Hardcore
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(„Hardcore“ directed by Ilya Naishuller, 2015)

Hardcore
„Hardcore“ läuft ab 14. April im Kino

Als Henry zu sich kommt, kann er sich an nichts erinnern. Nicht, wie er in das Labor kam, was er dort macht, wer er ist, wer die hübsche Blondine ist. Die stellt sich ihm als Estelle (Haley Bennett) vor, pikanterweise seine Frau, und erklärt ihm, dass er mithilfe von künstlichen Körperteilen zu einem Supersoldaten gemacht wurde. Dahinter steckt der telekinetisch begabte Söldnerboss Akan (Danila Kozlovsky), der Henry auch gleich in Besitz nehmen will. Der schafft es jedoch zu fliehen und schließt sich bald mit Jimmy (Sharlto Copley) zusammen, um Estelle zu befreien und Akan das Handwerk zu legen.

Besucher der Münchner Ausgabe der Fantasy Filmfest Nights durften Hardcore bereits sehen, nun ist auch der Rest der Republik an der Reihe und darf sich auf einen Film freuen, wie man ihn – vielleicht aus gutem Grund – noch nie zuvor gesehen hat. Nein, es ist nicht die hauchdünne und unsinnige Geschichte, welche die russisch-amerikanische Independentproduktion auszeichnet, auch nicht die Charaktere, sondern die Optik: Der Film wurde von Anfang bis zum Ende konsequent in der Egoperspektive gedreht. In vereinzelten Szenen hat es das immer mal wieder bei anderen Filmen schon gegeben, auch Alexandre Ajas Maniac zeigte das komplette Geschehen aus den Augen des Protagonisten. Wo es beim Horror-Remake aber darum ging, den Zuschauer auf verstörende Weise zum Gefangenen eines Serienmörders zu machen, erwartet einen hier ein turbulentes Action-Spaß-Spektakel.

Das Ergebnis ist etwa so, als hätte jemand ein Ego-Shooter-Computerspiel nachgestellt und mit einem Parcours-Video gekreuzt: Ruhepausen gibt es in Hardcore kaum, ständig passiert etwas, explodiert etwas, fliegt etwas – oder jemand – durch die Luft. Nein, anspruchsvoll ist das Dauerfeuer nicht, beeindruckend aber schon, zumindest anfangs auch atemberaubend. Leider verpasste es der russische Regisseur und Ko-Autor Ilya Naishuller, der hier sein Langfilmdebüt abgibt, den nahtlosen Echtzeitgedanken bis zum Ende konsequent durchzuhalten, quasi die Action-Variante von Victoria. Viel Zeit zum Nachdenken bekommt man aber ohnehin nicht, dafür ist das alles viel zu absurd und frenetisch.

So richtig ernst gemeint ist Hardcore dann auch nicht, vielmehr ist er zum Rand gefüllt mit schwarzem Humor. Das liegt zum einen an den völlig überzogenen Kampfszenen, die nicht einmal so tun, als wären sie realistisch, sowie an mehreren grotesken Einfällen, vor allem aber auch an Sharlto Copley, der hier eine ganze Reihe von Rollen übernehmen darf, von denen eine skurriler ist als die andere. Einen festeren Magen sollte man aber nicht nur der regelmäßigen Lachanfälle und der ständig herumwirbelnden Kamera wegen haben, auch der Gewaltpegel ist wie der Titel verrät nicht von schlechten Eltern.

Schon der stylische Vorspann ist gerade wegen seiner Zeitlupenbrutalität an der Grenze zur Unerträglichkeit, auch danach sind menschliche Leben in erster Linie dazu da, möglichst spektakulär beendet zu werden. So ganz hält dieser Reiz nicht über die volle Distanz, das Egoperspektivengimmick nutzt sich im Laufe der anderthalb Stunden schon ein wenig ab, bringt auch einige Nachteile mit sich. Henry selbst bleibt bis zum Schluss ein Unbekannter, den man nie zu sehen bekommt. Außerdem wird das furiose, etwas zu hektische Finale völlig unübersichtlich, was dem Ganzen irgendwie die Wirkung raubt. Spaßig ist Hardcore jedoch fast durchgängig, zusammen mit anderen Zuschauern kommt regelrechte Party-Stimmung auf, die einen schon einmal ein bisschen daraufhin fiebern lässt, was Naishuller wohl als nächstes vorhat.



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„Hardcore“ kombiniert frenetische Non-Stop-Action aus der Egoperspektive mit grotesken Einfällen und skurrilen Figuren zu einem Filmerlebnis der anderen Art. Da verzeiht man auch, dass die Geschichte hauchdünn ist und sich das optische, zuweilen unübersichtliche Gimmick mit der Zeit etwas abnutzt.
7
von 10