Dave Made a Maze

Dave Made a Maze

(OT: „Dave Made a Maze“, Regie: Bill Watterson, USA, 2017)

„Dave Made a Maze“ // Deutschland-Start: 16. Mai 2019 (Kino) // 31. Mai 2019 (DVD/Blu-ray)

Brynne (Stephanie Allynne) mag es nicht glauben: Als sie in die Wohnung von ihrem Freund Dave (Nick Thune) kommt, ist von ihm nichts zu sehen. Dafür steht da eine riesige Kartonkonstruktion mitten im Raum. Ein Labyrinth soll es sein, so sagt die Stimme Daves aus dem Inneren des Gebildes. Ein Labyrinth, das innen viel größer ist, als es den Anschein hat. Ein Labyrinth, in dem er sich verlaufen hat und nun nicht mehr den Weg hinaus findet. Absolut lächerlich, findet Brynne. Aber sie lässt sich dazu überreden, Gordon (Adam Busch) herbeizuholen. Als der genauso wenig weiß, was er mit der seltsamen Situation anfangen soll, begeben sich die zwei und einige andere Schaulustige auf eine Reise in das Innere des Labyrinths – entgegen der ausdrücklichen Warnung seines Erschaffers.

Der äußere Eindruck kann trügen, diese Erfahrung haben wir alle mal gemacht. Dave Made a Maze erinnert daran, gleich doppelt sogar, indem der Film uns Erfahrungen machen lässt, die keiner bislang von sich behaupten kann. Hoffen wir zumindest. Das chaotische Wohnzimmer, die heillos zerstreut liegenden Kartons darin, das wird dem Inneren der Konstruktion nicht gerecht. Und auch der Film bietet deutlich mehr, als es die knappe und kuriose Beschreibung vermuten ließe. Kann man einen ganzen Film damit füllen, dass ein Mann nicht aus seinem Karton herausfindet? Ja, kann man. Und kann es gleichzeitig nicht so ganz.

Zwischen Traum, Horror und Lachanfall
Ein Gebäude, das innen größer ist, als es draußen erscheint, das kennen wir vielleicht aus Träumen oder auch aus Horrorfilmen. Mit beiden hat Dave Made a Maze einiges gemeinsam. Wenn wir mit der Expedition das Innere des Labyrinths erkunden, dann wirkt so gut wie nichts darin real. Mindestens skurril, streckenweise sogar surreal, ist der Ausflug ins Unbekannte ein entfernter Verwandter von „Alice im Wunderland“ – ohne dessen Sprachwitz jedoch. Gesprochen wird, auch Witze werden gemacht, sonderlich anspruchsvoll ist beides aber nicht.

Der Horror kommt erst etwas später. Das Labyrinth ist nämlich nicht nur groß und verwinkelt, sondern auch höllisch gefährlich. Lauter Fallen hat der gute Dave eingebaut. Das kommt fürs Publikum unerwartet. Aber auch für die Rettungsexpedition, die unterwegs gerne mal das eine oder andere Mitglied verliert. Das wird sogar recht blutig. Gewissermaßen. Anstatt literweise Flüssigkeit in der Gegend zu verspritzen, machen Regisseur Bill Watterson und sein Art-Direction-Team aus dem lebensnotwendigen Saft lustige Papierstreifen. Nicht einmal der Tod wirkt hier echt.

Spannend ist ein solcher Spießrutenlauf dann auch eher weniger, dafür ist das alles zu komisch aufbereitet. Und doch ist man gespannt, was als nächstes passiert. Denn eines ist klar: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Eine verrückte Idee jagt die nächste. Nicht nur Wände und Boden sind aus Pappkarton gefertigt, sondern auch sämtliche Bewohner des Labyrinths. Und wie es sich für ein solches gehört, tummeln sich da einige echt fiese Gestalten. Okay, es ist eigentlich nur eine. Dafür ist die besonders fies. Und besonders komisch. Denn auch die sieht anders aus, als man sich in seinen Träumen das hätte ausmalen wollen.

Eine Seherfahrung, wie man sie nie wieder macht
Einige der ungewöhnlichsten Seherfahrungen des Jahres 2017 hält Regie-Debütant Watterson hier auf diese Weise bereit. Und einige der schönsten. Mit minimalem Budget, dafür maximaler Kreativität holt das Team aus alten Techniken wie Stop-Motion wunderbar eigentümliche Szenerien und Szenen heraus. So wie das Labyrinth immer neue Seiten offenbart, so finden wir immer mehr visuelle Schätze, werden wieder zu staunenden Kindern. Allein für die Stelle, in der auch die Abenteurer in einer alternativen Form durch die Gänge rennen, muss man den Film lieben. Nur ist es eine Liebe, die nicht immer belohnt. Größtes Problem: der Inhalt. Dave Made a Maze erzählt keine wirkliche Geschichte, sondern ist eine reine Aneinanderreihung von Situationen, bis es irgendwann keine mehr gibt. An einer Stelle geht das zu Herzen, unerwartet, was auch sonst. Dave weiß selbst, wie verrückt seine Kreation ist. Und wie überflüssig. Aber sie ist seine Kreation, die einzige, die er je im Leben zustandegebracht hat. Ein Mann jenseits der 30, der sich in einem Karton versteckt und dabei selbst findet – da darf man sich schon ein Tränchen der Rührung wegwischen.

Von diesem emotionalen Moment einmal abgesehen steht aber der Humor in Vordergrund. Der ist manchmal besser, wenn er sich vollends ins Groteske stürzt. Und die Reaktionen der Leute auf Daves absurde Geschichte sind ohnehin unbezahlbar. Die etwas angestrengt satirischen Untertöne, wenn auch ein Kamerateam ins Labyrinth einsteigt, die bringen jedoch weniger etwas. Und manchmal läuft der Film auch einfach weiter, ohne dass man wüsste warum. So wie der Titelantiheld, so wie das Kartongebilde auch, so ist auch der Film also alles andere als perfekt. Aber auch wenn man sich wünschen würde, die einmalige und liebevolle Gestaltung des Labyrinths hätte einen ebenso kreativen Inhalt bekommen: Dave Made a Maze ist sympathisch und wunderbar schrullig.



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Sympathisch, schrullig, visuell wunderbar kreativ und zumindest an einer Stelle herzerweichend: „Dave Made a Maze“ ist eine charmante Fantasykomödie über einen Mann, der in seinem Kartonlabyrinth verlorengeht. So witzig und surreal das Ganze auch ist, es fehlt an einer Geschichte, welche die eigenwilligen Seherfahrungen unterstützt.
7
von 10