Liebe bringt alles ins Rollen
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Liebe bringt alles ins Rollen

„Tout le monde debout“, Frankreich, 2018
Regie: Franck Dubosc; Drehbuch: Franck Dubosc, Musik: Sylvain Goldberg, Emilien Levistre, Xiaoxi Levistre
Darsteller: Franck Dubosc, Alexandra Lamy, Elsa Zylberstein, Gérard Darmon, Caroline Anglade

Liebe bringt alles ins Rollen
„Liebe bringt alles ins Rollen“ läuft ab 5. Juli 2018 im Kino

Dem Geschäftsmann Jocelyn (Franck Dubosc) liegt der Erfolg zu Füßen, welcher sein Ego auf einen unantastbaren Höhenflug schickt. Frauen lieben sein Selbstbewusstsein, seine junggebliebene Art und natürlich sein Geld. Hinter der gekünstelten Fassade versucht der überschwängliche Playboy die Anzeichen seines fortschreitenden Alters zu verbergen. Der plötzliche Anruf seines Bruders, der ihn über den Tod seiner Mutter informiert, reißt ihn temporär aus seinem Egotrip. Als er im Elternhaus in Erinnerungen schwelgt und dabei im Rollstuhl seiner verstorbenen Mutter sitzt, platzt die vollbusige Julie (Caroline Anglade) herein, die ihn glatt für behindert hält und ihre Hilfe als Krankenpflegerin anbietet. Ohne Scham und Skrupel spielt er von nun an die Rolle des Hilfsbedürftigen, bis er auf Julies Schwester Florence (Alexandra Lamy) trifft, die ebenfalls im Rollstuhl sitzt. Die beiden werden zu einem gemeinsamen Date überredet und könnten zunächst unterschiedlicher nicht sein. Mit dem ersten überspringenden Funken hegt Jocelyn Schuldgefühle. Er will die Wahrheit sagen, aber wird sie ihm verzeihen können?

Im falschen Film
Wer kennt es nicht: Wenn die großbrüstige Nachbarin durch die Tür platzt und einen bemitleidet, spielt man eben den Behinderten, bis man sie flachgelegt hat. Anschließend kann man immer noch so tun, als wären es ihre sexuellen Heilpraktiken, die ein Wunder bewirkt haben. Man kann wieder gehen! Ohhhh, der Heiland ist gekommen. Amen!

Windet man sich durch die ersten Minuten des Plots, muss man sich fragen, ob man nicht irgendwo falsch abgebogen ist und sich im hiesigen RTL Mittagsprogramm befindet. Hugh Hefner wäre sicherlich stolz auf solch rollige Abenteuerchen. Von intellektueller Tiefe keine Spur, es regiert der Neanderthalerinstinkt: Sex sells! Dennoch war der Film in seinem Produktionsland Frankreich ein großer Erfolg. Grund genug, einmal hinter die Kameralinse zu schauen. Dort präsentiert Tausendsassa Franck Dubosc (Camper) sein Regiedebüt und übernimmt zugleich die Hauptrolle des Films, für den er obendrein das Drehbuch schrieb. Bekannt aus Funk und Fernsehen sowie seinen eigenen Stand-up-Programmen zierte er sich bis dato vor dem alles entscheidenden Regiestuhl. Das Zünglein an der Waage ist der persönliche Hintergrund und die emotionale Nähe zum Thema. War seine Mutter selbst an den Rollstuhl gebunden, was ihm dabei half, eine neue Perspektive für die Bedürfnisse anderer zu erhalten.

Wer braucht hier Hilfe?
Davon ist Jocelyn jedoch weit entfernt. Seinem fortschreitenden Alter versucht er mit immer jünger werdenden Frauen Einhalt zu gebieten, während er jegliche Form emotionaler Nähe zwanghaft überspielt und im Keim erstickt. Die Beerdigung seiner Mutter bringt erste Risse in das egomanische Antlitz, welches natürlich nicht von Dauer ist. Florence stellt das absolute Gegenteil zu ihm dar. Vor ein paar Jahren mehr auf dem Zeitkonto des Lebens schämt sie sich schon lange nicht mehr und tritt ihrer Behinderung aktiv im Sport und Leben entgegen. Sie ist stärker als es Jocelyn jemals sein könnte, hat aber ebenfalls eine große Schwäche: ihn.

Sie > Er
Die eigentliche Komödie erlebt einen schnellen Wandel. Sein chauvinistisches Glashaus steht auf bemitleidenswerten Pfeilern, verstärkt durch Lügen, die für ihn inzwischen zur Gewohnheit geworden sind. Der gestandene Mann entpuppt sich auf den zweiten Blick als tragisches Männlein. Einzige Anzeichen der Vernunft stellen sein Freund Max (Gérard Darmon) und seine Sekretärin Marie (Elsa Zylberstein) dar, die ihn noch nicht aufgegeben haben. Anstatt auf seinen Erfolg zu hoffen, findet man sich rasch im gegenüberliegenden Lager bei Team „Florence“ wieder. Ihre Lebensfreude ist, genau wie ihr Lächeln, ansteckend. Trotz körperlicher Einschränkung gewinnt sie jedem neuen Tag etwas Positives ab. Sie findet sich nicht mit ihrer Verfassung ab, sondern macht das Beste draus. Sie ist zu gut für ihn!

Unausgesprochene Botschaft
Selten hofft man so sehr auf das Zerbrechen einer scheinbaren Liebe wie hier. Der vermeintliche Hauptcharakter birgt wenige Sympathiepunkte, die komödiantischen Einlagen gleichen flachem Schuljungenhumor und der tragende Handlungsknoten ist nicht mehr als eine tickende Zeitbombe, der der Zuschauer schnell überdrüssig wird. Franck Dubosc wirkt in seiner Rolle gekünstelt, gar langweilig; der Fokus auf die alltäglichen Hindernisse beeinträchtigter Menschen ist mehr als oberflächlich skizziert; einzelne Situationen gerade zum Ende hin ergeben schlichtweg keinen Sinn. Einziger Lichtblick ist eine umwerfende Alexandra Lamy (Willkommen im Hotel Mama), die ihrem Charakter nicht nur Leben einhaucht, sondern durch ihre ansteckend optimistische und offenherzige Art den Zuschauer unbewusst auf ihre Seite zieht. Zu wenig für eine angesetzte Romanze zweier Gegenpole.



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Liest man sich Pressemitteilungen und Interviews durch, verwundert das fertige Ergebnis umso mehr. Das persönliche Anliegen von Franck Dubosc wird von der unausgereiften Umsetzung überschattet. Es mangelt an vielem, aber vor allem an Herz, welches für eine Liebeskomödie das endgültige Todesurteil bedeutet.
4
von 10