Manhattan

Manhattan

(„Manhattan“, directed by Woody Allen, 1979)

Woody Allen hasst diesen Film. Er hasst ihn sogar so sehr, dass er nach Fertigstellung United Artists anbot, kostenlos bei einem neuen Werk Regie zu führen, nur damit sie Manhattan nicht veröffentlichen. Er hasst diesen Film so sehr, dass er direkt danach Stardust Memories drehte, um Manhattan zu vergessen. Stardust Memories wird einer von Allens größten Flops, Manhattan zählt zu den besten Filmen der Filmgeschichte und wird zu einem der größten Klassiker des New Yorker Intellektuellen. Wie die meisten Filmen Allens werden auch hier die Probleme von Beziehungen diskutiert, in diesem Fall könnte man vielleicht sogar so weit gehen und Manhattan als Beziehungsfilm charakterisieren, so wird von Anfang bis zum Ende über die Möglichkeit oder die Unmöglichkeit menschlicher Beziehungen philosophiert und mitten drin befindet sich Allens Charakter Isaac, der wie ein Spielball die um ihn herum entstehenden und zerbrechenden Beziehungen und Affären beobachten muss. Er selber hat eine Freundin (Mariel Hemingway), die er als zu jung empfindet, da er bereits 42, sie aber erst 17 Jahre alt ist.

So groß seine Zuneigung zu ihr ist, ständig hat er das Gefühl, ihr mit dieser Beziehung nichts Gutes zu tun, da sie andere Erfahrungen machen solle, als mit einem arbeitslosen Neurotiker ihre Zeit zu verschwenden. Schnell wird klar, dass es weniger das Alter ist, was das eigentliche Problem für Isaac darstellt, sondern vielmehr seine geringe Selbsteinschätzung, dass er denkt, sie habe ihn nicht verdient. Isaacs Freund Yale (Michael Murphy) ist zwar verheiratet, hat aber eine Affäre mit Diane Keaton, die mit Isaac bekannt gemacht wird. Aufgrund ihrer verschiedenen Auffassungen von Kunst können sich Isaac und Mary (Diane Keaton) erst nicht ausstehen, doch bald fühlen sie sich zueinander hingezogen, woraufhin Isaac mit seiner 17jährigen Freundin Schluss macht. Obwohl sich auch Mary und Yale trennen, kann keiner von ihnen leugnen, noch Gefühle für den Anderen zu haben, was die Beziehung zwischen Isaac und Mary erschwert. Unterdessen kämpft Isaac mit seiner Exfrau (Meryl Streep), die während ihrer Ehe lesbisch geworden ist, nun mit einer Frau zusammenlebt und ein Buch über die Ehe mit ihrem Exmann schreiben will, indem Isaac keine sonderlich gute Figur abgibt.

Wie auch später in Hannah und ihre Schwestern wird auch hier der Aspekt behandelt, dass wir erst dann merken, wie gut wir es hatten und wie glücklich man war, wenn wir dieses Etwas eben nicht mehr haben. In diesem Fall ist es Isaac, der erst merkt, wie sehr er Mariel Hemingway geliebt hat, nachdem er mit ihr Schluss gemacht hat und der nun mit den Erinnerungen kämpft, die in ihm hochkommen. Es ist der Zwiespalt, den jeder verantwortungsvolle Mensch kennen sollte: Zum Einen, selbst glücklich sein zu wollen und eine Beziehung mit einer (zu) jungen Frau einzugehen, zum Anderen aber auch den Partner glücklich machen zu wollen, ihm zu helfen, ihn nicht auszunutzen – schlicht: das Beste für sich, aber auch das Beste für den Anderen zu wollen. Beides scheint hier anfangs unvereinbar, folglich werden beide Parteien unglücklich.

Am berühmtesten ist dieser Film aber wohl durch die atemberaubenden Schwarz/weiß Bilder von Kameramann Gordon Willis, mit dem Woody Allen oft zusammen arbeitete. Manhattan offeriert dem Zuschauer zahlreiche Bilder, die im Gedächtnis bleiben, Bilder für die Ewigkeit, die man nicht vergessen wird, so etwa das Bild von Isaac und Mary, die vor der Manhattan Bridge auf einer Bank sitzen und vom seitlich einfallenden Licht bestrahlt werden oder die dunklen Szenen in der Kunsthalle, die für den Cineasten anfangs wie eine Hommage an David Lynchs Eraserhead wirken, wenn die Kamera von einem Mondkrater zu den hellen Umrissen der beiden sich ansonsten in völliger Dunkelheit befindenden Protagonisten schwenkt, als hielten sie sich in einer (alp)traumhaften Mondlandschaft auf – wie die Situation, in der sich Isaac befindet, wenn er mit diversen Problemen in diesem Lebensabschnitt zu kämpfen hat.

Abgesehen davon hat dieses Werk natürlich auch die typischen Allen-Dialoge zu bieten, aufgrund derer Manhattan zu keinem Zeitpunkt zu einem rührseligen Melodram verkommt, sondern eher zu einem heiteren Gesellschaftsporträt, dessen große Stärke auch in der Besetzung von Mariel Hemingway liegt, die jede Szene, in der sie mitwirkt, zu stehlen scheint und trotz ihrer Schüchternheit und Zurückhaltung alles Licht auf sich lenkt, so ehrlich wirkt ihre Darstellung, dass sie für einen Oscar nominiert wurde (allerdings gegen Meryl Streep für Kramer gegen Kramer verlor).

Woody Allen hat es wie kaum ein Zweiter geschafft, Humor und Philosophie, Komödie und Drama zu verbinden und in dieser Mischung ist Manhattan einer seiner besten Filme, der gleichzeitig humorvoll, nachdenklich, ehrlich und daher so realistisch ist, beeindruckend nicht nur durch die leichten und doch auch sehr tiefsinnigen Dialoge, sondern auch durch die geniale Kameraführung, die – skandalös wie es ist – nicht mal für einen Acadamy Award nominiert wurde, obwohl diese Liebeserklärung an Manhattan  zu den am besten fotografierten Filmen aller Zeiten gehört.



(Anzeige)

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von 10