Satoshi A Move for Tomorrow

Satoshi: A Move for Tomorrow

(„Satoshi no Seishun“ directed by Yoshitaka Mori, 2016)

„Satoshi: A Move for Tomorrow“ läuft im Rahmen des japanischen Filmfestivals Nippon Connection (23. bis 28. Mai 2017)

Von klein auf hat Satoshi Murayama (Kenichi Matsuyama) mit seiner Gesundheit zu kämpfen. Zu spät wurde seine Krankheit entdeckt, ihm steht ein schwieriges Leben bevor. Um ihm die Zeit im Krankenhaus zu vertreiben, beschließt sein Vater, ihm ein Shōgi-Spiel zu schenken. Tatsächlich zeigt der Sohn reges Interesse daran und darüber hinaus noch ein beträchtliches Talent. Um dieses zu fördern zieht er als Erwachsener von Osaka nach Tokio. Sein Ziel: Der beste Shōgi-Spieler aller Zeiten zu werden! Dafür muss er jedoch erst einmal Yoshiharu Habu (Masahiro Higashide) schlagen, der gerade der jüngste Titelgewinner wurde. Und das wird nicht einfach sein, zumal Satoshi immer wieder von seiner Krankheit eingeholt wird.

Wenn es in Filmen um Menschen geht, die sich im Sport an die Spitze kämpfen oder gekämpft haben, dann steht meistens eins der folgenden Szenarien an: 1. Der Protagonist ist ein toller Mensch, muss wahnsinnig viele Hürden überwinden und den überheblichen Selbstläufer-Idioten in die Schranken verweisen. 2. Er ist selbst einer dieser Idioten und lernt im Laufe des Films, worauf es im Leben wirklich ankommt. Bei Satoshi: A Move for Tomorrow ist das ein klein wenig anders, wie so oft, wenn eine Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht. Denn Satoshi Murayama war ein realer Mensch, der hart kämpfte, tatsächlich auch Erfolge als Shōgi-Spieler fand. Aber auch einen frühen Tod.

Die Geschichte eines Unsympaths
Regisseur Yoshitaka Mori, der hier das gleichnamige Buch von Yoshio Ōsaki verfilmte, verzichtete dankenswerterweise darauf, aus diesem tragischen Schicksal emotionalen Profit zu schlagen. Im Gegenteil: Er tut eine Menge dafür, dass einem das Leben des Japaners nicht so wirklich zu Herzen geht. Schon als Kind zeigte Satoshi einen eigenen Kopf, ein hitziges Temperament, Ungeduld und nur wenig Einfühlungsvermögen. Wer dies nun auf die jungen Jahre zurückführt: falsch gedacht. Je älter der talentierte Spieler wurde, umso mehr Marotten entwickelte er, umso herablassender und arroganter wurde er auch.

Auch wenn das Drama einiges von einer Underdog-Story hat – hier geht es schließlich darum, dass ein schwerkranker Mensch seinen großen Widersacher besiegt –, so ist das dann doch alles ein bisschen anders. Wer will schließlich jemandem die Daumen drücken, der jede Gelegenheit nutzt, andere Leute zu beleidigen? Mit einer solchen Figur arbeiten zu wollen, kann daher schnell nach hinten losgehen. Bei Satoshi: A Move for Tomorrow passt es aber, es fesselt sogar, gerade auch weil Kenichi Matsuyama (Gantz – Spiel um dein Leben), der hierfür als bester Hauptdarsteller bei dem Japanese Academy Prize nominiert war, seine Rolle mit viel Mut zur Hässlichkeit ausfüllt.

Eine tragikomische One-Man-Show
So wie Satoshi wenig Platz für andere Menschen ließ, so gilt das jedoch auch bei dessen Inszenierung. Immer wieder tauchen zwar andere Menschen auf, sie bleiben jedoch ohne größeres Profil, oft sogar ohne Namen. Lediglich der vom ebenfalls nominierten Masahiro Higashide (Creepy, Parasyte) verkörperte Habu sticht hervor. Denn als Antagonist taugt der bescheidene und freundliche Mensch auffallend wenig. In einer der rührendsten Momente des Films gehen er und Satoshi zusammen etwas trinken und müssen dabei feststellen, wie wenig sie miteinander gemeinsam haben, was für eine reichlich peinliche Atmosphäre sorgt.

Von solchen kleinen humorvollen oder später auch bewegenden Momenten abgesehen ist Satoshi: A Move for Tomorrow jedoch ein sehr nüchterner Film, der lieber ruhig seine Geschichte erzählt. Viele Szenen bestehen ohnehin nur daraus, dass Satoshi oder ein anderer an einer Partie Shōgi sitzt. Das ist für Nicht-Japaner manchmal etwas frustrierend, da diesen entfernte Schachverwandten außerhalb Japans wohl kaum einer beherrschen wird. Entsprechend wenig versteht man, was hier eigentlich gespielt wird. Und selbst wenn, wäre der Anblick nicht sehr aufregend, da können die Spieler beim Versetzen der Holzplättchen noch so viel theatralischen Krach machen. Auf diese kleinen Stolpersteine muss man sich schon einlassen können, grundsätzlich auch größeres Interesse an Figuren haben. Ist das vorhanden, fehlt nur noch die Sichtungsmöglichkeit. Eine reguläre Veröffentlichung hierzulande ist wohl auch des Themas wegen nicht angedacht, dafür feiert der Film auf der diesjährigen Nippon Connection in Frankfurt a. M. demnächst seine Deutschlandpremiere.



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„Satoshi: A Move for Tomorrow“ erzählt aus dem Leben eines schwerkranken Shōgi-Spielers. Das ist erst einmal wenig zugänglich, da das Spiel hierzulande nahezu unbekannt ist und die unsympathische Titelfigur wegen zum Mitfiebern einlädt. Und doch ist der Film trotz seiner ruhigen Erzählweise fesselnd, eben weil er sich nicht an das Schema der üblichen Underdog-Story hält.
8
von 10