Die Poetin

Die Poetin

(„Flores Raras“ directed by Bruno Barreto, 2012)

Die PoetinWenn aus Tagen Jahre werden. Nur ein Kurzurlaub hätte es sein sollen, maximal zwei Wochen, um ihre alte Studienfreundin Mary Morse (Trace Middendorff) in Brasilien zu besuchen. Wirklich groß ist ihr Verlangen ja nicht, aber Elizabeth Bishop (Miranda Otto) steckt in einer Schaffenskrise. „North & South“, ihr gefeierter erster Gedichtband, lag 1951 bereits fünf Jahre zurück, der lang erwartete Nachfolger wollte einfach nicht zustande kommen. Südamerika also. Vielleicht würde ja der Kontinent im Süden mit seinen lebenshungrigen, ausgelassenen Menschen und der wilden Natur auch Elizabeth neues Leben schenken.

Zunächst einmal passiert jedoch das Gegenteil. Zu viel, zu viel – die Dichterin ist von dem Land überfordert, vor allem aber von Marys Geliebten Lota de Macedo Soares (Glória Pires). Die ist eine anerkannte Architektin, überaus zuvorkommend, aber gleichzeitig auch ziemlich dominant. Dass Elizabeth damit Probleme haben würde, überrascht nicht wirklich, schon nach kurzem Aufenthalt möchte sie nur noch weg von dort. Nach einem stürmischen Anfang, kommen sich die beiden so ungleichen Frauen jedoch näher und werden selbst ein Liebespaar. Das führt nicht nur zu Problemen mit Mary, die fortan die zweite Geige spielen darf, auch Elizabeth und Lota haben immer wieder hässliche Auseinandersetzungen.

Zu den produktivsten Dichterinnen des 20. Jahrhunderts wird man Elizabeth Bishop eher nicht zählen wollen, gerade einmal sechs Bände erschienen in ihrer 30-jährigen Schaffensphase. Doch Vergleichen ging die Amerikanerin ohnehin stetig aus dem Weg, weigerte sich beharrlich, ihre Werke in einem Zusammenhang mit ihrem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung stellen zu lassen. Die Gedichte selbst sollten im Mittelpunkt und für sich selbst stehen. Vor allem eines davon, „One Art“, erhält in Die Poetin eine prominentere Rolle.Die Poetin Szene 1

„The art of losing isn’t hard to master;

so many things seem filled with the intent

to be lost that their loss is no disaster.“

Um Verluste geht es dann auch in dem brasilianischen Film. Der Verlust von Sprache, von Nähe, Familie, Selbstbestimmung, der Verlust des Anderen und von Identität. Die Annäherung von Elizabeth und Lota wird relativ schnell abgefeiert, vielleicht etwas zu schnell. Dafür lässt sich Regisseur Bruno Barreto viel Zeit mit dem langsamen Auseinanderdriften der beiden grundverschiedenen Frauen.

Dass es sich dabei um gleichgeschlechtliche Liebe handelt, wird größtenteils ignoriert. Ähnlich wie in Blau ist eine warme Farbe kürzlich ist es im Grunde egal, dass hier zwei Frauen Gefühle füreinander entwickeln, es hätte auch jede andere Kombination sein können. Nur am Anfang thematisiert Die Poetin kurz die potenzielle Problematik einer homosexuellen Beziehung in Brasilien, danach konzentriert sich das Drama auf die beiden Personen an sich.

Überraschend ist dabei vor allem die Besetzung der Dichterin selbst. Wenn Hauptdarstellerin Miranda Otto bislang einem größeren Kinopublikum bekannt war, dann für ihre toughen Frauenrollen in Herr der Ringe oder I, Frankenstein. Hier jedoch spielt sie glaubhaft eine Frau, die so sensibel, so zurückhaltend ist, dass sie bei einem Rededuell mit ihrem Schatten eindeutig den Kürzeren ziehen würde. Die Spannung des Films besteht dann auch darin, wie eine solche Person mit dem genauen Gegenteil – Lota strotzt so voller Kraft und Selbstbewusstsein, dass um sie herum alles abstirbt – überhaupt eine Beziehung führen kann.Die Poetin Szene 2

Gerade in der ersten Hälfte reicht das auch völlig aus, um den Film zu tragen, problematisch wird es in der zweiten: Ungefähr 15 Jahre will Barreto in seiner Buchverfilmung – Die Poetin basiert auf „Flores Raras e Banalíssimas“ von Carmem Lucia de Oliveira – abhandeln. Dass das schwierig ist, keine Frage. Vermutlich zu schwierig. Viele der interessanten äußeren Ereignisse in Brasilien erfahren wir nebenbei und auch die Beziehung der beiden wird nur noch stichpunktartig beleuchtet. Dadurch verliert der Film die Intensität, die er anfangs noch hatte, und damit einhergehend auch seine Emotionalität. Gut ist der Film aber trotz allem, allein für die beiden engagierten Hauptdarstellerinnen und die schönen Bilder lohnt sich der Kinobesuch.

Die Poetin läuft ab 10. April im Kino



(Anzeige)

Anfangs intensiv, später zu distanziert und beiläufig ist Die Poetin ein insgesamt guter Film über die amerikanische Dichterin Elizabeth Bishop und ihre schwierige Beziehung zu der brasilianischen Architektin Lota de Macedo Soares.
7
von 10