With the Wind
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With the Wind

With the Wind
„With the Wind“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Pauline (Mélanie Thierry) und Alex (Pierre Deladonchamps) teilen einen großen Traum: Sie wollen eine eigene Farm führen, ganz unabhängig von anderen, von Chemie und sonstigen modernen Zwängen. Einen Kompromiss gehen sie hierfür aber ein: Sie lassen sich von Samuel (Nuno Lopes) ein Windrad installieren. Mit diesem wollen sie ihren eigenen Strom erzeugen und damit nicht länger auf die umweltverschmutzenden Elektrizitätswerke angewiesen sein. Doch so ganz funktioniert dieser Traum einer Idylle nicht, denn Samuel bringt jede Menge Unruhe auf den friedlichen Hof. Als dann auch noch eine Krankheit die Tiere befällt, droht der Traum vom eigenen Glück endgültig zu platzen.

Zuletzt hatten Umweltfreunde ja weniger zu lachen. Der weltweite Aufmarsch der Populisten macht nicht nur Flüchtlingen zu schaffen und all den Menschen, die von einer sozialeren Welt träumten. Auch für Mutter Natur hat der Aufstand der aufrechten Unrechten nichts Gutes zu bedeuten. Geradezu rührend mutet es daher an, wie Pauline und Alex ihren Hof bestellen, daran glauben, die Zeit noch einmal zurückdrehen zu können. Ein rein organischer Hof, der im Einklang mit der Natur ist, und gleichzeitig losgelöst von der Welt da draußen. Ein kleines Paradies inmitten schöner Landschaften, wie Samuel sagt. Oder auch schrecklich langweilig, wie es Galina (Anastasia Shevtsova) ausdrückt, eine Jugendliche aus Tschernobyl, die inmitten der frischen Luft gesundheitliche Besserung sucht.

Einbruch durch die Welt da draußen
Es sind dann auch diese beiden, welche das erst auf den zweiten Blick so fragile Glück stören. Samuel tut das direkt, indem er schon bei seiner Ankunft ein kleines Schwein totfährt, indem er das Konzept von Alex infrage stellt. Und natürlich indem er Pauline den Kopf verdreht, was sie bald ahnt, wenn auch nicht wahrhaben will. Im Vergleich dazu ist Galina relativ unbeteiligt. Die anfänglichen Culture-Clash-Elemente – die Jugendliche vermisst in der Einöde das dringend benötigte Wi-Fi –, werden relativ bald zu den Akten gelegt. Sie ist vielmehr Beobachterin. Und doch wird auch sie dazu beitragen, dass Pauline bald in sich mehr entdeckt, etwas anderes sein möchte, als es der Plan der organischen Farm vorsieht.

Das Drama, welches in Locarno Weltpremiere feierte und im Rahmen der Französischen Filmtage Tübingen-Stuttgart auch nach Deutschland kommt, erzählt daher zwei Geschichten in einem. Die eine behandelt den Umweltkomplex, wenn zwei Menschen den Traum einer natürlichen Landwirtschaft pflegen – dabei aber an ihre Grenzen stoßen. Die zweite behandelt das Erwachen einer Frau, die zu lange eine Gefangene war, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die auch nicht auf ihre Schwester Mara (Audrey Cavelius) hört, eine Tierärztin, die den Bestrebungen von Alex, komplett auf Medizin zu verzichten äußerst skeptisch gegenübersteht.

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Die dankbareren Rollen gewährt die Schweizer Regisseurin und Co-Autorin Bettina Oberli dabei den Frauen. Während Alex, trotz einer engagierten Darstellung von Pierre Deladonchamps (Sorry Angel) eine eindimensionale Figur bleibt, einem Sektenanführer gleich, Samuel nie mehr als der attraktive Fremde sein darf, geht in den beiden Damen ein Wandel vor sich. Beide finden zu sich, die eine durch eine versöhnliche Öffnung, die andere durch einen Ausbruch, leidenschaftlich bis gewaltsam. Große Worte braucht es dafür hingegen nicht, With the Wind ist über weite Strecken ein sehr leises Drama, das sich ganz auf die Kraft seiner Bilder verlässt.

Die ist dann auch beträchtlich, gleich ob es sich nun eine sonnenbeglückte Idylle auf der Leinwand gemütlich macht oder mit mächtigen Symbolen hantiert wird – darunter zweifelsfrei das des Windrades als Ausdruck des Konfliktes. Das ist teils sehr zurückgenommen, anderes weniger subtil. Insgesamt ist die französisch-schweizerische Coproduktion so oder so eine sehenswerte Abwandlung des bekannten Liebesdreiecks: Wenn Pauline zwischen zwei Männern steht, dann eben auch zwischen zwei Lebensphilosophien. Und die Antwort darauf, welche von beiden die richtige ist, ob überhaupt eine davon die richtige ist, die kann nur sie selbst wissen. Oder der Wind, der sich ungestört von dem zwischen Wahnsinn und Sehnsucht wechselnden Treiben weiterdreht.



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„With the Wind“ ist einerseits ein klassisches Liebesdreieck, nutzt dieses aber für zwei spannende Handlungsstränge. Wenn ein Paar in der Einöde eine organische Farm führen will, dann bedeutet das gleichzeitig ein Kampf zwischen Idealismus und Realität sowie vom Erwachen einer Frau, die mehr sein will. Das ist schön bebildert und stark besetzt, auch wenn die männlichen Figuren etwas mehr Zwischentöne hätten vertragen können.
7
von 10