Amadeus

„Amadeus“, USA, 1984
Regie: Miloš Forman; Drehbuch: Peter Shaffer; Musik: Wolfgang Amadeus Mozart
Darsteller: F. Murray Abraham, Tom Hulce, Richard Frank, Jeffrey Jones, Elisabeth Berridge, Simon Callow

AmadeusMiloš Forman ist eine der wenigen bekannten Persönlichkeiten, die ich gerne einmal in echt getroffen hätte. Ich hätte ihm gerne gesagt, was ich von seinem Film Amadeus halte, was der Film für mich bedeutet. Am 13. April 2018 verstarb Forman im würdigen Alter von 86 Jahren. Ein – wenn auch trauriger – Anlass, sich wieder einmal mit diesem besonderen Film zu beschäftigen.

In der Unterstufe forderte meine Musiklehrerin die Klasse dazu auf, folgenden Satz ins Heft zu notieren: „Jaschar ist ein wandelndes Musiklexikon.“ Mit meinem Fachwissen über Komponisten, darunter vor allem Mozart, sicherte ich mir bei ihr die ein oder andere mündliche 1. Heute ist von dem umfangreichen Detailwissen nicht mehr allzu viel übrig, Mozarts Musik aber hat von klein auf eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt und natürlich habe ich auch Filme über ihn gesehen. Einige waren okay, andere gut. Und dann gibt es noch Amadeus.

Amadeus basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück des 2016 verstorbenen Peter Shaffers, welcher auch das Drehbuch schrieb. Der Film beginnt damit, dass Antonio Salieri (F. Murray Abraham) hinter verschlossenen Türen lauthals seinen Mord an Mozart (Tom Hulce) gesteht und daraufhin versucht, sich umzubringen. Seine Diener können gerade noch rechtzeitig ins Zimmer eindringen und Salieri wird in eine Irrenanstalt eingewiesen. Dem Priester (Richard Frank), der ihn dort besucht, erzählt er ausführlich davon, wie er selbst zur Musik kam und wie er Mozart traf, von dem er viel gehört hatte und den er bald als den irdischen Gesandten seines Erzfeindes ansehen sollte. Bereits als Salieri dem Priester einige seiner eigenen Stücke auszugsweise vorspielt, von denen dieser keines erkennt, dann aber Mozarts Eine kleine Nachtmusik nach nicht mal zwei Takten freudig mitsummt, wird uns vermittelt: Salieri muss sehr darunter leiden, ein so guter Komponist zu sein, dass er sich dessen gewahr ist, nie an Mozarts Genie oder Ruhm zu reichen.

Unter Formans Regie brilliert der gesamte Cast

F. Murray Abrahams Darstellung des Salieri gehört zu den besten der Filmgeschichte und Tom Hulce als Mozart steht ihm in nichts nach. Beide waren zu recht für den Oscar als Bester Hauptdarsteller nominiert und ich persönlich stelle mir (zugegebenermaßen etwas pathetisch verklärt) gerne vor, dass Abraham die Auszeichnung mit lediglich einer Stimme Unterschied gewann. Verdient hätten ihn beide zu gleichen Teilen, denn nicht nur spielt jeder für sich hervorragend, ihr Zusammenspiel führt einem vor Augen, wie sehr diese Darsteller ihre Rollen verinnerlicht haben und zu präsentieren wissen.

Ich habe den Sieg Abrahams früher als letzten und einzigen Sieg Salieris über Mozart gesehen, der mithilfe der Academy endlich seine Rache nehmen konnte. Und während ich das immer noch für eine legitime Auslegung halte, sehe ich es heute eher als Parallele zum Filmgeschehen, denn während Mozart überzeugt ist, mit Die Hochzeit des Figaro die beste Oper aller Zeiten geschrieben zu haben, ist es Salieri, der für Axur, re d’Ormus von Kaiser Joseph II. (Jeffrey Jones) eine Medaille überreicht bekommt, die ihm genau diese Errungenschaft bescheinigt.

Eine Nominierung als beste Nebendarstellerin hat Elizabeth Berridge für ihre Rolle als Constanze Mozart nicht bekommen, auch wenn diese durchaus gerechtfertigt gewesen wäre – vor allem wenn man bedenkt, dass sie diese aufgrund einer Verletzung der eigentlichen Besetzung erst direkt bei Drehbeginn übernahm. Es hätte keine bessere Besetzung für Mozart geben können als Tom Hulce, der erst zum vierten Mal vor der Filmkamera stand und eher am Broadway zuhause ist. Als Salieri Mozart das erste Mal sieht, ist er entsetzt darüber, was für ein infantiler, obszöner Kerl sich hinter dem musikalischen Genie verbirgt. Hulce verkörpert diese Dichotomie perfekt.

Himmlische Gabe, göttliche Folter

Salieris Welt wird in ihren Grundfesten erschüttert. Verdankt er seiner Meinung nach seinen bisherigen musikalischen Erfolg Gott, mit dem er einen Pakt geschlossen hat, so bricht er im Laufe der Erzählung mit dem Schöpfer. Immerhin war dieser es, der ihm Mozart vor die Nase setzte und ihn damit verhöhnte – und das sogar vor den Augen des Kaisers und den anderen Hofkomponisten, als Mozart einen von Salieri komponierten Willkommensmarsch erst nach einmaligem Hören aus dem Kopf nachspielt und dann auch noch unverblümt kritisiert und Verbesserungsvorschläge vorklimpert. Nicht um Salieri zu demütigen, sondern aus Liebe zur Musik – was der verblendete Salieri natürlich nicht versteht.

Daher ist auch der Titel gut gewählt. Obwohl der Protagonist Salieri (einige argumentieren, man hätte den Film Antonio nennen sollen) und der Antagonist Gott ist, geht es doch die meiste Zeit um Mozart, dessen Name heutzutage mit Wolfgang Amadeus Mozart angegeben wird. Amadeus leitet sich von Amadé ab, der französischen Version des eigentlichen Namens Theophilus („Gottlieb“), die Mozart selbst benutzte. Ist es anfangs noch die Liebe zu Gott, die Salieri leitet, schlägt diese immer mehr in Hass um. Der Name bedeutet aber auch „von Gott geliebt“, und so sehr Salieri das gerne wäre – Mozart ist es, dem die Gunst des Schöpfers vergönnt ist. Salieri arbeitet hart, während Mozart sein Talent kaum weiter beachtet und sein Leben versäuft. Dennoch ist letzterer es, der die Anerkennung bekommt, nach der ersterer sich verzweifelt sehnt, Mozart erschafft die großartigen Werke, von denen Salieri träumt. Gottes Wege sind unergründlich oder wie Salieri es im Film während seiner Beichte ausdrückt: „There is no God of mercy, Father. There is a God of torture.“ Und hat nicht jeder in seinem Leben schon mal den Moment gehabt, in dem er sich (ob zu recht oder zu unrecht) dachte: „Wieso bekommt Person X dieses oder jenes? Ich hätte es viel mehr verdient!“

Ein praktisch makelloser Film

Es fällt schwer, etwas Negatives an diesem Film zu finden. Sicher – man könnte ihn für mangelnde historische Akkuratesse kritisieren. Wer historische Fakten über Mozart oder die Zeit in der er lebte erhalten möchte, ist mit einer Dokumentation oder einem Sachbuch gut beraten. Wer aber einen brillanten Film sehen möchte, wer versteht dass ein Film tatsächlichen Ereignissen keine Rechenschaft schuldig ist, wer sich bewusst darüber ist wer der (möglicherweise unzuverlässige) Erzähler des Films ist, wer eine packende Geschichte miterleben möchte, wer großartige Kameraführung und noch besseres Schauspiel sehen möchte, wer sich von herausragend komponierter Musik verzücken lassen möchte – dem kann Amadeus nicht nachdrücklich genug empfohlen werden.

Die deutsche Synchronisation – die bei der Konkurrenz oft an Fehlübersetzungen oder unpassenden Sprechern krankt – beraubt den Film in keinster Weise seines Esprits. Naturgegeben ist sie anders, aber auf ihre Weise dem Original ebenbürtig. Amadeus ist der einzige mir bekannte Film, der in beiden Sprachen gleichermaßen perfekt funktioniert – und zwar bezogen sowohl auf die Dialoge als auch auf die Sprecherstimmen. Ausgenommen hiervon werden muss die deutsche Synchronisation des Director’s Cuts, bei der nicht nur einige Stimmen ausgetauscht, sondern darüber hinaus auch teilweise Dialoge verändert wurden und so dem Original überhaupt nicht mehr gerecht wird. Der Dirigent Josef Krips soll einmal gesagt haben: „Beethoven erreicht in manchen seiner Werke den Himmel, aber Mozart, der kommt von dort.“ Analog ließe sich formulieren: „Einige Filme werden manchmal im Himmel gezeigt, aber Amadeus, der wurde dort gedreht.“



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Drehbuch, Kamera, Regie, Schauspiel - bei "Amadeus" stimmt alles. Die Musik sowieso. Formans außergewöhnliches Biopic wurde völlig verdient mit acht Oscars ausgezeichnet und für drei weitere nominiert. Der Film widmet sich nur vordergründig einem genialen Komponisten, erzählt aber die tragische Geschichte eines verbitterten, gebrochenen Mannes, und kann mit Fug und Recht als Meisterwerk bezeichnet werden.
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