahre bricht der Kontakt völlig ab. Erst als diese vorbei sind, sehen sich die drei wieder. Doch in der Zwischenzeit ist vieles anders geworden …

Drei sind einer zu viel, heißt es immer wieder gerne mal. Doch was geschieht, wenn sich tatsächlich mal einer dazwischenschiebt, aus einer klassischen Liebe eine ménage à trois wird? Dieser Frage ging der französische Autor Henri-Pierre Roché in seinem 1953 erschienenen, semi-autobiografischen Roman Jules und Jim nach, in dem er seine Dreiecksbeziehung mit dem deutschen Autor Franz Hessel und Helen Grund fiktionalisierte. Einige Jahre später griff sein Landsmann François Truffaut eben diesen Roman auf und schuf mit seiner Verfilmung einen der großen Klassiker der Nouvelle Vague – und einen der größten Anti-Liebesfilme aller Zeiten.

Ein Ideal, das keines ist
In dieser bedeutenden Strömung des französischen Films wurde nicht nur mit neuen Erzählformen und visuellen Darstellungen experimentiert, die Regisseure und Regisseurinnen setzten sich oft mit gesellschaftlichen Themen und überlieferten Normen auseinander. Zum Teil tut Truffaut hier das auch, wenn er drei Menschen zeigt, die zwischen freier Selbstentfaltung und traditionelleren Werten schwanken. Anfangs ist die Welt in Jules und Jim noch in Ordnung, das Verhältnis ist unbeschwert, sowohl in der Zweierkonstellation wie auch später zu dritt. Doch je stärker die Gefühle werden, umso mehr setzt bei Jules ein Exklusivitätsanspruch ein. Die Freiheit, welche sie anfangs alle suchen, sie wird für ihn zu einer Illusion, zu einem falschen Ideal, das nicht das seine ist.

Jules und Jim ist dadurch einerseits eine Abrechnung mit Leuten, die sich selbst als freigeistiger und offener ansehen, als sie es wirklich sind. Doch Truffaut wendet sich mit seinem Drama nicht grundsätzlich gegen die Idee einer solchen Dreiecksbeziehung. Denn die Versuche von Jules, eine traditionellere Form der Beziehung zu suchen, die führen ebenfalls ins Unglück. Auch später, als sie wieder vereint sind und die Gefühle zwischen Catherine und Jim wieder erwachen, geht dies mit destruktiven Tendenzen einher. Die Unschuldig und Freude, die noch zum Anfang herrschte, die sind längst verschwunden, egal in welcher Konstellation. Die drei wurden vom Leben eingeholt, von enttäuschten Erwartungen, auch die Kriegserfahrungen, als Jules und Jim auf unterschiedlichen Seiten standen, haben ihre Spuren hinterlassen.

Die Geschichte eines persönlichen Unglücks
Während die Versuchung groß ist, Jules und Jim als einen universelleren Kommentar zu der Unmöglichkeit geteilter Liebe zu sehen, so ist die Geschichte letztendlich viel zu persönlich. Vielmehr zeigt das Drama auf, wie schwierig und komplex, wie individuell Gefühle sein können, selbst bei Menschen, die so kultiviert sind wie die Protagonisten hier. Immer wieder lassen sie sich auf Machtspiele ein, suchen sich selbst in einem irrationalen Geflecht, aus dem sie nicht herauskommen, bei dem auch nicht immer sicher ist, ob sie überhaupt realisieren, was da vor sich geht. Geredet wird viel miteinander, auch nachgedacht. Und doch scheinen sie alle hilflos zu sein, konfrontiert mit etwas, das sie zwar zu rationalisieren versuchen, das sie aber nicht in den Griff bekommen.

Tatsächlich romantisch ist das Ergebnis nicht. Wer ein reguläres Liebesdrama sehen möchte, der ist hier an der falschen Adresse, umso mehr, da die drei nicht unbedingt immer die großen Sympathieträger sind. Anders als in diesem Bereich üblich, wo die Liebenden gerne glorifiziert werden, da scheut Truffaut nicht davor zurück, das Trio von seiner anstrengenden, manchmal sogar unerträglichen Seite zu zeigen. Das schafft klar Distanz, ebenso der Erzähler, der immer wieder kommentiert und einen damit aus dem Geschehen reißt. Doch Jules und Jim ist gleichzeitig echter und rauer, begegnet den Figuren mit analytischer Härte und Mitgefühl, indem er sie für die vielen Grausamkeiten nicht verdammt, die aus ihnen Täter und Opfer zugleich machen.

Credits

OT: „Jules et Jim“
Land: Frankreich
Jahr: 1962
Regie: François Truffaut
Drehbuch: François Truffaut, Jean Gruault
Vorlage: Henri-Pierre Roché
Musik: Georges Delerue
Kamera: Raoul Coutard
Besetzung: Jeanne Moreau, Oskar Werner, Henri Serre

Bilder

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„Jules und Jim“ ist eine der großen, filmischen Liebesgeschichten – und dabei alles andere als romantisch. In seinem Klassiker zeigt François Truffaut die Schwierigkeiten, die Gefühle mit sich bringen, als aus einer Freundschaft eine Dreiecksbeziehung wird. Ohne zu beschönigen, aber auch ohne Verurteilung wird daraus ein Drama über drei Menschen, die sich in einem undurchsichtigen Geflecht selbst suchen und daran scheitern.
9
von 10