Bernard & Bianca im Kaenguruland
© Walt Disney

Bernard & Bianca im Känguruland

(„The Rescuers Down Under“ directed by Hendel Butoy, Mike Gabriel, 1990)

Bernard & Bianca im KaengurulandEndlich! Nachdem der schüchterne Bernard schon lange Gefühle für die reizende Mäusedame Bianca hegt, möchte er ihr heute in einem Restaurant einen Heiratsantrag machen. Aber wieder einmal kommt ihm die Arbeit dazwischen. Diesmal sollen die beiden Agenten ins ferne Australien reisen, um dort den Jungen Cody zu retten. Denn der ist in die Hände des Wilderers McLeach geraten, welcher es sich in den Kopf gesetzt hat, mit Codys Hilfe den seltenen goldenen Adler zu fangen und anschließend zu verkaufen. Und bei einer derartigen Ungerechtigkeit kann das Mäusegespann nicht tatenlos zusehen.

Heute kann man sich das kaum mehr vorstellen, aber es gab eine Zeit, in der Disney keine Fortsetzungen veröffentlichte. Eine sehr lange Zeit sogar. Mehr als 50 Jahre nach dem Zeichentrickdebüt Schneewittchen und die sieben Zwerge sollte es dauern, bis mit Bernard & Bianca im Känguruland ein erster direkter Nachfolger produziert wurde. Anders als die späteren meisten eher zweifelhaften Zweittitel bzw. Spin-offs der DisneyToon Studios, handelt es sich hierbei um einen tatsächlichen Kinotitel, der auch im offiziellen Meisterwerke-Kanon des Mäuseimperiums geführt wird. Warum man für diese Premiere ausgerechnet Bernard & Bianca – Die Mäusepolizei ausgewählt hatte, ist nicht so ganz klar, war der Film aus dem Jahr 1977 eigentlich gar nicht mal so erfolgreich. Fans durften sich trotzdem darüber freuen, dass die elegante und zugleich willensstarke Bianca und der schüchterne Bernard ein zweites Abenteuer erleben durften.

Gewissermaßen zumindest. War das entführte Waisenmädchen Penny im ersten Teil zwar Anlass der Rettungsaktion, hielt sie sich den gesamten Film über dann aber doch ziemlich zurück. Anders ihr australischer Leidensgenosse Cody. Der nimmt nicht nur sein Schicksal selbst in die Hand, der Film beginnt auch mit der ausführlich erzählten Begegnung des Jungen und des Adlers. Der Krimifaktor des Vorgängers ist damit natürlich passé, statt Spurensuche ist Bernard & Bianca im Känguruland ein sehr viel gradlinigeres Abenteuer geworden. Dass die Australische Hüpfmaus Jake einen Hut à la Indiana Jones trägt, ist kein Zufall, hier gibt es Hindernisse und Gefahren im Sekundentakt.

Und doch ist der zweite Film weniger düster geworden als der erste. Das liegt sicher auch am Schauplatz: Statt der verwinkelten, bedrohlichen Sümpfe bietet hier der Outback Australiens die Kulisse. Und die ist insgesamt farbenfroher, weitläufiger, irgendwie netter. Das passt dann auch zum Rest des Films, der sich stärker noch als 13 Jahre zuvor an ein junges Publikum richtet, welches viel Action, bunte Bilder und witzige Figuren einfordert. Letztere sind dann auch erneut ein Höhepunkt von Bernard & Bianca im Känguruland. Ganz so charmant wie zuletzt sind die Kreationen der englischen Kinderbuchautorin Margery Sharp aber nicht, was in erster Linie am Rahmen liegt.

Wenn Bernard und Bianca in einem kleinen tierischen Restaurant essen gehen, welches versteckt in einem menschlichen aufgebaut wurde, dann erinnert das an den wundervollen Einstieg von Bernard & Bianca – Die Mäusepolizei, der uns die Rettungshilfsvereinigung näherbrachte. Diese intimeren Momente, in denen die Figuren einfach auch mal ein bisschen Zeit miteinander verbringen durfte, die fehlen im Anschuss jedoch, das Australienabenteuer ist so gehetzt, dass da kein Platz mehr für Persönlichkeitsentfaltung bleibt. Allgemein sind die beiden Mäusehelden enttäuschend selten zu sehen, spielen im Vergleich zu Cody oft nur die zweite Geige. Dessen Ausbruchsversuche sind dank diverser neuer Figuren durchaus unterhaltsam, die verschlagene Echse Joanna beispielsweise darf immer im falschen Moment auftauchen. Gegen die beiden Krokodile des ersten Teils kommt sie dann aber doch nicht heran. Und das gilt dann auch für Bernard & Bianca im Känguruland insgesamt: Der Gegenspieler macht weniger Spaß, die Geschichte ist weniger spannend, Albatross Wilbur ist nur ein Abklatsch seines Bruders Orville, trotz des gesteigerten Tempos ist hier alles etwas kleiner und uninteressanter. Gut ist die späte Fortsetzung für sich betrachtet schon, dank des Computereinsatzes auch hübsch anzusehen – vor allem während der vielen Flugsequenzen –, schafft es aber trotz der Fokusverschiebungen nicht, auf eigenen Beinen zu stehen, ging nicht ganz grundlos während der Disney Renaissance unter.



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Mehr Tempo, mehr Farben: „Bernard & Bianca im Känguruland“ gibt sich moderner als der Vorgänger und zielt dieses Mal noch stärker auf ein junges Publikum. Dieses wird sich darüber freuen, im Vergleich zum Klassiker zieht der zweite Teil aber den Kürzeren – nicht zuletzt, weil die Figuren nicht so oft die Gelegenheit bekommen, ihren Charme auszuspielen.
7
von 10