Styx
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„Styx“, Deutschland/Österreich, 2018
Regie: Wolfgang Fischer; Drehbuch: Wolfgang Fischer, Ika Künzel
Darsteller: Susanne Wolff, Gedion Oduor Wekesa

Styx
„Styx“ läuft ab 13. September 2018 im Kino

Eigentlich hatte Rike (Susanne Wolff) vorgehabt, weg von dem Stress des Alltags zu kommen. Eine kleine Atlantikinsel ist ihr Ziel, ein Paradies, das es ihr erlauben sollte, mal wieder etwas Ruhe zu finden. Der Weg dorthin ist lang, gerade auch wenn man nur mit einem 12 Meter langen Boot unterwegs ist. Aber Rike ist erfahren, bestens ausgerüstet und als Notärztin auf jede Krise vorbereitet. So dachte sie. Als sie nach einem schweren Sturm jedoch ein manövrierunfähiges Fischerboot entdeckt, vollgepackt mit Flüchtlingen, da ist auch sie am Ende ihrer Weisheit. Denn trotz mehrerer Hilferufe an die Küstenwache und umgebende Schiffe, scheint niemand diese Menschen retten zu wollen.

In den Medien mag das Thema Flüchtlinge nicht mehr so wirklich präsent sein, sofern nicht gerade wieder jemand am rechten Rand damit Wahlen gewinnen will. In Filmen jedoch, da genießt es nach wie vor größte Aktualität. Vor allem der Dokumentarfilmbereich nimmt die Vorlage danken auf: Ob das kunstvolle Taste of Cement – Der Geschmack von Zement, das ernüchternde Eldorado oder das persönliche Global Family, in den Kinos sind derzeit alle paar Wochen neue Werke dazu zu sehen.

Gemächlicher, dokumentarischer Einstieg
Mit Styx gesellt sich nun mal wieder eine fiktionale Variante dazu, auch wenn diese anfangs als etwas völlig anderes erscheint. Eine ganze Weile widmet sich Regisseur und Co-Autor Wolfang Fischer hier völlig seiner Protagonistin. Erst zeigt er sie in ihrem beruflichen Umfeld, danach wie sie sich allein auf hoher See durchschlägt. Das dient zum einen dazu, sie als einen sehr kompetenten, rationalen Menschen zu zeigen, der mit jeder Situation fertig wird. Zum anderen impliziert er durch ihren Beruf auch ein gewisses Helfersyndrom: Ist jemand in Not, dann ist sie zur Stelle.

Ebenso nüchtern ist, was Fischer daraus macht. Er verzichtet auf musikalische Dramatisierung oder große Dialoge, um das Publikum vorzubereiten. Styx ist vielmehr so sehr an gewöhnlichen Abläufen und Tätigkeiten interessiert, an Protokollen und Routinen, dass man meinen könnte, sich hier doch eine Dokumentation anzusehen. Eine über die Kunst des Segelns zum Beispiel. Man spürt hier förmlich, wie einem der Wind die Haare zerzaust, die Sonne auf die Haut brennt, die Gischt des Atlantiks, während wir durch das Wasser schippern.

Unerträgliche Spannung und moralische Fragen
Umso stärker ist der Kontrast, wenn sich Styx in der zweiten Hälfte doch noch seinem eigentlichen Thema zuwendet. Und das auf vielen Ebenen. Rike, die so verlässlich und kompetent ist, findet sich in einer Situation wieder, in der sie selbst machtlos ist. In der sie unbedingt helfen will, es aber nicht kann. Im Gegensatz zu ihrer inneren Unruhe passiert da draußen nicht viel, ist alles trügerisch ruhig. Genau das ist aber das Perfide an der Situation: Das vom Untergehen bedrohte Fischerboot ist ganz nahe und doch unerreichbar. Nimmt sie die Flüchtlinge auf, wird ihr eigenes Boot sinken. Nur einen Teil aufnehmen ist ebenso undenkbar. Rettung von außen ist nicht in Sicht, auch wenn sie versprochen ist. Ein Wettlauf durch die Zeit, der eben nicht nur Aktionen bestimmt ist, sondern das Warten.

Daraus bezieht Styx, das auf der Berlinale 2018 Weltpremiere feierte, eine beachtliche Spannung. Die Hilflosigkeit von Rike, das Ausgeliefertsein an eine Küstenwache, bei der nicht klar ist, wann sie kommt, ob sie überhaupt kommt. Die Ungewissheit auch, wie das hier alles ausgehen wird, ob der Film mit einem Happy End beglückt oder die angedrohte menschliche Katastrophe eintritt. Bis die Antwort da ist, darf sich der Zuschauer auch mit moralischen Fragen quälen. Die oft eher hypothetische Auseinandersetzung mit Flüchtlingen bekommt hier ein Gesicht, die Folgen des Nichtstuns werden vorgeführt. Ebenso die zynische Einstellung zu der Misere und zu Gleichberechtigung. Angst und Wut wechseln sich ab, während der nur gut anderthalb Stunden dauernde Film endlos erscheint.



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„Styx“ nähert sich dem Thema Flüchtlingskrise auf eine ungewöhnliche Weise an. Während die erste Hälfte sehr dokumentarisch umgesetzt ist, wenn wir mit einem Segelboot unterwegs sind, ist die zweite umso emotionaler. Die Begegnung mit einem untergehenden Flüchtlingsboot fordert mit moralischen Fragen und ist aufgrund des ungewissen Ausgangs sehr spannend.
8
von 10