Mutter Teresa ist natürlich den meisten ein Begriff. Schließlich war die Geistliche schon zu Lebzeiten ein Mythos. Aber wer war der Mensch hinter dem Heiligenschein? Teresa – Ein Leben zwischen Licht und Schatten (Kinostart: 4. Dezember 2025) geht dieser Frage nach und erzählt von der Zeit, bevor die Protagonistin ihr Kloster verlässt, um einen eigenen Orden zu gründen. Das stellt sich als schwieriger heraus als gedacht, als Teresa feststellt, dass Schwester Agnieszka (Sylvia Hoeks) schwanger ist. Und die hätte eigentlich ihre Nachfolgerin sein sollen. Was also tun? Wir haben uns im Rahmen des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg 2025 mit Regisseurin und Co-Autorin Teona Strugar Mitevska unterhalten. Im Interview spricht sie über die Arbeit an dem Drama, die widersprüchliche Protagonistin und ein Leben mit Religion.
Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte des Films verraten? Wie bist du auf die Idee für Teresa gekommen?
Das Projekt ist mir mehr oder weniger in den Schoß gefallen. Ich wurde gefragt, ob ich nicht eine Dokumentation fürs Fernsehen machen möchte. Darin sollte es um das Verhältnis zwischen Mutter Teresa und Frauen von heute gehen. Darum, was es heißt, im religiösen Umfeld eine Frau zu sein, zum Beispiel in der katholischen Kirche. Diese Dokumentation wurde dann die Grundlage für meinen eigenen Film. Ich wollte schon immer ein Historiendrama über eine Frau machen. Dass es am Ende Mutter Teresa wurde, war Zufall, weil man mir das Thema angeboten hatte.
Wie sahen deine Recherchen aus? Wonach hast du gesucht?
Wir sind nach Kalkutta gefahren und haben uns bei den Missionarinnen der Nächstenliebe umgeschaut. Wir haben auch mit den fünf Schwestern gesprochen, die sie kannten. Das war am Anfang alles. Die Geschichten, die sie erzählt haben, waren so lebendig und voller Details. Sie zeichneten ein sehr menschliches Bild von dieser Heiligen. Sie war gleichzeitig sehr zerbrechlich und stark, voller Widersprüche. Das war für mich so faszinierend und spannend, dass ich immer tiefer gegraben habe. Ich habe viel gelesen, sowohl über sie wie auch von ihr selbst. In ihrem Tagebuch hat sie über ihre Eitelkeit und ihre Mission geschrieben. Auf diese Weise setzte sich mit der Zeit ein Bild zusammen, wer sie gewesen ist.
Teresa wurde sehr alt. Es gab also sehr viel, was du über ihr Leben hättest erzählen können. Warum hast du dich für diese sieben Tage entschieden?
Ich glaube nicht, dass ich ein langes Biopic hätte machen können, in dem ich über ihr ganzes Leben spreche. Das hätte mich auch gar nicht interessiert. Kino ist eine Kunstform, die Erfahrungen vermitteln und Gefühle wecken soll. Die etwas zum Leben erweckt und uns fliegen lässt. Ein klassisches Biopic ist nicht mehr als eine Beschreibung. Wenn du etwas über das Leben von Mutter Teresa erfahren möchtest, liest du ein Buch oder gehst auf Wikipedia. Dort findest du alle Informationen. Beim Kino geht es aber nicht um Informationen. Das heißt nicht, dass Filme nicht auch informativ sein können. Dass ich diesen Zeitraum ausgesucht habe, kurz bevor sie ihren eigenen Orden gründet, liegt daran, dass es ein Wendepunkt war in ihrem Leben. Das war der dramaturgisch spannendste Teil, weil auch nicht klar war, wie das enden würde. Wir haben dann alle Themen in diese sieben Tage gesteckt. Ein anderer Grund, warum ich diese Zeit gewählt habe, sind die vielen Kontroversen rund um ihre spätere Arbeit. Die wollte ich vermeiden. Das hat mich gar nicht interessiert. Ich wollte wissen, wer sie war, bevor sie zu Mutter Teresa wurde.
Ein Punkt, den du in dem Film ansprichst, ist ihre Widersprüchlichkeit im Hinblick auf die Rollen von Frauen. Auf der einen Seite musste sie sich in einer Welt durchsetzen, die von Männern dominiert war. Gleichzeitig hat sie aber auch ungefragt die Regeln übernommen, die Männer aufgestellt haben, gerade auch im Hinblick auf Frauen. Würdest du sie als Feministin bezeichnen?
Für mich ist sie das, ja. Natürlich müssen wir bei der Betrachtung berücksichtigen, dass sie eine Nonne war, die vor fast hundert Jahren gelebt hat. Aber selbst, wenn sie heute leben würde, wäre sie wahrscheinlich gegen Abtreibungen gewesen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch eine Feministin sein kann. Diese beiden Punkte müssen sich nicht widersprechen. Sie war einfach ein sehr komplexer Charakter. Deswegen haben wir das Drehbuch so konstruiert, um diese ganzen Themen einbauen zu können. Es geht um ihre Zweifel, um Gott, ihre Eitelkeit, Ambitionen, Mutterschaft und Liebe. Agnieszka spricht auch über diese Themen und wir nutzen sie, um unsere heutige Sichtweise zu veranschaulichen, als Kontrast. Ich konnte Teresas Einstellung zu Abtreibungen nicht unkommentiert lassen.
Du hast in Gott existiert, ihr Name ist Petrunya auch schon von einer Frau erzählt, die mit den Regeln innerhalb der Religion zu kämpfen hat. Ganz generell: Geben einem diese Regeln Halt und sind damit notwendig oder stellen sie ein Gefängnis dar?
Grundsätzlich finde ich es schon wichtig, dass es Regeln gibt. Gesellschaften leben davon, dass wir einander respektieren und miteinander auskommen. Regeln können dabei helfen. Warum es aber Regeln gibt, nach denen Frauen nicht gleichberechtigt sind, verstehe ich nicht. Ich finde es großartig, wie viel sich in der Hinsicht bei der protestantischen Kirche getan hat. Ich selbst bin orthodox. Und dort tut sich wirklich gar nichts. Dort ist man noch traditioneller als in der katholischen Kirche. Religionen als solche sind für mich kein Problem. Ich glaube, dass Menschen an etwas glauben müssen. Das muss dann nicht zwangsläufig eine Religion sein. Du kannst auch an die Menschheit glauben oder die Familie. Schwierig wird es, wenn dieser Glaube mit Strukturen verbunden ist, der die Menschen zu Gefangenen macht – egal ob nun Männer oder Frauen. In The Happiest Man in the World habe ich von einem Mann erzählt, der in den Macho-Geschlechterbildern des Balkans gefangen ist.
Vielen Dank für das Interview!
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