Secretary - Womit kann ich dienen?

Secretary – Womit kann ich dienen?

(„Secretary“ directed by Steven Shainberg, 2002)

Secretary - Womit kann ich dienen?Politische Korrektheit mit hundertachtzig Sachen gegen die Wand zu fahren ist praktisch das Hobby von Filmemachern wie Sacha Baron Cohen, der den Tabubruch zur Tugend erklärt hat. Auch Michael Moore spuckt gern große Töne, wenn es darum geht, gesellschaftlichen Missständen und politischen Absurditäten auf den Grund zu gehen. Themen aus der grenzenlosen Welt der Sexualstörungen sind hingegen nach wie vor ein Tabu und Mangelware auf der Leinwand. Vielleicht auch, weil sich für die Interessen der verschiedenen Subkulturen kein Publikum findet. Es gibt ein paardutzend Filme jenseits der Pornographie, in denen Sadomasochismus thematisiert wird. 8MM macht es sich leicht und entwirft eine Schauermär über grausame Perverse. 24/7 – The Passion of Life romantisiert den kontroversen Stoff auf eine ziemlich dilettantische Art und Weise. Bitter Moon begnügt sich mit Klischees, um dem Thriller weitere Würze zu verleihen. Die Klavierspielerin portraitiert eine getriebene Masochistin im Rahmen eines stillen Melodrams. Secretary gelingt das Kunststück, dem Thema eine erotische Komödie abzugewinnen, ohne sich über Selbiges lustig zu machen – und wird seitens der Szene dann dafür kritisiert, autoaggressives Verhalten mit sadomasochistischen Neigungen in Verbindung zu setzen. De facto kann man es niemandem recht machen, aber genau darauf sind die Tabubrecher ja bekanntlich aus, wenn man Regisseur Steven Shainberg überhaupt als solchen bezeichnen darf. Schließlich führt seine schleichende Einbringung von SM-Praktiken quasi zu einer kaum merklich Enttabuisierung beim Publikum. Nicht bei den Protagonisten.Secretary - Womit kann ich dienen? Szene 1

Was auch immer man bei dem Schlagwort „Sadomaso“ erwartet – es hat wenig mit diesem leichtfüßigen Feel-Good-Movie zu tun, das gleich zu Beginn mit offenen Karten spielt. Die Eröffnungsszene zeigt die junge Lee Holloway (Maggie Gyllenhaal) im Sekretärinnen-Kostüm bei der Ausführung ihrer alltäglichen Aufgaben. Dass ihre Hände dabei an eine Art mobilen Pranger gefesselt sind, ist offenbar nicht ungewöhnlich. Mit aller Selbstverständlichkeit macht sie Kaffee und zieht – mit dem Mund – einen Brief aus der Schreibmaschine, um ihn ins Büro ihres Chefs zu bringen. Die Tür knallt zu. Die Geschichte beginnt: Der Zuschauer wird ein halbes Jahr zurück katapultiert und erlebt ab jetzt streng chronologisch die Metamorphose vom grauen Mäuschen, das sich als Sekretärin in der Kanzlei des Anwalts E. Edward Grey (James Spader) bewirbt, zu einer selbstbewussten Frau, die mit hingebungsvoller Unterwerfung ihren krankhaften Drang zur Selbstverletzung kompensiert und zuweilen extra Tippfehler macht, um sich von ihrem Chef den Hintern versohlen zu lassen. Eine Männerfantasie aus Sicht einer Frau. Der Film basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Mary Gaitskill, die Sadomasochismus als eine Konsequenz aus traumatischen Erfahrungen betrachtet. Danach muss man bei Lee Holloway gar nicht lange suchen: Ihr familiäres Umfeld wird als derart kaputt dargestellt, dass autoaggressives Verhalten eine geradezu sinnvolle Reaktion darauf zu sein scheint. Notwendigkeit dieser allzu aufschlussreichen Exposition hin oder her – mit Maggie Gyllenhaal hat Shainberg eine grandiose Besetzung für sein masochistisches Mauerblümchen gefunden. Die Schwester des Donnie Darko-Darstellers Jake Gyllenhaal hilft dem Film mit ihrem überzeugenden Schauspiel über gewisse Schwachstellen hinweg. Denn abgesehen von zuweilen irrsinnig witzigen Szenen birgt das Drehbuch genug Potential für unfreiwillige Komik, die der Balance zwischen Komödie und Charakterstudie und damit der großen Stärke des Films geschadet hätte.Secretary - Womit kann ich dienen? Szene 2

Das Zusammenspiel von Maggie Gyllenhaal und James Spader, der den inneren Konflikt seiner Figur ganz und gar unaufdringlich für den Zuschauer greifbar macht, ist schlichtweg sehenswert. Da stimmt die Chemie, wie man so schön sagt. Drehbuchautorin Erin Cressida Wilson ist es übrigens hoch anzurechnen, mögliche traumatische Erfahrungen oder andere Gründe für die sadistischen Vorlieben des Anwalts im Dunkeln zu belassen. Es muss nicht immer alles erklärt werden. Als Kontrast zu Holloways liebevoll ausstaffiertem Rollenprofil tut die geheimnisvolle Note ihres dominanten Gegenparts dem Film ganz gut.

Achtung, Fazit mit Spoiler! Als fader Nachgeschmack bleibt eine offene Frage. Nicht bezüglich der Story, denn die wird sauber abgeschlossen. Aber ist dieses übertrieben rosarote Happy End tatsächlich ernst gemeint, oder schon als Parodie auf das eigene Genre zu verstehen? Nach einer solch konfliktreichen Achterbahn neuartiger Gefühle und unterdrückter Triebe wäre eine etwas dezentere Geste zum Ausklang womöglich passender gewesen – denn obwohl die Geschichte vom Anwalt und seiner Sekretärin zu Ende erzählt ist, fängt die Geschichte des Liebespaares doch gerade erst an.



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