A Young Man with High Potential

A Young Man with High Potential

„A Young Man with High Potential“, Deutschland, 2018
Regie: Linus de Paoli; Drehbuch: Linus de Paoli; Musik: Felix Raffel, Linus de Paoli
Darsteller: Adam Ild Rohweder, Paulina Galazka

„A Young Man with High Potential“ // Deutschland-Start: 7. März 2019 (Kino) // 19. März 2021 (Blu-ray)

Am Computer, da ist Piet (Adam Ild Rohweder) ein Ass. Die Dozenten loben den Informatikstudenten unentwegt, seine Arbeiten genießen einen gewissen Ruf. Zwischenmenschlich ist er jedoch weit weniger begabt. Die einzigen Kontakte, die er hat, sind ein Lieferjunge, der ihm das Essen vorbeibringt, sowie eine Bekanntschaft aus dem Internet, die gegen Geld die Hüllen fallen lässt. Seine erste Reaktion, als Klara (Paulina Galazka) unbedingt bei einem Projekt mit ihm zusammenarbeiten will, ist dann auch ablehnend. Er arbeitet nun mal lieber allein. Andererseits, hübsch ist die Kommilitonin ja. Und nett scheint sie auch zu sein. Also lässt er sich auf die Zusammenarbeit ein, ohne zu ahnen, was er damit heraufbeschwören wird.

Ein bisschen verwirrt darf man hier ja schon sein. Ein Film, der in der Reihe „Neues Deutsches Kino“ auf dem Filmfest München 2018 gezeigt wird, dabei aber einen englischen Titel trägt. Der auch auf Englisch gedreht wurde. In dem kaum ein Deutscher mitwirkt. Der gebürtige Hamburger Linus de Paoli, der hier Regie führt und das Drehbuch schrieb, darf sein Vaterland vertreten, ebenso Pit Bukowski, der in einer winzigen Rolle zu sehen ist. Die Hauptfigur wird jedoch von einem Dänen verkörpert, seine unglücksselige Kommilitonin von einer Polin, auch die US-Amerikanerin Amanda Plummer macht mit. Warum die Nationalitäten so wild durcheinandergemischt wurden, das erschließt sich nicht, inhaltlich wird das nicht aufgegriffen. Aber Fragezeichen, die hinterlässt A Young Man with High Potential ja ohnehin so einige.

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Beispielsweise wird nicht ganz klar, was der Film nun eigentlich sein möchte. Als Thriller funktioniert er nicht so recht, da gleich zu Beginn verraten wird, was am Ende des Aufeinandertreffens geschieht. Der Auftritt von Plummer selbst hat keine echte Funktion, die Befragung des Jugendlichen dient nur als Anlass, damit er seine Geschichte erzählt. Das hätte ohne diesen Rahmen aber genauso funktioniert, den suspekten Studenten zum Erzähler zu machen, nutzt nicht die Möglichkeiten, die eine derart subjektive Perspektive mit sich bringt.

Auch als Drama ist A Young Man with High Potential eher zwiespältig. Ein hochbegabter Informatikstudent, dessen einzige sexuelle Erfahrung im Konsum von Pornos liegt, ist ein nur wenig interessantes Klischee. Beispiele für die hohe Intelligenz von Piet bleibt einem der Film auch schuldig, ebenso seine Computerfähigkeiten. Es ist nicht einmal so, dass die offenkundig gestörte seelische Gesundheit gewinnbringend eingesetzt würde. Er mag nicht ganz richtig im Kopf sein, ist dabei aber langweilig. Das ganze Szenario ist unwirklich, bizarr, ohne daraus aber Spannung zu beziehen. Lediglich die Unbeholfenheit, sozialer wie sonstiger Natur, nimmt man Rohweder ab, dafür werden hier genug anschauliche Beweise geliefert.

Aus dem Leben in einer alternativen Welt
Am spannendsten ist A Young Man with High Potential noch als Kommentar über eine Gesellschaft, die ihre sozialen Kontakte und das Wissen aus dem Netz bezieht, dann jedoch überfordert ist, wenn auf einmal die Realität vor der Tür steht. Wenn eine Online-Prostituierte gegen Geld Tipps geben soll, wie man sich einer jungen Frau gegenüber verhält, dann ist das eine ebenso absurde wie erschreckend plausible Situation – die Trennung der verschiedenen Welten, sie funktioniert nicht mehr. Die Flucht in die Virtualität, die nimmt hier ganz neue Formen an. Leider verzichtet de Paoli aber darauf, diese Elemente noch weiter auszubauen. So bleibt dann zwar das erschreckende Porträt eines Menschen, der so wenig Berührungspunkte zum Leben hat, dass er dieses nicht mehr wertschätzt und zunehmend den Halt verliert. Eines jedoch, das oft mehr verwirrt als wirklich fesselt und aus dem eigenen Potenzial nicht genug macht.



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Ein brillanter, aber sozial unkompetenter Informatikstudent soll ausgerechnet mit der hübschen Kommilitonin zusammenarbeiten: Was sich für manche wie ein Traum anhören dürfte, wird für den Betroffenen zu einem absoluten Albtraum. Teile von „A Young Man with High Potential“ sind interessant, gerade die Ausführungen zu einer Gesellschaft, die vor lauter Virtualität die Realität nicht mehr beherrscht. Andere sind dafür unglücklich, unnötig kompliziert und insgesamt auch zu sehr mit Klischees beschäftigt.
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von 10