Una primavera

Una Primavera

Una primavera
„Una Primavera“ // Deutschland-Start: 2. Januar 2020

Wenn man ein Thema für seinen ersten Film – egal, ob Spielfilm oder Dokumentation – sucht, bietet sich das persönliche Umfeld und die eigene Biografie für viele geradezu an. So machte sich beispielsweise die kanadische Schauspielerin Sarah Polley in ihrem ersten Dokumentarfilm Stories We Tell auf die Spurensuche innerhalb ihrer Familie und brachte neues Licht in ihre Herkunft und Identität. Die intensive Recherche, die gezwungenermaßen eine enge Begegnung mit dem Thema, den Personen und den Orten der eigenen Geschichte mit sich bringt, kann Unerwartetes zutage fördern. So auch in der ersten Regiearbeit der aus Italien stammenden Regisseurin Valentina Primavera.

Nach einem erneuten Streit, der in einem Gewaltausbruch ihres Ehemannes Bruno endete, flüchtet die Mutter der Regisseurin, Fiorella, zu ihrer jüngsten Tochter nach Berlin. Willens ihr Leben umzukrempeln und sich endgültig von Bruno zu trennen, durchlebt sie eine Zeit geprägt von Rechtsstreitigkeiten, einem enervierenden Zwist um das Familiengrundstück sowie die Vorhaltungen und Ermutigungen ihrer Freunde und Verwandten. Valentina begleitet diesen Prozess, indem sie ihrer Mutter beisteht und sie mit der Kamera begleitet. Die Art und Weise, wie ihrer Familie diesen Ereignissen begegnet, wirft neue Fragen auf, birgt viel Erschreckendes, was über den Kreis ihrer Verwandtschaft hinausgeht und die Grundfesten einer zutiefst patriarchalisch organisierten Gesellschaft zeigt.

Zwischen Kunst schmerzhafter Wirklichkeit
Mehr als nur einmal wird man sich als Zuschauer wohl möglich ob der Notwendigkeit der Kamera fragen, welche stummer Zeuge von sehr intimen, teils emotional schmerzvollen Szenen wird. Teils will Primavera verstehen, nachvollziehen, bisweilen aufdecken und muss sich dennoch immer wieder dem Dilemma zwischen der Rolle als Künstlerin und Tochter stellen. Die Präsenz der Kamera impliziert immer wieder die Gegenwart ihrer Geschichte, ihres Projekts, aber letztlich ist dies nichts anderes als die Anwendung eines Narrativs auf eine Person, in diesem Falle der eigenen Mutter, die sich gerade der Falle eines solchen entziehen will, also eine neue und eigene beginnen möchte.

Das Narrativ ist in diesem Falle die Familiengeschichte – immer wieder in den Fokus gerückt durch Hochzeits- und Jugendfotos Fiorellas. Primavera geht es hier scheinbar weniger um die zeitliche Distanz, das Erkennen ihrer Mutter in der jungen Person auf dem Foto sowie die damit verbundenen Gefühle, sondern auch immer das persönliche Hinterfragen dieser Welt auf dem Foto. Gerade diese Skepsis überträgt sich auf den Zuschauer, der sich bald schon die Frage stellt, ob ein Ausbrechen – zumindest eines auf Dauer – aus einer Institution wie der Ehe überhaupt möglich ist. Wahrscheinlich teilt die Regisseurin diese Zweifel, wenn sie im Titel von nur „einem Frühling“ spricht.



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„Una Primavera“ ist ein sehr persönlicher, ein sehr emotionaler Film. Aufgrund des sehr subjektiven Charakters provoziert die Regisseurin eine Begegnung mit der eigenen Lebensgeschichte, dem Konstrukt von Wahrheit in der eigenen Familie, eine schmerzliche Erfahrung, an der sie den Zuschauer teilnehmen lässt.