Zwei Staatsanwaelte
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„Zwei Staatsanwälte“ // Deutschland-Start: 18. Dezember 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Der junge Staatsanwalt Konyev (Aleksandr Kuznetsov) erhält ein Schreiben des Häftlings Stepniak (Aleksandr Filippenko), der ihn um einen Besuch in seiner Zelle bittet. Da der Gefangene einst eine Vorlesung gehalten hat, an die sich Konyev noch sehr gut erinnert, und zudem zur ehemaligen Parteispitze in seiner Heimatstadt gehörte, spricht er schon kurze Zeit nach Erhalt des Briefes bei der Gefängnisleitung vor. Nachdem er lange Zeit im Büro des stellvertretenden Gefängnisleiters warten musste, wird er schließlich zu dessen Vorgesetztem durchgelassen, der ihn erst nach einigen Warnungen vor vermeintlichen Krankheiten unter den Gefangenen zu Stepniak gehen lässt. Zu diesem Zeitpunkt ist Konyev sich sicher, dass die Beamten nur Ausreden suchen und alles versuchen, um ihn von dem Besuch abzuhalten. Als er jedoch von dem körperlich angeschlagenen Stepniak das ganze Ausmaß des Unrechts hört, das diesem widerfahren ist, ist der junge Anwalt gewillt, dessen Beschwerden bis in die obersten Kreise der Partei vorzubringen. Damit macht er jedoch nicht nur die Gefängnisleitung auf sich aufmerksam, sondern auch andere Vertreter des Machtapparats.

Von Damals zu Heute

1938 wurde der Ingenieur und spätere Autor Georgy Demidov im Zuge der stalinistischen Säuberungen inhaftiert und kam in ein Gefangenenlager. Er erlebte am eigenen Leib, was es heißt, unter die Räder eines Systems zu geraten, und widmete sein gesamtes literarisches Schaffen diesen Erlebnissen sowie den Gefühlen, die er damit verband. Seine Kurzgeschichten und seine Novelle Zwei Staatsanwälte hatten es selbstverständlich nicht leicht in der Sowjetunion – sie wurden gar nicht erst gedruckt oder konfisziert. Mit der Verfilmung von Demidovs Novelle will der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa (Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung, Tag des Sieges) dazu beitragen, dass ein breites Publikum diese Geschichte kennenlernt und Parallelen zum Russland von heute zieht. Zwei Staatsanwälte ist ein minimalistisches, intensives Kammerspiel über die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit innerhalb eines Systems, das sich gegen seine Bürger richtet und sein eigenes Narrativ zum einzig wahren erklärt hat.

Die Zeit, in der Zwei Staatsanwälte spielt, ist das Jahr 1937 – doch viele Bilder und Themen könnten aktueller kaum sein. Auf dem Höhepunkt des stalinistischen Terrors setzte das politische System alles auf nachhaltigen Machterhalt und „ersetzte“ all jene, die nicht mehr zur Linie der Partei passten oder sich als potenzielle Gegner erwiesen. Auch Demidovs Verhaftung fällt in diese Zeit, ebenso wie die des Politikers und Journalisten Karl Radek, dessen Schicksal Kern eines sarkastischen Witzes zwischen den beiden Leitern des Gefängnisses ist, in dem die erste Hälfte des Films spielt. Zuvor habe Radek, sagt der stellvertretende Leiter lachend, im Gefängnis gewartet, während später das Gefängnis auf ihn wartete.

Unterdessen wartet der junge Staatsanwalt darauf, endlich zu dem Schreiber des Briefes vorgelassen zu werden, der um seinen Besuch gebeten hat. Sergei Loznitsa stellt den Terror als kafkaeske Situation dar, die viel gemein hat mit der Ausgangssituation der Parabel „Vor dem Gesetz“ in Der Prozess oder mit Kafkas Roman Das Schloss. Konyev meint, mit der Überwindung dieses einen Wächters habe er sein Ziel erreicht – dabei fängt seine Reise ins Innere des Machtapparats, seiner Grausamkeit und Bürokratie, gerade erst an. Legt man sich mit dem System an oder vermutet das System einen Gegner, kommt man unter die Räder oder wird weggesperrt.

Auf die Ordnung!

Zwei Staatsanwälte stellt Gericht und Gefängnis als zentrale Organe einer Ordnung dar. Interessant ist bei der Inszenierung, welche Ähnlichkeit beide Institutionen miteinander haben – auch wenn das Gericht naturgemäß heller und sauberer erscheint. Als Konyev sich auf den Weg macht, seine Angelegenheit bei höchster Stelle vorzutragen, trifft er auf einen Mann, der sichtlich verwirrt nach dem Ausgang fragt. Dankbar für die Instruktionen seines Gegenübers macht er sich sogleich auf den Weg nach unten, wo er ihn zu finden hofft. Innerhalb der realistischen Inszenierung Loznitsas sind solche absurden Episoden – wie die im Gerichtsgebäude oder die Unterhaltung im Zug nach Moskau – Teil des Alltags in einem System, das seine Bürger zu Gefangenen macht. Die Gefahr, zum Opfer des Apparats zu werden, ist allgegenwärtig und eine ernsthafte Bedrohung für jeden, der noch an Ideale wie Wahrheit und Gerechtigkeit glaubt.

Aleksandr Kuznetsov als Konyev ist aber nicht nur interessant wegen des Idealismus seiner Figur. Der Gefängnisdirektor vermutet, vor ihm stehe ein weiterer Emporkömmling und Karrierist, der lediglich darauf wartet, gefördert zu werden. Konyev ist eine Anomalie, wie ihm mehrfach deutlich gemacht wird – oder vielmehr ein Blinder unter Sehenden, da er die Gitterstäbe vor seinen Augen nicht bemerkt.

Credits

OT: „Deux procureurs“
IT: „Two Prosecutors“
Land: Frankreich, Deutschland, Niederlande, Lettland, Rumänien, Litauen
Jahr: 2025
Regie: Sergei Loznitsa
Drehbuch: Sergei Loznitsa
Vorlage: Georgy Demidov
Musik: Christian Verbeek
Kamera: Oleg Mutu
Besetzung: Aleksandr Kuznetsov, Aleksandr Filippenko, Anatoliy Beliy, Andris Keišs, Vytautas Kaniušonis, Valentin Novopolskij

Bilder

Trailer

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Zwei Staatsanwälte
fazit
„Zwei Staatsanwälte“ ist ein Drama über die Repression eines mächtigen Machtapparats. Sergei Loznitsa zeigt die Absurdität sowie die Gewalt eines Systems, das jeglichen Widerspruch im Keim erstickt und seine Bürger zu ideologischen Erfüllungsgehilfen degradiert. Es ist ein bedrückender, oft erschreckender Film, der wie ein Spiegelbild des politischen Systems Russlands von heute wirkt.
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