Near and Elsewhere
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Near and Elsewhere

Near And Elsewhere
„Near and Elsewhere“ // Deutschland-Start: 21. März 2019 (Kino)

Ein bisschen paradox ist es ja schon. Auf der einen Seite werden wir dazu angetrieben, uns auf die Zukunft vorzubereiten. Ob Klimakatastrophen, die berufliche Karriere oder die wegbrechende Rente, unser Blick ist immer nach vorne gerichtet, soll es zumindest sein. Und auch im Privaten verlassen wir immer häufiger das hier und jetzt, vergessen aktuelle Partnerschaften zu genießen, weil da draußen ja noch jemand Besseres kommen könnte. Aber wie genau die Zukunft aussieht, das weiß natürlich niemand. Schlimmer noch, die Ungewissheit scheint eher mehr als weniger zu werden, in einem Meer von Möglichkeiten fehlen uns oft die Orientierungspunkte.

Eines vorweg: Near and Elsewhere wird diese Orientierungspunkte ebenfalls nicht liefern. Im Gegenteil, diese Mischung aus Dokumentation und Essay hat es sich offensichtlich zum Ziel gemacht, eben diese allgemeine unwohle Ratlosigkeit kunstvoll zu verpacken. Der Titel verrät es bereits, wir sind hier überall und nirgendwo. Das Regieduo Sue-Alice Okukubo und Eduard Zorzenoni lässt eine Reihe von Leuten zu Wort kommen, die sich in irgendeiner Form mit der Zukunft oder auch dem Konzept von Utopien auseinandersetzen. Aber selbst das ist nicht immer eindeutig.

Auf der Suche nach Antworten
Die weißrussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch beispielsweise erinnert daran, was es hieß in der Utopie des Sozialismus zu leben. Der deutsche Kulturwissenschaftler Joseph Vogl wiederum befasst sich unter anderem mit der Frage, wie sehr unser Denken durch die Wirtschaft bestimmt wird. So sehr, dass es ohne diese gar nicht mehr wirklich funktioniert. Aber irgendwie dürfen hier alle mal zu Wort kommen, von der Langstreckenläuferin bis zur Marsforscherin, Wissenschaftler wie auch Menschen, die von der Zukunft überholt werden.

Über einen Mangel an Stoff kann man sich in Near and Elsewhere also wohl kaum beklagen. Wohl aber darüber, wie wenig greifbar dieser Stoff ist. Okukubo und Zorzenoni geben dem Publikum nur selten etwas tatsächlich Greifbares in die Hand. Vereinzelt kondensiert sich diese Wolke aus futuristischen Grübeleien zwar zu etwas, in dem man sich als Zuschauer wiederfinden darf. Das meiste ist jedoch sehr abstrakt, ohne echten Kontext auch. Es ist nicht einmal immer ersichtlich, was die Interviews denn mit dem Thema zu tun haben sollen, inspirierende Aussagen verschwimmen mit Wortfetzen, die eher verwirren als erhellen.

Zumal Near and Elsewhere eben nicht nur aus Interviews besteht, sondern auch aus Sequenzen, irgendwo zwischen Film im Film und Kunstperformance. Die dürfen dann auch mit den Interviews interagieren, zumindest so tun als ob. Das hilft sicher dabei, die Grenzen noch weiter aufzulösen. Und die sehr modernen Settings tragen sicher dazu bei, dass man sich ein bisschen wie in der Zukunft fühlt. Wirklich mehr Aussagekraft gewinnt der Film dadurch aber nicht, dafür wirkt das alles zu sehr wie ein bloßes Gimmick. Was bleibt ist ein diffuses Gefühl der Verunsicherung, sowohl der Zukunft gegenüber wie auch einem Film, der so konsequent inkonsequent ist, dass man selbst am hier und jetzt noch zweifelt.



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„Near and Elsewhere“ nähert sich der Zukunft an, indem eine Reihe von Leuten zu Wort kommen, die mal mehr, mal weniger etwas zum Thema beizutragen haben. Die Interviews geben vereinzelt interessante Denkanstöße, bleiben insgesamt aber seltsam zusammenhanglos, trotz verbindender kunstvoller Zwischensequenzen. Konkretes gibt es bei dieser Mischung aus Essay und Dokumentation kaum, bis zum Schluss ist sie mehr diffuses Gefühl als tatsächlicher Erkenntnisgewinn.