House of Hummingbird
© Epiphany Films

House of Hummingbird

House of Hummingbird
„House of Hummingbird“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

In der Familie von Eunhee (Ji-hu Park) funktioniert das Zusammenleben schon seit einer Weile nicht mehr. Während ihre Eltern alles für ihren Bruder tun, damit der mal richtig Karriere machen kann, sind sie und ihre Schwester immer nur zwei Wahl. Mit ihrem Bruder versteht sie sich ohnehin nicht, denn der verprügelt sie regelmäßig. Aber auch in der Schule läuft es nicht so richtig, nicht zuletzt weil Eunhee viel lieber zeichnet anstatt zu lernen oder auch mit ihrer besten Freundin abhängt. Erst als eine neue Chinesischlehrerin Young-ji (Sae-byuk Kim) in ihr Leben tritt, fühlt sie sich das erste Mal verstanden.

Zuletzt sind die 90er ja ein sehr beliebtes Szenario für Coming-of-Age-Filme gewesen. Ob nun Lady Bird oder Mid90s, die Reise in die Vergangenheit erlaubte den jeweiligen Filmemachern, sich mit dem eigenen Aufwachsen damals auseinanderzusetzen. Das gilt auch für House of Hummingbird, das wie die beiden obigen Werke ein Regiedebüt darstellt. Während jene aber aufgrund großer Namen automatisch eine gewisse Aufmerksamkeit zuteilwird, dürfte Bora Kim bislang nur wenigen ein Begriff sein. Und auch der Schauplatz wird nicht unbedingt dabei helfen, hierzulande ein größeres Publikum zu erreichen. Denn das Südkorea der 90er, das war kaum mit den USA oder Europa in dieser Zeit zu vergleichen.

Ein Land im Umbruch
Das hat auch Auswirkungen auf die Stimmungen der jeweiligen Filme. Wo die westlichen Vertreter oft auch ein wenig nostalgisch gefärbt sind, in der Erwartung, dass das Publikum diese Neigung teilt, da sind Kims Gefühle offenkundig sehr viel zwiespältiger. Was kein Wunder ist. Südkorea war 1994 – das Jahr, in dem House of Hummingbird spielt – erst seit einigen Jahren eine Demokratie geworden. Das ganze Land war im Aufbruch, es gab einen unglaublichen Bauboom. Gleichzeitig war vieles noch an Traditionen gebunden, gerade auch im Hinblick auf das Frauenbild.

Dieser Aspekt ist aus heutiger Sicht dann auch kaum mehr erträglich. Dass Eunhee unentwegt von ihrem Bruder misshandelt wird und die Eltern gleichgültig danebenstehen, das ist ebenso schockierend wie die Bevorzugung des männlichen Nachkommens – ohne dass der wirklich etwas dafür geleistet hätte. Und ohnehin: Das Bild, das Kim in ihrem autobiografisch gefärbten Debüt zeichnet, ist überaus düster. Gleichgültigkeit trifft auf Gewalt, unmotivierte Schikane auf Treulosigkeit. Irgendwie ist sich in House of Hummingbird jeder selbst der nächste. Lediglich Young-ji ist hier ein einsamer Hoffnungsschimmer. Die einzige Figur, die sich tatsächlich um andere kümmert.

Das Leben steckt voller Überraschungen!
Und doch ist das Drama, das auf der Berlinale 2019 Europapremiere feierte, nicht Ausdruck reiner Trostlosigkeit. Vielmehr stellt uns Regisseurin und DrehbuchautorinKim eine junge Protagonistin vor, die auf der Suche ist, voller Sehnsucht auch, einfach mal irgendwohin gehören möchte. Sie sucht das Glück in platonischen Freundschaften, in Beziehungen. Sie genießt aber auch die Aufmerksamkeit der Familie, als sie selbst durch eine Krankheit in den Mittelpunkt rückt. Dabei wechseln sich Licht und Schatten ab, bei der Geschichte weiß man nie, ob als nächstes ein weiterer Schicksalsschlag oder eine hoffnungsvolle neue Begegnung auf einen wartet.

Die junge Nachwuchsdarstellerin Ji-hu Park fühlt sich glücklicherweise in beidem zu Hause, ihre natürliche Spielweise hält zusammen, was anderen vielleicht längst um die Ohren geflogen wäre. Auch wenn House of Hummingbird voller tragischer Ereignisse ist, so viele, dass man zuweilen an der Glaubwürdigkeit zweifelt, das Drama schlachtet die Momente nicht aus. Begleitet von der sanften Musik von Matija Strniša ist der Film ein geradezu zärtliches Porträt, das einfühlsam von dem schwierigen Erwachsenwerden redet, zwischen Erwartungsdruck und Selbstfindung, Selbstzweifeln und Träumereien. Und das ist etwas, mit dem sich viele Zuschauer identifizieren können müssten, egal ob aus West oder Ost, ob ein 90er-Kind oder aus einer anderen Zeit stammend.



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„House of Hummingbird“ nimmt uns mit ins Südkorea im Jahr 1994 und erzählt eine Coming-of-Age-Geschichte, die gleichzeitig ein Kind seiner Zeit und doch auch zeitlos ist. Das Drama ist dabei voller tragischer Elemente, schlachtet diese aber nicht aus, sondern ist vielmehr das zärtliche und einfühlsame Porträt einer Heranwachsenden, die in einem turbulenten, kaputten Umfeld sich selbst sucht.
7
von 10