Meine Tochter
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Meine Tochter – Figlia Mia

„Figlia Mia“; Deutschland/Italien/Schweiz, 2018
Regie: Laura Bispuri; Drehbuch: Laura Bispuri, Francesca Manieri; Musik: Nando Di Cosimo
Darsteller: Valeria Golino, Alba Rohrwacher, Sara Casu

Meine Tochter
„Meine Tochter – Figlia Mia“ // Deutschland-Start: 31. Mai 2018 (Kino) // 5. April 2019 (DVD)

Mehr als 28.000 Euro, so viel schuldet Angelica (Alba Rohrwacher) mittlerweile. Geldprobleme kennt sie natürlich, die hat sie immer mal wieder gehabt. Doch dieses Mal ist es besonders schlimm. Sie wird wohl ihren Hof verkaufen müssen, ihre Tiere, weg aus dem kleinen sardinischen Dorf. Viel gibt es hier eh nicht mehr, das sie hält. Eine Sache wäre da aber noch: die 9-jährige Vittoria (Sara Casu). Ihre Tochter. Angelica hatte sie damals nach der Geburt an Tina (Valeria Golino) weitergegeben, die sich um das Kind kümmern sollte und dafür regelmäßig Geld gab. Aber jetzt, wo sie bald geht, würde Angelica ihr Kind doch zumindest gern mal kennenlernen und bringt damit nicht nur deren Welt völlig durcheinander.

Was genau bestimmt eigentlich, wer deine Eltern sind. Sind es die leiblichen Eltern, die dir das Leben geschenkt haben? Oder sind es die Menschen, die dich aufgezogen, dir durch das Leben geholfen haben? Bei den meisten fallen beide Rollen zusammen. Dann und wann kommt es dann aber doch anders, beispielsweise im Falle einer Adoption. Dass es in solchen Situationen zu starken Konflikten führen kann auch im Hinblick auf die eigene Identität, das haben andere Filmemacher bereits bewiesen. Hirokazu Koreeda zum Beispiel, der in Like Father, Like Son eine Krankenhausverwechslung zur Ausgangssituation einer Familienkrise nahm.

Zwei Vorbilder und die Suche nach dem eigenen Weg
Auch Regisseurin und Co-Autorin Laura Bispuri wirft in ihrem zweiten Film diese Frage auf, wenn eine leibliche und eine Adoptivmutter um die Zuneigung eines jungen Mädchens kämpfen. In Meine Tochter ist das Szenario näher an der Wahrscheinlichkeit dran als beim japanischen Kollegen, jedoch kein Stück weniger dramatisch. Vor allem aber liegt der Fokus hier stärker auf dem Kind. So stark die Konflikte zwischen den Erwachsenen auch sein mögen, es geht hier in erster Linie darum, wie ein junger Mensch seinen eigenen Weg sucht. Sich selbst sucht.

Dafür nutzt Bispuri den wohl größtmöglichen Kontrast, den man sich vorstellen kann. Tina ist solide, beschützend, jemand, der sich vor das Kind stellt, aber dafür auch nicht viel Freiheit gewährt. Angelica hingegen ist ein Wirbelwind, der kaum zu fassen ist, nie viel übrig hatte für ein reguläres Leben. Das ist faszinierend, gerade auch aus der Perspektive eines Mädchens, das etwas derartiges zuvor nie gesehen hat. Vorbildfunktion hat das jedoch weniger: psychische Probleme, der Hang zum Alkohol und zur Verwahrlosung, die ständige Armut. Nein, da überlegt man es sich doch zweimal, das Kind in die Nähe eines solchen Menschen zu lassen.

Wenig subtil, dafür rau und emotional
Sonderlich subtil ist das natürlich nicht. Das Spiel mit den Grautönen liegt Bispuri offensichtlich weniger, wenn es darum geht, zwei potenzielle Lebenswege für Vittoria aufzuzeichnen. Aber es ist ein kraftvoller Film, den die Italienerin da abgedreht hat. Die Angst von Tina, alles zu verlieren, die ständig schimpfende Angelica, die sich an jeden Mann verkauft, Vittoria, die sich nach Anerkennung und Zuneigung sehnt. Meine Tochter – Figlia Mia, das auf der Berlinale 2018 Premiere feierte, ist vollgestopft mit rohen Momenten voller Emotionalität.

Das findet sich auch in den Bildern wieder. Sardinien genießt als Touristenziel durchaus eine gewisse Popularität. Und über mangelnden Sonnenschein braucht sich in Meine Tochter auch niemand zu beklagen. Es ist aber nicht die Art Sonne, die einen dazu einlädt, die Seele baumeln zu lassen und das Leben zu genießen. In dem Drama gibt es überhaupt niemanden, der sein Leben wirklich zu genießen scheint. Die Natur ist karg und verdorrt, alles ist rau, dreckig, verroht. Inmitten dieser harschen Umgebung gibt es Hitze, aber keine Wärme, eine Landschaft, die fantastisch aussieht, die man aber doch lieber aus der sicheren Entfernung auf der Leinwand bewundert.



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Wenn zwei sich streiten, leidet die Dritte: „Meine Tochter“ erzählt davon, wie ein 9-jähriges Mädchen zwischen ihrer leiblichen Mutter und der Adoptivmutter hin und hergerissen ist, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sonderlich subtil ist das Spiel mit den Kontrasten nicht, dafür ist das Drama aber voll rauer Emotionalität und dazu passenden Bildern einer kargen Landschaft auf Sardinien.
7
von 10