Sons Of Norway

Sons Of Norway

(„Sønner av Norge“ directed by Jens Lien, 2011)

Hin und wieder begegnet man Filmen, da weiß man nicht einmal, welchem Genre sie eigentlich angehören. Sons of Norway ist so ein Fall. Eine Komödie? Komisch ist er auf jeden Fall, wenn man absurden Humor und schrullige Charaktere mag. „Tut mal so, als wärt ihr eine normale Familie“, heißt es beim gemeinsamen Weihnachtsfoto, kurz nachdem Vater Magnus (Sven Nordin) die Wohnung mit Bananen feierlich dekoriert hat. Weihnachtsbaum inklusive. Doch Spleens gehören bei dieser Familie einfach dazu. Im Norwegen der späten 70er ist die Welt noch in Ordnung.

Das ändert sich jedoch recht schnell und einschneidend, als Mutter Lone (Sonja Richter) nach einem Autounfall verstirbt. Vor allem für den jungen Nikolaj (Åsmund Høeg), der plötzlich ohne Familie mit allem klarkommen muss. Die Mutter tot, der Vater depressiv, der ältere Bruder schon ausgezogen, der jüngere wird zur Tante gegeben. Kurz, das Leben läuft nicht so ganz nach Plan. Und was macht ein Junge in so einem Fall? Richtig, er wendet sich dem Punk zu, der mit seiner „das Leben ist scheiße“-Einstellung Nikolaj voll aus der Seele spricht. Fortan hört er die Sex Pistols, tritt selbst einer Punkband bei, färbt sich die Haare grün, trägt nur noch Schwarz und nimmt – mangels Alternativen – Büroklammern als Piercings.

Doch irgendwie will auch das nicht funktionieren, zumindest nicht ganz. Denn natürlich bedeutet Punk auch Rebellion, der Kampf mit dem Establishment. Aber was, wenn es genau dieses Establishment zu Hause nicht gibt? Denn Vater Magnus ist ein Hippie, der davon träumt, Glashäuser zu bauen, den Sommer im Nudistencamp verbringt und auch sonst nicht viel von Regeln hält. Und wo keine Regeln, da kein Auflehnen dagegen. Selbst als Nikolaj und seine Mitpunks bei einem Schulfest randalieren, denkt Magnus so gar nicht daran, seinen Filius zu bestrafen. Im Gegenteil. In einem flammenden Plädoyer schafft es der Althippie vielmehr, den Spieß sogar umzudrehen und den Schulleiter als Bösewicht dastehen zu lassen.

Hört sich komisch an, oder? Bei vielen Rezensionen und auch der Werbung wird auch genau dieser Aspekt hervorgehoben. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich schwankt Sons of Norway recht beständig zwischen absurder Komik und leisen, einfühlsamen Momenten hin und her. Wer aufgrund von Pressestimmen also eine lupenreine Komödie erwartet, könnte schnell enttäuscht werden – und damit dem Film unrecht tun. Vielmehr kommen hier Freunde kauziger Charaktere auf ihre Kosten, die versuchen sich im großen Dschungel Leben durchzuschlagen und sich dabei nicht immer ganz so verhalten, wie wir es erwarten würden. Ein Durchschlagen, was manchmal komisch ist – und manchmal eben auch nicht.

Ein Hippievater und ein Punksohn, die sich zusammenraufen müssen, um den Tod der Mutter zu verarbeiten – das lässt Böses ahnen. Regisseur Jens Lien widersteht jedoch zum Glück der Versuchung, die tragikomische Sinnsuche seines kleinen Punks zu sentimental werden zu lassen. Natürlich, die Sympathie des Regisseurs für seine beiden Außenseiter sollte man schon teilen können. Aber wer das kann und sich an seine eigenen Kämpfe gegen die Welt erinnert, wird diesem ungewöhnlichen und sympathisch gespielten Vater-Sohn-Gespann einiges abgewinnen können. Ein bisschen erfährt man außerdem über Norwegens Punkszene von anno dazumal. Und kann bei einem Kurzauftritt von Punkurgestein Johnny Rotton lernen, dass so manche Rebellion letztendlich ziemlicher Schwachsinn ist.



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Sons of Norway ist eine eigenwillige Mischung aus absurder Komödie und bewegendem Drama. Diese Rechnung mag zwar nicht für alle aufgehen, Freunde von Außenseitergeschichten und leisen Zwischentönen werden den kleinen norwegischen Film aber schnell ins Herz schließen.
7
von 10