Hinter der Tür

Hinter der Tür

(„The Door“, directed by Istvan Szabó, 2012)

Wir alle haben unsere großen und kleinen Geheimnisse, die wir vor anderen hinter Türen verbergen möchten. Bei Emerenc ist das sogar wörtlich zu verstehen. Griesgrämig und verschlossen weigert sie sich vehement, andere in ihre kleine Wohnung zu lassen. Selbst wenn Freunde oder Verwandte zu Besuch sind, weiter als bis zur Veranda dürfen sie nicht. Das gilt auch für die Tür zu ihrem Inneren. Wer sie genau ist, ihre Vergangenheit – keiner weiß das so genau.

Das ändert sich erst, als deren neue Nachbarn Magda und Tibor Emerenc einstellen. Vor allem Magda, ehemalige Lehrerin, aufstrebende Autorin und eine miserable Hausfrau, wächst der älteren Frau ans Herz. Nicht sofort, natürlich. „Ich wasche nämlich nicht für jeden“, stellt Emerenc gleich zu Beginn klar. Und auch später hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass sich die neue Haushälterin ihren Arbeitgebern unterordnet – selbst wenn sie Tibor als Gebieter bezeichnet. Aber wenn schon keine Unterordnung, so zumindest Akzeptanz. Mit kleinen, teils reichlich seltsamen Gesten zeigt sie dem Ehepaar ihre Zuneigung. Was umgekehrt auch Magda versucht und so tatsächlich der sonderbaren Haushälterin näherkommt, Einblicke in eine traurige Vergangenheit erhascht und irgendwann selbst „Hinter der Tür“ ankommt.

Zugegeben: Zwei Menschen, die sich anfangs misstrauen und sich mit der Zeit immer näher kommen, ist ein weder originelles noch zwingend spannendes Motiv. Umso wichtiger daher, dass diesen Figuren Leben eingehaucht wird. Und hier kann der Film wirklich aus den Vollen schöpfen. Magda wird von Martina Gedeck gespielt, die vor Kurzem in Die Wand wieder beweisen durfte, dass sie zur ersten Garde deutscher Schauspieler gehört. Und hinter Emerence verbirgt sich Helen Mirren, die schon lange gar nichts mehr beweisen muss.

Dennoch, so ganz gelingt es auch Gedeck und Mirren nicht, das Verhältnis der beiden Frauen und deren Entwicklung greifbar zu machen. Das liegt aber primär an dem Ausgangsmaterial und nicht an den Darstellerinnen. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Magda Szabó hat Hinter der Tür einfach nicht die Möglichkeit, in knapp anderthalb Stunden ähnlich umfangreich seine Geschichten zu erzählen wie die literarische Quelle. Das Ergebnis sind zahlreiche Zeitsprünge, mitunter erinnert die Romanverfilmung von Regisseur Istvan Szabó (übrigens nicht mit der Autorin verwandt) fast schon an einen Episodenfilm. Auf eine durchgängige, überzeugende Charakterentwicklung sollte man also besser nicht hoffen, dafür ist das Ergebnis zu unbefriedigend.

Wer sich den Film anschauen möchte, sollte sich also besser vorher bewusst sein, dass dieser gar nicht alles erklären kann oder will. Hinter der Tür richtet sich vielmehr an Freunde großer Schauspielkunst und stellt auch die ein oder andere kluge Frage. Was bedeutet Würde? Wann ist ein Leben lebenswert? Wie bin anderen ein guter Freund? Das leise Drama bietet also genügend Stoff, über den man nachdenken kann. Nur die Antworten auf diese Fragen, die muss dann jeder für sich selbst finden.



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Der Film krankt ein wenig daran, dass er sich nicht genug Zeit für seine Geschichte und die Figuren nimmt. Man hat nur bedingt den Eindruck, wirklich an einer Entwicklung der Charaktere teilzuhaben und vieles bleibt eher skizzenhaft. Bewegende Szenen, die auch zum Nachdenken anregen, gibt es es jedoch genug, was auch den beiden gewohnt starken Hauptdarstellerinnen zu verdanken ist. Sie fügen sich nur nicht so gut ineinander, wie man es gern hätte. Und wie es die Szenen auch verdient hätten.
6
von 10