The Escapist

The Escapist

(„The Escapist“ directed by Rupert Wyatt, 2008)

The EscapistAls Vertreter des Prison Break-Genres, von dem ich bis vor Kurzem nicht wusste, dass es überhaupt existiert, versprach der Film The Escapist von Regisseur Rupert Wyatt aus dem Jahr 2008 bereits viel. Filme wie Papillon (1973) ließen zumindest das Potential eines solchen Plots erahnen.
Wie nicht anders zu erwarten beginnt der Film in einem Gefängnis für Männer. Gleich zu Beginn fällt jedoch gleich die größte Unstimmigkeit des Films ins Auge, die sich auch bis zum Ende fortsetzt: Es gibt kaum Wärter und wenn, dann laufen sie passiv durch die Gänge oder sitzen an Tischen und kümmern sich nicht um die Gefangenen. Die Gefangenen hingegen spazieren gemütlich aus ihren Zellen, sind alle gleichzeitig im Innenhof des Zellentrakts, besitzen eine eigene Drogenküche und auch Accessoirs wie Federboa und Schallplattenspieler sind selbstverständlich vorhanden.
Frank (Brian Cox) ist einer der Insassen und hat sich mit dem harten Gefängnisalltag eigentlich arrangiert. Dass er weniger den Schikanen der anderen Insassen ausgesetzt ist, mag auch an seinem schon fortgeschrittenen Alter liegen. Nach 14 Jahren, in denen er nie eine Antwort auf seine Briefe bekommen hat, erhält er jedoch einen Brief, in dem er davon erfährt, dass seine Tochter wegen Drogenkonsums in Lebensgefahr schwebt. Kurzerhand beschließt er also seinen eigentlich lebenslangen Aufenthalt hinter Gittern zu beenden, um seine Tochter daran zu hindern, ihr Leben zu ruinieren.
Neben Komplizen (Liam Cunningham, Joseph Fiennes, Seu Jorge, Dominic Cooper) beschafft sich Frank jedoch auch einen Widersacher, Tony (Stephen Mackintosh), der von den Ausbruchsplänen Wind bekommen hat und nun Frank erpresst. Der Film beschreibt nun die eigentlichen Vorbereitungen der Ausbrecher und den weiteren Verlauf von Tonys Mitwisserschaft. Schließlich steht natürlich der Ausbruchsversuch selbst im Mittelpunkt.
Während des Films hatte ich das Gefühl einem sehr mittelmäßigen Film zu folgen, was sich in den letzten 20 Minuten dann allerdings schlagartig geändert hat. Die Wendung am Ende und der neue Blickwinkel auf die erzählte Geschichte sowie Franks fast schon philosophisches Plädoyer werten den Film um einiges auf. Dieses Ende schafft es allerdings trotzdem nicht über die offensichtlichen Schwächen in der Darstellung des Gefängnisalltags und in anderen Details hinweg zu täuschen. Manche Zufälle und Begebenheiten sind außerdem zu konstruiert, um ernst genommen zu werden.
Trotzdem gibt es auch sehr positive Aspekte des Films zu berichten. Mich persönlich hat der Umgang mit dem Ton fasziniert. In vielen Szenen ist der eigentlich zu erwartende Ton nicht zu hören, sondern es herrscht entweder völlige Stille, wo eigentlich keine Stille zu erwarten ist, oder es werden nur ganz bestimmte Sounds aus der Geräuschkulisse herausgenommen, die dann für sich allein stehen. Ebenso vorsichtig und bewusst gewählt ist außerdem oft die zarte musikalische Untermalung. Positiv zu erwähnen ist außerdem der Song The Partisan von Leonard Cohen, welcher am Anfang und am Ende des Films zu hören ist.
Schließlich verdient natürlich v.a. die Erzählstruktur einige Worte. Der Film besteht aus zwei Handlungssträngen, von denen einer die Vorbereitungen zum Ausbruch erzählt und der andere die Flucht selbst darstellt. Beide Stränge werden parallel nebeneinander erzählt und erst mit der Zeit schafft man es als Zuschauer die Bilder in einen Zusammenhang zu bringen. Der wirkliche Vorteil dieser Perspektive wird aber auch erst gegen Ende des Streifens klar.
Als Fazit kann ich diese Co-Produktion aus Irland und dem Vereinigten Königreich trotz des überraschenden Endes und einiger handwerklich beachtenswerter Aspekte nicht uneingeschränkt empfehlen. Zu schwer wiegt die unrealistische Darstellung des Gefängnislebens. Bei einem Film, der in einem Gefängnis spielt, darf man als Zuschauer nicht an dessen Authentizität zweifeln. Andere Filme haben bewiesen wie man trotz oder vielleicht gerade wegen repressiven Wärtern eine Geschichte hinter diesen Mauern erzählen kann. Wer den Film also in die Hände bekommt, kann ihn (bis zum Ende allerdings) ansehen. Ein Must-See ist The Escapist allerdings nur für Fans des Genres.



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