The Sea of Trees
© Ascot Elite

The Sea of Trees

(„The Sea of Trees“ directed by Gus Van Sant, 2015)

„The Sea of Trees“ ist seit 13. Januar auf DVD und Blu-ray erhältlich

Wie so viele andere auch hat sich der amerikanische Mathematiker Arthur Brennan (Matthew McConaughey) den Aokigahara-Wald am Fuße des Fuj ausgesucht, um dort seinem Leben ein Ende zu setzen. Sehr weit kommt er dabei jedoch nicht, im dichten Dickicht des japanischen Waldes verliert er schon kurz nach seiner Ankunft die Orientierung. Stattdessen findet er dabei den Geschäftsmann Takumi Nakamura (Ken Watanabe), der ebenfalls dort sterben wollte, nun aber seine Zweifel hat. Während die beiden sich über ihr jeweiliges Leben austauschen und durch das verworrene Grün irren, denkt Arthur immer wieder an seine Frau Joan (Naomi Watts) und ihre problematische Ehe zurück.

Ein Wald, der dafür bekannt ist, dass sich Leute darin umbringen? Das mag sich für unsereiner befremdlich anhören, ist in Japan aber traurige Realität. Immer wieder suchen verzweifelte Menschen das 35 km2 große Gebiet des Aokigahara auf, um dort den Freitod zu wählen – meist per Erhängen oder Drogen. Kein Wunder also, dass dieser von persönlichen Tragödien geprägte Ort immer wieder für unheimliche Geschichten herhalten muss. In 47 Ronin wurde ein Kind von Dämonen aufgenommen und großgezogen, The Forest machte daraus gleich eine naheliegende Geistergeschichte. Legenden über furchteinflößende Wesen gibt es ohnehin.

Bei The Sea of Trees dient der ungewöhnliche Schauplatz zunächst erst einmal der Steigerung der Atmosphäre. Geister mag es hier geben, zumindest gibt sich Regisseur Gus Van Sant größte Mühe, diesen Eindruck zu erwecken. Und wie die beiden da durch den Wald stolpern, keinen Ausgang finden, dafür aber andere Leichen, der Sprung zum Horror wäre nicht mehr besonders groß gewesen. Aber es bleibt bei den Andeutungen, bei den wunderbar mystischen Bildern einer fernen, in sich abgeschlossenen Welt, in der nicht alles so ist, wie es scheint.

Aber was ist nun die Wahrheit? Eben das versuchen die zwei herauszufinden. Wobei ihnen der Ort dabei relativ egal ist, der wird mit der Zeit zu einem reinen Hintergrund zurechtgestutzt. Stattdessen stellen sie sich persönlichen Wahrheiten, vor allem Arthur darf über sein verpfuschtes Leben nachdenken und sich seiner Fehler und Gefühle bewusst werden. Das ist zwar für Freunde des gepflegten Horrors eine Enttäuschung, denn die gelungene Mysteryatmosphäre entpuppt sich so als eine Luftnummer. Ein guter Film hätte dennoch daraus werden können, eine sensible Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, dem Wert des Lebens oder auch Schuld, die wir uns aufladen.

Leider ist The Sea of Trees aber kein guter Film geworden. Das Problem ist dabei weder das Szenario noch das Setting, das hoch talentierte prominente Ensemble ohnehin nicht. Es ist die Geschichte selbst, die dem Drama zum Verhängnis wird. Schon die Frage, warum ein Amerikaner ans andere Ende der Welt reisen sollte, um dort Selbstmord zu begehen, ist anfangs nicht ersichtlich – umso mehr, da Arthur offensichtlich wenig übrig hat für Spiritualität. Eine Antwort darauf hat der Film parat, jedoch keine, die man unbedingt hätte hören wollen. So wie man sich bei vielem hier wünschen würde, Chris Sparling hätte seine Idee im Wald begraben.

Anstatt von dem Schicksal des Amerikaners gerührt zu sein, wechselt die Reaktion zwischen ungläubigen Staunen über Desinteresse bis zu Ärger angesichts der völlig überzogenen Twists, der forcierten Zufälligkeiten und eines Endes, das sich einer süßlichen Esoterik ergibt. Dass sowohl Watanabe wie auch Watts zu reinen Stichwortgebern reduziert werden, hilft auch nicht unbedingt dabei, unbeschadet aus dem cineastischen Düsterwald zu entkommen. Wirklich persönlich sind die Schicksale nicht, die Figuren stattdessen nur ein Mittel zum Zweck, wohl gemeinte, letztlich aber recht kitschige Lebensweisheiten zum Besten zu geben. Das Ergebnis: The Sea of Trees ist weder bewegend noch nachdenklich stimmend, sondern in erster Linie wenig nahrhafter spiritueller Sirup, der trotz seines hohen Zuckergehalts recht fade schmeckt.



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Zwei Menschen gehen in einen Wald, um sich umzubringen und finden stattdessen das Leben. Das hätte bewegend oder anregend werden können, gerade auch angesichts der prominenten Besetzung. Stattdessen besteht das existenziell gemeinte Drama aber aus unsinnigen Wendungen, flachen Figuren und kitschigen Lebensweisheiten. Da kann auch der ungemein stimmungsvolle Schauplatz nichts mehr ändern.
4
von 10