Spotlight
© Paramount Pictures

Spotlight

(„Spotlight“ directed by Tom McCarthy, 2015)

Spotlight
„Spotlight“ läuft ab 25. Februar im Kino

Da ist der neu in die Stadt gezogene Marty Baron (Liev Schreiber) gerade erst Chefredakteur des Boston Globes geworden, da erweckt eine Geschichte sein Interesse: Ein katholischer Priester soll Kinder missbraucht haben. Ein heißes Eisen, das niemand so recht anfassen möchte, zu sehr ist die Kirche mit der Stadt verbunden. Baron lässt sich davon aber nicht abschrecken. Mehr noch, er setzt sein Investigativteam von „Spotlight“ auf die Sache an: Walter Robinson (Michael Keaton), Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Matt Carroll (Brian D’Arcy James) sollen herausfinden, was der Sache dran ist. Doch je mehr die vier recherchieren, umso stärker häufen sich die Hinweise, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt.

„Basiert auf wahren Begebenheiten“ wurde in den letzten Jahren zu einem der ärgerlichsten Schlagworte, welche unsere Kinoplakate zieren. Nicht nur, weil der Versuch, sich durch einen Verweis auf die Realität wichtig zu machen, ein bisschen sehr inflationär gebraucht wird. Oft zeigt man bei derlei Filmen einen recht kreativen Umgang mit dem Ursprungsmaterial. So kreativ, dass man es auch gleich hätte bleiben lassen können. Auch bei Spotlight wäre man insgeheim froh gewesen, diesen Hinweis nicht lesen zu müssen. Nicht aber, weil der Film über kirchlichen Missbrauch reißerisch mit dem sensiblen Thema umgeht. Sondern weil er es eben nicht tut, wir keine dämonischen Gegenspieler und hilflose Kinder zugespielt bekommen, und man uns so umso fassungsloser zurücklässt.

Die Unbestechlichen wird immer wieder als Referenzfilm herangezogen, wenn es darum geht, Spotlight zu beschreiben. Und der Vergleich ist ja auch naheliegend: In beiden Fällen kämpfen aufrechte Journalisten für die Wahrheit, lassen sich dabei auch von mächtigen Institutionen nicht einschüchtern. Es ist dann auch ein kleines Loblied auf den handfesten, traditionellen Journalismus, welches hier gesungen wird, vermischt mit ein bisschen Nostalgie für eine Zeit, in der es überhaupt noch Platz für einen solchen gab. Vor dem großen Zeitungensterben. Und doch ist der Film nicht verherrlichend, arbeitet nicht mit den üblichen Schubladen „gut“ und „böse“. Als die Recherchen hier beginnen, sind die Hinweise auf den Missbrauch schon alt, in Boston hat seinerzeit aber jeder weggeschaut – auch der Boston Globe.

Nüchtern, geradezu unbeteiligt nähert sich Regisseur und Ko-Autor Tom McCarthy dem emotionalen Minenfeld, beschränkt sich in seiner Geschichte überwiegend auf die Recherchen des Journalistenquartetts. Große dramatische Szenen gibt es daher nicht, braucht es auch nicht. Wenn Opfer-Anwalt Mitchell Garabedian (Stanley Tucci) widerwillig Einblicke in die Erzählungen gewährt, manche der Betroffenen selbst von Erfahrungen berichten, dann bewegt sich Spotlight auch so schon nah an der Schmerzgrenze. Ansonsten aber ist viel Laufarbeit und Aktenwälzen angesagt, was manchmal etwas Informationsoverkill zur Folge hat. Trotz einer Laufzeit von über zwei Stunden gibt es hier so viel abzuarbeiten, dass manches sehr schnell erzählt werden muss, man sich dann auch schon mal schwer tut, den Überblick über die ganzen Personen und ihre Positionen zu bewahren.

Aber auch wenn einem da zuweilen der Kopf schwirrt und das Ende durch die Realität ohnehin schon vorgegeben ist, klebt man an der Leinwand, um zu wissen, was da noch alles geschieht. Spannend ist Spotlight daher, mehr als die meisten „richtigen“ Thriller der letzten Zeit. Und der Film ist hervorragend gespielt: Ausreißer gibt es keine, weder nach unten, noch nach oben, alles bewegt sich auf einem konstant hohen Niveau. Wie bei den Recherchen ist das das Ergebnis einer echten Teamarbeit, bei der sich das Quartett von seiner besten Seite zeigen darf, man sich auch schwertun würde, einen echten Hauptdarsteller zu benennen. Gemeinsam gelingt dem Ensemble so ein Film, der zwar zu keiner Zeit irgendwie Neuland betritt, sondern einfach nur ruhig eine Geschichte erzählt, die einen packt und kräftig durch die Mangel nimmt und Spotlight zu den frühen Höhepunkten von 2016 macht.



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Ein Missbrauchsdrama, in dem die Täter gar nicht, die Opfer kaum auftreten, ist das nicht ein wenig trocken? Tatsächlich geht einem das hervorragend gespielte, etwas altmodische „Spotlight“ gerade durch seine nüchterne Erzählweise und den Verzicht auf vorgeschobene Emotionalität nahe, lässt einen oft fassungslos zurück.
9
von 10