Starlet
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Starlet

Starlet
„Starlet“ // Deutschland-Start: 9. Mai 2013 (Kino) // 14. Februar 2014 (DVD)

Eigentlich wollte Jane (Dree Hemingway) auf dem Flohmarkt ja nur ein paar Sachen kaufen, um ihre neue Wohnung, die sie mit Melissa (Stella Maeve) und Mikey (James Ransone) teilt, ein bisschen persönlicher zu machen. Doch zu Hause angekommen stellt sie fest, dass in der eben erstandenen Thermoskanne Unmengen an Geld sind. Nach einigem hin und her beschließt die 21-Jährige, den Besitz an die 85-jährige Sadie (Besedka Johnson) wieder zurückzugeben. Als die sie jedoch erst gar nicht zu Wort kommen lässt, versucht Jane, anderweitig mit der alten Dame Kontakt herzustellen und freundet sich dabei trotz anfänglicher Widerstände allmählich mit ihr an …

Heute gilt Sean Baker sicher als einer der besten Indie-Regisseure der USA, Tangerine L.A. und gerade auch sein bislang letztes Werk The Florida Project wurden von Filmfest zu Filmfest weitergereicht und mit Lob überschüttet. Bei Letzterem hätte es sogar fast mit dem lange überfälligen Oscar für Willem Dafoe gereicht. 2012 waren Stars noch kein Thema für den Filmemacher, dafür war er noch zu unbekannt. Was dann auch für sein Ensemble gilt: Dree Hemingway und Stella Maeve hatten zuvor nur Nebenrollen gehabt, Besedka Johnson gab in Starlet sogar ihr Schauspieldebüt. Genauer war es der einzige Auftritt der US-Amerikanerin, die nur wenige Monate später verstarb.

Der beiläufige Ausnahmemoment
Umso bemerkenswerter ist, mit welcher Natürlichkeit Johnson agiert, ebenso ihre diversen Kolleginnen und Kollegen. Dabei wäre es durchaus verständlich gewesen, an der Stelle ein bisschen zu fremdeln. Denn eigentlich ist die Geschichte, die Baker und sein Co-Autor Chris Bergoch da erzählen, alles andere als gewöhnlich. Wie ungewöhnlich sie ist, das realisiert man jedoch erst nach und nach. Wo andere vielleicht mit ihren Alleinstellungsmerkmalen hausieren gehen würden, da scheint sich Starlet gar nicht so recht dafür zu interessieren. Als wäre das alles völlig nebensächlich, zumindest im Vergleich zur eigentlichen Geschichte: die Freundschaft zwischen den beiden Frauen.

Die Umstände von beiden, die streut Baker zwischendurch mal ein. Was Jane und die beiden Mitbewohner verbindet, das erfahren wir beispielsweise erst, als der Film schon zur Hälfte vorbei ist. Die Enthüllung verläuft dabei so nüchtern, so beiläufig, dass man sich an der Stelle fragt: Moment, haben die das vorher schon gesagt? Habe ich das einfach nur verpasst? Gleiches gilt für Sadie, die zunächst nur eine grimmige ältere Dame ist, die der über sechs Jahrzehnte jüngeren Jane mit großem Misstrauen begegnet. Denn niemand ist ohne Grund freundlich, dessen ist sie sich sicher. Auch an ihr ist mehr dran, dafür müssen wir jedoch noch etwas länger warten, Starlet zeigt sie als ganz harte Nuss. Ein Rätsel, das bedeutende Hinweise für sich behält.

Alles gleich anders
Die Filmgeschichte ist natürlich voller Beispiele dafür, wie zunächst grimmige alte Menschen doch mit der Zeit ihr Herz entdecken und das Publikum beim erlösenden Happy End hemmungslos losschluchzen darf. Formal folgt Starlet diesem Ablauf und hält sich doch kaum an das, was man von einem solchen Film erwarten würde. Die Auflösung der Geldgeschichte ist ein Beispiel dafür, dass hier nach eigenen Regeln gespielt wird. Aber auch andere Faktoren werden nicht so dramatisiert, wie es andere gern tun, um möglichst einfach ein paar Gefühle zu erzwingen.

Das könnte manchen vor den Fernsehern zu wenig sein. So wie auch Tangerine L.A. und The Florida Project später ist der Film überaus entspannt, beobachtet die Menschen sehr gerne, selbst wenn sie gerade eigentlich nichts Aufregendes tun. Und doch ist Starlet eben spannender als viele andere direktere Werke über zwischenmenschliche Beziehungen, wenn ganz unerwartete Brücken gebaut werden, die Leute selbst nicht immer genau wissen, warum sie etwas tun. Hier treffen Welten aufeinander, die eigentlich keinen Berührungspunkt haben sollten, was gerade aufgrund der Selbstverständlichkeit dann doch berührt und das Drama zu einem wunderbar menschlichen macht.



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In „Starlet“ laufen sich eine 21-Jährige und eine 85-Jährige zufällig über den Weg und werden nach einem holprigen Start Bezugspersonen füreinander. Das ist ungemein warmherzig, ohne allzu dramatisch werden zu wollen, und sticht durch die Beiläufigkeit hervor, mit der selbst die ungewöhnlichsten Punkte erzählt werden.
8
von 10