Saving Sally

(OT: „Saving Sally“, Regie: Avid Liongoren, Philippinen, 2016)

Saving SallyDurchsetzungskraft? Willensstärke? Selbstbewusstsein? Das sind Qualitäten, die man in Marty (Enzo Marcos) vergeblich suchen wird. In der Schule war er beispielsweise ein dankbares Ziel für jeglichen Spott und Mobbing. Bis Sally (Rhian Ramos) kam. Die rettete ihn nicht nur vor den gemeinen Mitschülern, sie wurde auch zu seiner besten Freundin. Und wenn es nach ihm ginge, wäre da durchaus noch mehr drin. Dummerweise sind ihre Eltern aber so streng, dass da an ein „mehr“ nicht zu denken ist. Und überhaupt: Wie soll er es jemals schaffen, ihr seine Gefühle zu offenbaren? Als sich Sally auch noch in einen älteren Jungen verliebt, scheint die Chance endgültig vorbei zu sein.

Was lange währt, wird endlich gut. Zwölf Jahre haben Regisseur Avid Liongoren und seine Jungs immer mal wieder an dem Projekt gearbeitet, bis Saving Sally endlich stand. Zwölf Jahre, die nicht nur viel Schweiß und Nerven gefressen haben, sondern auch die private Altersvorsorge. Aber sei’s drum, das Ergebnis ist dafür umso schöner geworden, zumindest aus Zuschauersicht hat es sich gelohnt, hier so richtig zu investieren. Denn man sieht dem Film zu jeder Zeit an, dass er aus viel Herzblut zusammengemischt wurde.

Ein Nerd wie du und ich
Dabei ist die Liebeskomödie süß, überraschend süß sogar, wenn man bedenkt, dass sie auf dem HARD:LINE Festival gezeigt wurde – da gibt es sonst eher hart ermeucheltes Kunstblut denn Herzblut zu sehen. Andererseits darf man sich hier gerade als Mitglied der Nerdkultur wiederfinden. Marty ist Comicfan, sozial nicht der geschickteste Mensch auf diesem Planeten, dafür immer wieder für Träume zu haben. Jemand, den man auf Anhieb sympathisch findet, eben weil er irgendwie nicht so ganz hineinpasst. Der gerne groß und was Besonderes wäre, von anderen beachtet, aber einfach nicht mithalten kann.

Das haben andere Filmemacher natürlich auch schon erzählt. Sehr viele andere sogar. Dessen war sich das Team aber auch bewusst: „A Very Typical Love Story“ steht da auf dem Plakat der philippinischen Produktion. Dass Sally sich für den falschen Jungen entscheidet, einen Aufschneider, der ihr nicht so wirklich gut tun wird, das gehört hier einfach dazu. Das könnte man wohlwollend universell nennen, weniger wohlwollend als einfallslos beschimpfen.

Charmant und originell umgesetzt
Zwei Punkte sind es jedoch, die Saving Sally aus der Masse an thematisch ähnlichen Filmen hervorheben. Zunächst einmal ist da der Charme der Indie-Produktion bzw. der beiden jungen Hauptdarsteller. Sie sind etwas unbeholfen, ihre Dialoge sind nicht feingeschliffen, sie stolpern ein bisschen durch die Kulissen. Das liegt auch an dem zweiten Punkt: Die Kulissen sind oftmals nicht real, sondern gezeichnet bzw. anderweitig erstellt. Mischungen aus Realfilm und Animation hat es immer wieder gegeben. Meistens beschränkte sich das aber darauf, dass animierte Figuren in der wirklichen Welt unterwegs waren – siehe beispielsweise Elliot, das Schmunzelmonster und Falsches Spiel mit Roger Rabbit. Hier sind es die Hintergründe, oft auch die Nebenfiguren, die auf eine alternative Weise dargestellt werden.

Ein bloßes Gimmick, könnte man meinen. Und doch ist es eben mehr. Beispielsweise wird Sally neuer Freund mal als gezeichnetes Monster gezeigt, wenn wir die Perspektive von Marty einnehmen. Wechseln wir hingegen auf eine neutrale Ebene, wird er zu einem Menschen. Auf eine einfache, aber ungemein clevere Art und Weise wird hier veranschaulicht, wie die Jugendlichen ihr Umfeld wahrnehmen. Die Welt ist nie nur die Welt. Die Welt ist das, was wir draus machen, was wir in ihr sehen. Das ist witzig und einfühlsam zugleich, eine reizvolle Variante des ewigen Kampfes jugendlicher Liebender. Und es sieht toll aus. Mit der technischen Brillanz westlicher Blockbuster kann es der Mix natürlich nicht aufnehmen, der Film ist ähnlich unbeholfen wie seine Protagonisten. Aber es passt, die Figuren sehen aus, als wären sie selbst einem Comic entsprungen, die stilisierten Hintergründe laden dazu ein, sich in ihnen zu verlaufen, zu lachen und zu träumen.



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Ein Nerd ist in seine beste Freundin verknallt, traut sich aber nicht, seine Gefühle zu gestehen. Das ist altbekannt, aber sehr charmant umgesetzt. Vor allem die Kombination aus den realen Hauptfiguren und dem animierten Rest entlockt der Geschichte neue Perspektiven, die witzig und einfühlsam zugleich sind.
7
von 10