THE LIGHTHOUSE Der Leuchtturm Willem Dafoe Robert Pattinson

Der Leuchtturm

THE LIGHTHOUSE Der Leuchtturm Willem Dafoe Robert Pattinson
„Der Leuchtturm“ // Deutschland-Start: 28. November 2019 (Kino)

Man kann dabei relativ leicht Geld verdienen, dachte sich Ephraim Winslow (Robert Pattinson), als er den Job annimmt, vier Wochen auf einer kleinen Insel zu verbringen und sich um den Leuchtturm zu kümmern. Leicht ist die Aufgabe jedoch nicht. So wird er von Anfang an vom eigenwilligen Leuchtturmwärter Thomas Wake (Willem Dafoe) schikaniert, dem er es nie recht machen kann. Vor allem darf er nie zum Leuchtsignal selbst, sondern muss sich ausschließlich um die niederen Arbeiten kümmern. An Spannungen mangelt es daher nicht, ebenso wenig an Alkohol, mit dem sich Wake bei Laune hält. Doch je länger die Zeit auf der Insel andauert, umso stärker nimmt die beiden die Einsamkeit und das raue Wetter mit. Und ein Ende ist nicht in Sicht …

Derzeit tobt ja ein kleiner Streit in Hinblick auf das Horrorgenre. Einerseits ist es so erfolgreich wie selten in seiner langen Geschichte, kann immer mehr Hits vorweisen und wird auch von Kritikern ernstgenommen. Doch der Preis dafür war hoch, aus Sicht so manch eingefleischten Horrorfans: Die Filme seien kein Horror mehr wie früher. Stattdessen wurden sie mit ganz anderen Elementen verbunden, um ein größeres Publikum anziehen zu können. Coming-of-Age-Elemente stehen hoch im Kurs, auch gesellschaftliche Aspekte werden gern mal eingebaut, um einen Film relevanter zu machen. Das geht so weit, dass manchen Titeln sogar abgesprochen wird, überhaupt Horror zu sein, sondern eigentlich Arthouse, das sich nur als Horror tarnt.

Ein Schrecken in mehrfacher Hinsicht
Ein solcher Film, der sehr zwiespältige Reaktionen hervorrief, war vor einigen Jahren The Witch von Robert Eggers. Die Geschichte um eine puritanische Familie, die in einer abgelegenen Gegend im 17. Jahrhundert mit dem Übernatürlichen konfrontiert wird, wurde seinerzeit als eine Art Okkult-Horror verkauft, wurde auf diese Weise auch zu einem großen kommerziellen Erfolg. Doch während die Kritiker diesen sehr eigenen und langsamen Zerfall feierten, gab es aus dem Publikum reihenweise Schelte, die sich im falschen Film wähnten. Nun meldet sich Eggers mit seinem lang erwarteten zweiten Werk zurück und wird vermutlich ähnlich polarisieren. Die Reaktionen bei der Premiere in Cannes waren euphorisch. Und doch darf man mindestens etwas skeptisch sein, wie das Horror-Publikum auf diese Sonderbarkeit reagieren werden.

Das Setting selbst ist dabei wie schon in The Witch ausgesprochen genreerprobt. Zwar wurde der Wald gegen eine karge Insel ausgetauscht. Doch auch hier ist der Ort so fern von anderen Menschen, so fern von einer Zivilisation, so fern auch von jeglicher Ratio, wenn Mythen, Legenden und Aberglauben den Alltag beherrschen, dass der Horror fast schon von alleine kommt. Wobei Eggers natürlich auch noch ein bisschen mehr macht, als seine Figuren einfach nur im Nirgendwo auszusetzen. Vor allem audiovisuell hat sich der US-Amerikaner richtig ins Zeug gelegt. Ein fast quadratisches Bildformat, das von Anfang an Beklemmung, wenn nicht gar Klaustrophobie auslöst, dazu eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse zwischen Möwenkreischen und Horngedröhne, das über der gesamten Insel zu liegen scheint. Und dann wäre da auch noch das Schwarzweiß, das gleichzeitig betörend schöne Aufnahmen erlaubt, diese aber oft auch verfremdet – wie beim pechschwarzen Wasser.

Kaum greifbarer Wahnsinn
Doch der größte Horror lauert eben nicht in den Tiefen des Meeres, die hier heraufbeschworen wurden. Der Film ist daher trotz eines ähnlichen Szenarios so gar nicht mit Cold Skin und Konsorten zu vergleichen. Vielmehr konzentriert sich Eggers erneut auf die psychologische Komponente. Was macht das eigentlich mit den Menschen, wenn sie mutterseelenallein an einem Ort sind, an dem sie so offensichtlich fehl am Platz und unerwünscht sind? Freunde und Freundinnen des expliziten Horrors wird dieser allmähliche Abstieg in den Wahnsinn eher nicht zufriedenstellen, nur selten bricht Der Leuchtturm auch einmal aus seiner unheilvollen Atmosphäre heraus und begibt sich in die Niederungen der Handlung. Stattdessen wird kräftig mit (Alb-)Traumbildern gearbeitet, mit verstörenden Visionen eines Unglücks, bei denen erst auf den zweiten Blick – wenn überhaupt – offensichtlich wird, ob es real oder eingebildet ist. Ob hier zwei Männer wirklich einem Fluch ausgesetzt sind oder doch einfach nur verrückt.

Das kann man dann langweilig oder anstrengend finden, zumal der Film mit 110 Minuten nicht unbedingt kurz ist. Oder eben auch großartig. Anders als so mancher Horrorvertreter, der mit blutigem Schnetzelfleisch, Computerlichtern oder Buh-Momenten für Schrecken sorgen will, da geht Der Leuchtturm tatsächlich durch Mark und Bein. Neben der fantastischen audiovisuellen Gestaltung darf sich das Grauen dabei auf dem Schauspielduo ausruhen. Der anfangs gern belächelte Pattinson hat dank Werken wie Good Time und High Life bewiesen, dass er sowohl Geschmack wie auch Talent bei der Auswahl seiner nicht unbedingt mainstreamtauglichen Filme hat. Und Dafoe (The Florida Project) muss eigentlich eh nichts mehr beweisen. Er muss sich auch nicht so anstrengen wie sein jüngerer Kollege, um unter der Seemannsmütze unheimlich hervorzuschauen. Experimentierfreudigere Zuschauer und Zuschauerinnen sollten sich allein schon dieses komisch-tragischen Gespanns wegen die ebenso bizarre wie wunderbare Perle nicht entgehen lassen, die auf den Stärken von The Witch aufbaut und noch einmal verstärkt.



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Eine einsame Insel kann ganz schön sein. Oder ein Ort des Grauens. „Der Leuchtturm“ ist irgendwie beides, wenn der Film durch wunderbare Bilder verzaubert und gleichzeitig verstört. Für Fans klassischen Horrors wird die Geschichte um zwei Männer, die sich um einen abgelegenen Leuchtturm kümmern müssen, vermutlich nicht genug sein. Doch wer sich auf diesen ganz eigenen Wahnsinn einlassen kann, der wird reich belohnt und bis ins Mark erschüttert.
8
von 10