Le Bois dont les reves sont faits

The Woods Dreams Are Made of

(OT: „Le bois dont les rêves sont faites“, Regie: Claire Simon, Frankreich, 2016) 

Der Held dieses Dokumentarfilms ist grün und riesig. Und er ist paradiesisch – zumindest für die meisten Bewohner von Paris. Der Park Bois de Vincennes ist die grüne Lunge der Stadt, ein unendlich scheinendes Refugium für den naturunterversorgten und überstressten Pariser. Die Filmemacherin Claire Simon durchstreift die riesige Grünanlage im Laufe der Jahreszeiten, trifft auf die unterschiedlichsten Menschen – viele von ihnen Besucher, andere sogar dauerhafte Bewohner des Parks. Le bois dont les rêves sont faites zeichnet eine wahre Illusion nach, einen Ort der Sehnsucht, der Ausgelassenheit und des besonderen Miteinanders.

Auf der Flucht vor der Dichte
„Fügen Sie zwei Buchstaben zu Paris hinzu und es ergibt „paradis“, schwärmte einst der französische Schriftsteller Jules Renard. Doch seit Renards Lebzeiten – er starb 1910 – ist Paris immer irdischer geworden. Heißt auch: größer, voller, dichter. Lebten Anfang des 20. Jahrhunderts noch gut zwei Millionen Menschen im Großraum Paris, sind es heute mehr als zwölf Millionen.

Also beschloss die französische Regisseurin, Schauspielerin und Kamerafrau Claire Simon, sich für ihren Dokumentarfilm Le bois dont les rêves sont faites ausgiebig auf die luftige Parallelwelt zu stürzen. Dorthin flüchtet der Pariser, wenn Lärm und Gedrängel der Metropole ihm den Atem zu nehmen drohen. Mit seinen 995 Hektar voller Bäume, Seen, Inseln und Gras ist der Bois de Vincennes die weitläufigste Grünfläche von Paris. Er ist ein Ort für alle, Reiche und Arme, Franzosen und Ausländer, Schwule und Heterosexuelle, junge Mütter, Prostituierte,Taubenzüchter mit einer geradezu verliebten Verbindung zu ihren Vögeln. Simon spricht mit ihnen, beobachtet sie und schafft so ein Kaleidoskop von abwechslungsreichen, berührenden Begegnungen, weit entfernt von der Unordnung der Stadt.

Der Ort als Held der Erzählung
Wie schon in Simons dramatischer Komödie Gare du Nord von 2013 stehen auch hier weniger die Menschen im Zentrum, als der Ort, an dem sie zusammenkommen. Doch so kurz die einzelnen Szenen sind, so intensiv und besonders ist oft das, was wir von diesen Menschen erfahren. Fraglos hat Simon die Protagonisten lange gesucht, kennengelernt, viel Zeit in diesem Park verbracht. Das macht den Film, der bei der Französischen Filmwoche Berlin  2017 zu sehen war, zu einem besonderen Erlebnis.

Dennoch hat das Werk sein Potenzial leider nicht völlig ausgeschöpft. Die zahlreichen Interviews und Parkaufnahmen reihen sich über die 146 Minuten des Films ohne Überraschungen oder Wendungen aneinander – der Rhythmus beginnt nach einer Stunde langsam zu ermüden. Und auch die Aufnahmen der Natur hätten teilweise eindrucksvoller inszeniert werden können. Das Zauberhafte, das laut Simons aus dem Off eingespielten Gedanken dem Park anhaftet, korrespondiert nicht mit den teilweise pragmatisch-prosaischen Bildern.

Prosaische Bilder einer „wahren Illusion“
„Es ist die Landschaft, der Wald, die Kindheit, die zurückkommt. Wir glauben es, wir sind da. Es ist eine wahre Illusion, eine wilde Welt zur Hand. Das Paradies wiedergefunden. Wer weiß?“, hört man Simon zu Beginn des Films sagen. Hätte das Paradies nicht eine etwas strahlendere Darstellung verdient? Wer weiß.



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Die Dokumentation "Le bois dont les rêves sont faites" zeigt die riesige Grünanlage Bois de Vincennes am Rand von Paris als Refugium und Flucht vor der urbanen Realität gezeigt. Entsprechend aus der Zeit gehoben scheinen viele Begegnungen mit den Besuchern und Bewohnern des Parks. Eine sehenswerte Leistung, auch wenn die Bilder nicht ganz seinem Anspruch entsprechen, eine zauberhafte Illusion sichtbar zu machen.