Irrational Man
© Warner Bros

Irrational Man

(„Irrational Man“ directed by Woody Allen, 2015)

„Irrational Man“ läuft ab 12. November im Kino

Brillant, leidenschaftlich, ein Frauenschwarm, radikaler Querdenker und Weltenbummler – als der Philosophie-Professor Abe Lucas (Joaquin Phoenix) am College in Newport seine neue Stelle antritt, ist ihm sein Ruf längst vorausgeeilt. Inzwischen ist von seinem inneren Feuer aber kaum mehr etwas übrig, für seine Außenwelt hat der Denker jegliches Interesse verloren. Und auch seine Frauengeschichten haben ein Ende genommen, seitdem er sich mit Erektionsproblemen herumplagt. Seine neue Kollegin Rita Richards (Parker Posey) und die überaus begabte Studentin Jill (Emma Stone) erliegen dennoch seinem Charme – und das, obwohl Erstere verheiratet, Letztere glücklich mit Ray (Jamie Blackley) liiert ist. Erst als Lucas mit dem Gedanken spielt, einen Mord zu begehen, kehrt die Lebensfreude zu ihm zurück.

Kennt man einen Film von Woody Allen, kennt man sie alle? Das wäre sicher etwas übertrieben, wer aber einen derart hohen Output hat wie der bald 80-jährige Regisseur und Drehbuchautor – wir nähern uns seinem inzwischen 50. Kinofilm –, der kommt nicht umhin, sich immer mal wieder selbst zu wiederholen. Emma Stone als bemerkenswerte junge Frau, die mit einem eigensinnigen älteren Mann anbandelt? Das kannten wir schon vom letztjährigen Allen Magic in the Moonlight. Nur dass dieses Mal nicht die Welt der Zauberer den Rahmen bildet, sondern die der nüchternen Denker.

Anfangs spielt Allen dann auch mit diesem Umfeld, lässt Lucas bekannte Philosophen zitieren und diskutieren. Das lässt er jedoch bald fallen, um sich den diversen anbahnenden Beziehungen zu widmen. Deutlich spannender wird es jedoch erst, als seine müde und kaum spürbare Romanze in den Hintergrund rückt und er sich dem Thema Mord zuwendet, wie er es auch in Verbrechen und andere Kleinigkeiten und Match Point schon getan hat. Das bietet zum einen die Bühne für diverse schwarzhumorige Momente, aber auch für moralische Überlegungen: Ist ein Mord gerechtfertigt, wenn alle anderen davon profitieren? Wenn es sich um eine Person handelt, unter der alle nur zu leiden haben?

Wer an der Stelle eine tatsächlich tiefschürfende Auseinandersetzung erwartet, wird am Ende jedoch enttäuscht das Kino verlassen: Allen zieht einen spielerischen Umgang mit dem Thema vor, der auch vor banalen Albernheiten nicht zurückschreckt. Zwar ist Irrational Man wieder bissiger als der Vorjahresfilm, aber eben auch nur in Maßen, nicht annähernd so viel, wie es das Thema hergeben würde. Aber vielleicht ist es auch falsch, hier überhaupt von einem Thema zu sprechen, zu sehr wildert der Film in verschiedenen Bereichen herum. Da gibt es romantische Verwicklungen, theoretische Überlegungen, kleinere Absurditäten und eben Krimielemente, ohne dass Allen sich je für eine Richtung entscheiden würde.

Auf Dauer ist das nicht genug, trotz einer überschaubaren Laufzeit von gut anderthalb plätschert Irrational Man vor sich hin, ist von diversen Längen geprägt. Nett ist der Film sicherlich, punktet mit den üblichen Stärken bei den Dialogen und der Besetzung. Und auch die in warmen Farben gehaltenen Bilder sind schön anzusehen. Wer sich aber nicht gerade zu den Allen-Hardcore-Fans zählt, dem werden ein wenig die Gründe fehlen, im umfangreichen Werk des Vorzeigeneurotikers ausgerechnet dieses hier anschauen zu wollen.



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Schwarzhumoriger Krimi? Romanze? Moralische Überlegung? „Irrational Man“ bietet von allem etwas, ohne sich für eine Richtung entscheiden zu wollen. Das ist zwar insgesamt nett, aber nie wirklich zwingend, der dahinplätschernde Film hat immer wieder mit Längen zu kämpfen.
6
von 10