Nur die Füße tun mir leid
© Gabi Röhrl

Nur die Füße tun mir leid

Nur die Fuesse tun mir leid
„Nur die Füße tun mir leid“ // Deutschland-Start: 7. November 2019 (Kino)

Früher einmal, da war der Jakobsweg etwas für Exoten und besonders Gläubige. Warum sollte man wochenlang durch die Gegend wandern, nur um am Ende eine Kirche zu besuchen? Wer hat für so etwas überhaupt die Zeit? Inzwischen hat sich das geändert, aus der ganzen Welt strömen die Menschen nach Spanien, um auf den Pilgerwegen eben nicht nur Gott zu finden, sondern auch sich selbst. In Deutschland erlangte das einst eher belächelte Unterfangen durch Hape Kerkeling einen enormen Popularitätsschub, als sein persönliches Reisetagebuch Ich bin dann mal weg zum Bestseller wurde, auch die gleichnamige Verfilmung war ein Kassenerfolg.

Von Gabi Röhrls Schilderung ihrer Reise wird das wohl niemand ernsthaft erwarten, zu unterschiedlich sind die beiden Reiseberichte. Ein Vergleich ist von vornherein natürlich etwas unfair, anders als der berühmte Humorist, der allein schon durch seinen Namen ein größeres Publikum anzieht, wird die Regisseurin nur einem überschaubaren Zirkel ein Begriff sein. Vor allem ist die jeweilige Ausgangslage zu verschieden. Kerkeling war ein überzeugter Couch Potatoe, was nicht nur Sympathiepunkte beim ähnlichen gelagerten Publikum brachte, sondern auch seine Wanderung so unterhaltsam machte. Da war jemand, der so gar nicht für diese Aufgabe geschaffen ist und sie trotzdem macht.

Alles prima!
Röhrl ist da doch deutlich kompetenter und erfahrener – und damit eben auch langweiliger. In vergleichbare Schwierigkeiten wie ihr berühmter Mitläufer gerät sie nie. Allgemein ist ihr Jakobsweg eine doch sehr idyllische Angelegenheit geworden, ohne die geringsten Anzeichen von Zweifeln oder negativen Gedanken. An manchen Stellen beschleicht einen sogar das Gefühl, dass sie eigentlich im Auftrag eines Reiseveranstalters oder eines Touristikzentrums unterwegs sein könnte, so einseitig positiv ist das alles hier, so werblich fast. Wer auch nur einmal daran denkt, den Pilgerweg zurückzulegen, der sollte es einfach versuchen, so lautet das Fazit zum Schluss.

Nun sind Leidenschaft sowie eine positive Grundeinstellung sicher nichts, was man einem Menschen zum Vorwurf machen sollte. Es fällt aber ein Element weg, das Ich bin dann mal weg oder auch andere Reise-Dokumentarfilme auszeichnet, wie es sie inzwischen andauernd im Kino zu sehen gibt: die Reibung. Meistens machen die Begegnung mit dem Unbekannten und die Überwindung von Hindernissen einen Teil des Reizes aus. Des Gefühls, eine neue Welt zu erleben und dabei ein bisschen über sich hinauszuwachsen. In Nur die Füße tun mir leid kommt das kaum rüber, man hat überhaupt nicht den Eindruck, dass dies mit irgendeiner Form von Anstrengung verbunden ist.

Ich erzähl euch mal was …
Lernen kann man bei der Dokumentation aber trotzdem einiges. Was Nur die Füße tun mir leid an Persönlichkeit vermissen lässt, macht es durch eine größere Bemühung wett, dem Publikum einiges beizubringen. Diese Informationen können von typischen Reiseführereinträgen bis zu kleineren Kuriositäten reichen, wenn Röhrl unterwegs Augen und Ohren offen hält. Sehr schön sind zudem die Bilder, welche sie von ihrer immerhin 900 Kilometer langen Wanderung mitgebracht hat und die ein wenig selbst Lust machen, sich auf die Reise zu begeben.

Weniger geglückt, weil zu inkonsequent, sind die Versuche, andere Menschen in die Geschichte einzubeziehen. Immer wieder begegnet Röhrl unterwegs Leuten, die sich aus eigenen Gründen auf den Weg gemacht haben, und lässt diese zu Wort kommen. Doch diesen Aufnahmen fehlen oft die Kontexte. Es wird zu wenig deutlich, wer das alles ist. Das Gefühl einer Begegnung geht völlig verloren, wenn nur das Ergebnis gezeigt wird, so als hätte jemand in einer Fußgängerzone wahllos Passanten befragt. Gerade auch, weil die Wanderung als Möglichkeit des Austauschs angepriesen wird, sind diese Auslassungen umso verwunderlicher.



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„Nur die Füße tun mir leid“ nimmt uns mit auf eine 900 Kilometer lang Wanderung über den Jakobsweg. Das ist teils sehr schön bebildert und geizt nicht mit Wissen. Das persönliche Element kommt dabei jedoch zu kurz, sowohl auf die Protagonistin wie auch ihre Begegnungen bezogen.