Kuso

(OT: „Kuso“, Regie: Steven Ellison, USA, 2017)

Kuso
„Kuso“ läuft im Rahmen des 31. Fantasy Filmfests (6. September bis 1. Oktober 2017)

Es wäre vorbei, sie hätten überlebt, er könne es gar nicht glauben, dass sie es geschafft haben, singt da der schwarze Mann. Und lässt damit unklar: Meint er sich? Die anderen Figuren, welche das verheerende Erdbeben überlebt haben? Die Macher des Films, die in Eigenregie und in Eigenfinanzierung Kuso auf die Beine gestellt haben? Oder den Zuschauer, der das Ganze am Ende in Form verschenkter Lebenszeit ausbaden musste? Auch sonst gibt es im Film immer mal wieder selbstironische Passagen. Eine Frau, die sich ihre Wohnung mit außerirdischen Wesen teilt, sagt immer wieder, wie sehr sie diesen Film hasst. Man würde sie dafür mögen, hätte sie nicht diese riesigen Ausschläge bis Beulen, so wie jeder hier.

Es ist ein Wiedersehen mit Freude, dieser Mann. Zum einen, weil er auch zu Beginn gesungen hat, was die Hoffnung nährt, dass der zweite Auftritt der dazu passende Schluss ist. Zum anderen, weil der Einstieg der mit Abstand beste Teil des Films war. Das Desaster hat da gerade erst angefangen – das Erdbeben wohlgemerkt, nicht der Film –, und er gab ein Lied zum Besten, was ebenso mitreißend wie gaga war. Eine Sequenz verrückter Einfälle, die auch nicht mehr als das sein will.

Auf den Spuren surrealer Vorbilder
Musik spielt auch später immer mal wieder eine Rolle. Kein Wunder, handelt es sich hier doch um das Regiedebüt von Steven Ellison. Der ist so manchem unter seinem Künstlernamen Flying Lotus bekannt, unter dem er experimentelle Musik irgendwo zwischen Elektronik und Hip-Hop veröffentlicht und beachtliche Chartserfolge feiert. Mit seinem Film wird er das nicht. Ähnlich zu seinem französischen Kollegen Quentin Dupieux (Wrong, Reality), der ebenfalls vom DJ-Pult zum Regiestuhl hüpfte, mag es der Amerikaner gern skurril, grotesk, surreal. Aber auch Vergleiche zu Monty Python bieten sich an, besonders zu deren legendären Zwischensequenzen im Flying Circus – des Namens wegen, der animierten Absonderlichkeiten wegen.

Teilweise ist das auch faszinierend, manche Szenen sind so etwas wie visualisierte Drogentrips. Das trifft besonders aus Smear zu, einer der sich mehrfach wiederholenden vier Handlungsstränge. Darin sehen wir einen erwachsenen Mann in Gestalt eines Kindes, der in der Schule gemobbt wird und im Wald eine seltsame Kreatur findet, mit der er sich anfreundet. Eine Art „Alice im Wunderland“, wenn man so will, nur ohne dessen Sprachwitz. Oder tatsächlich subversive Elemente. Dafür aber mit jeder Menge menschlicher Exkremente.

Der Wille ist eklig, das Ergebnis schwach
Das ist dann auch der Punkt, an dem es problematisch wird. Ähnlich zu The Greasy Strangler im letzten Jahr verwechselt Ellison Infantilität mit Provokation. Sehgewohnheiten in Frage stellen, das ist eigentlich sehr willkommen. Wenn dies aber letztendlich nur bedeutet, anderthalb Stunden lang auf jede Geschmacksgrenze zu scheißen – wortwörtlich –, dann ist das doch ziemlich wenig. Ob sich gerade jemand auf dem Klo erleichtert, übergibt, Sperma verteilt oder sich gegenseitig eitrige Pickel ableckt, es wird so ziemlich jede sich bietende Körperöffnung genutzt, um Körperflüssigkeiten auszutauschen.

Das mag man großartig finden, wahnsinnig komisch. Oder eben schrecklich. Der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2017, das ist so, als müsste man einem Kleinkind zuschauen, wie es ganz stolz Kaka in der ganzen Wohnung verteilt und dabei freudig lacht. Und wie das so ist, wenn Kinder was machen: Als Eltern des Sprösslings hat man an dem Ergebnis immer mehr Spaß als Unbeteiligte. Wirklich provokativ ist es nicht, was Ellison uns hier vorsetzt, auch wenn in Sundance – da hatte der Film Premiere – diverse Zuschauer das Kino vorzeitig verlassen haben. Höchstens abstoßend. In erster Linie ist Kuso jedoch entsetzlich langweilig, die wenigen wirklich interessanten Momente rechtfertigen keinen ausgewachsenen Spielfilm. Der Witz ist schnell verbraucht, alles dreht sich im Kreis, während man sich wünscht, ein zweites Erdbeben würde dem Elend ein Ende bereiten.



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Ein bisschen Exkremente hier, dort Kotze oder auch mal ein Samenerguss – „Kuso“ gefällt sich darin, Körperflüssigkeiten auf der Leinwand zu verteilen. Das wird den einen oder anderen anwidern. Das größere Problem ist aber, dass trotz einiger surreal-verrückter Einfälle die Mischung aus Horror und Komödie viel zu schnell langweilt.
3
von 10