Raus aus Amal

Raus aus Åmål

(„Fucking Åmål“ directed by Lukas Moodysson, 1998)

Åmål ist eine schwedische Kleinstadt, Fucking Åmål ein dort angesiedelter Jugendfilm von Lukas Moodysson. Dies soll jedoch nicht über die Tatsache hinweg täuschen dass der Autor und Regisseur hier einen durch und durch „erwachsenen“ Film abliefert. Im Gegensatz zu seinem späteren A Hole In My Heart wählt er hier allerdings eine etwas weniger brachiale Art um seine Drehbuch zu visualisieren was das Ganze doch sehr viel angenehmer macht.

Die sechszehnjährige Agnes (Rebecka Liljeberg) ist soeben mit ihrer Familie nach Åmål gezogen, doch fällt es der Einzelgängerin recht schwer neue Freundschaften zu schließen. Sie distinguiert sich nicht nur in Punkto Musikgeschmack oder Outfit vom Rest der Jugendlichen sondern sie scheint auch kein großes Interesse an Jungs zu haben sondern ganz im Gegenteil, Agnes fühlt sich von ihrer Klassenkollegin Elin (Alexandra Dahlström) angezogen. Die blonde Schuldiva ist dafür bekannt dass sie mit jedem dahergelaufenen Typen rumknutscht, genauestens über Trends und Hypes Bescheid weiß und am liebsten irgendwelche Partys besucht auf denen man den Alltag mit Alkohol vergessen kann. So gesehen dürfte die intellektuelle und poesieliebende Agnes ein Mädchen wie Elin nie und nimmer interessieren, doch bekanntlich handelt die Liebe ja nicht rational. Agnes’ intimste Fantasie scheint nach fortschreiten der Spielzeit aber gar nicht mal so abwegig zu sein, denn Elin hat das Leben auf dem Land satt, sie sucht neue Abenteuer und möchte ihr Leben wie einen Rausch ausleben.

Genau wie in A Hole In My Heart leuchtet auch hier der Schwede ein ganz bestimmtes Milieu unserer Gesellschaft aus und vermittelt durch dokumentarisch wirkende Aufnahmen das Gefühl von Authentizität. Doch auch ohne diesen technischen Kniff könnte das Geschehen auf dem Bildschirm ganz einfach einer täglichen Situation entnommen worden sein. Durch die globalisierte und angepasste Welt lässt sich Moodyssons Studie übrigens nicht nur auf Skandinavien begrenzen sondern sein Muster ließe sich problemlos auf das restliche (zumindest westliche) Europa überstülpen.

Ich will aber erst gar nicht viel Worte über die wage vorhandene Gesellschaftskritik verlieren denn schließlich ist Fucking Åmål in erster Linie eine Liebesgeschichte. Obwohl wir uns mittlerweile im 21. Jahrhundert befinden stellt sich die Homosexualität immer noch als Clou des Films heraus. Die bei Agnes so entstehende soziale Ausgrenzung verletzt sie so tief dass Suizid bei ihr nicht nur ein Wort um Aufmerksamkeit zu erregen ist, sondern einen möglichen Fluchtversuch darstellt. Genau in diesem Punkt unterscheidet sich Agnes aber nicht einmal so sehr von Elin, denn auch sie möchte am liebsten weit weg vom „verkackten“ Åmål, auch wenn’s bei ihr nicht gleich das Jenseits sein muss. Sie träumt vom Glück in der großen Stadt, einem Leben am Puls der Zeit, weit weg von mofafahrenden Dorftrotteln die in ihrer Freizeit Hockey spielen und sich beim abendlichen weggehen wie Halbstarke benehmen.

Die soziale Interaktion zwischen Pubertierenden, ihre durchaus begrenzte Weltansicht und ihre prägende Umwelt die sie in Gesellschaftsformen drängt die sie so eigentlich gar nicht wollen, arbeitet Moodysson intensiv und durchaus auch mit Humor heraus. Die Klimax erreicht der Film schlussendlich wenn die beiden Hauptcharaktere ihre Masken fallen lassen und Hand in Hand durch die Schule stolzieren. Sein Werk mag vielleicht nicht so provokant wie manch anderer Film sein, er erweist sich aber als äußerst clever indem er mühelos den Spagat zwischen Mainstream und Alternativkino schafft und somit eine große Zielgruppe anspricht.

Beeindruckt hat mich hier aber vor allem mit welcher Klasse die beiden Schauspielerinnen ihrer Arbeit nachgehen. Liljeberg’s Performance ist dabei mindestens genauso formidabel wie die der damals erst vierzehnjährigen (!) Dahlström. Musikalisch wird der Film hauptsächlich durch zeitgenössische Künstler untermalt, im speziellen wird allerdings Morrissey Tribut gezollt. Ansonsten bringt Moodysson hauptsächlich durch auffällig positionierte Gegenstände Zitate ins Spiel. Hängen geblieben ist mir da vor allem ein Romeo + Julia Filmplakat oder das Poster von Hockeytorwartlegende Dominik Hašek.

Fazit: Ein sehenswerter Streifen der platten Teeniekomödien zeigt wo es lang geht oder wie es die Cover-Aufschrift des deutschen Concorde-Releases plakatiert: Die Antwort auf Amerian Pie.



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