
Anfang des 19. Jahrhunderts ist Europa vom Krieg geprägt. Der französische Imperialist Napoleon Bonaparte (Herbert Lom) ist fest entschlossen, die ganze Welt zu seinem Reich zu machen. Bislang ist Russland von den Expansionsplänen verschont geblieben, doch in der Oberschicht wächst die Nervosität. Für Andrei Bolkonski (Mel Ferrer) bedeutet dies jedoch ein Weg, sich zu beweisen. Als Offizier zieht er mit der russischen Armee nach Österreich, um sich den Franzosen entgegenzustellen. Seinem pazifistischen Freund Pierre Besuchow (Henry Fonda) fehlt bislang noch eine vergleichbare Aufgabe, er verbringt seine Zeit mit Glücksspiel und Alkohol. Dabei verkehrt er viel mit der Familie Rostow und pflegt vor allem mit der jüngsten Tochter Natascha (Audrey Hepburn) eine enge Freundschaft …
Starbesetzte Literaturverfilmung
Auch wenn Leo Tolstoi im Laufe seiner langen Karriere Dutzende von Büchern geschrieben hat, wird der russische Schriftsteller doch oft auf zwei Schlüsselwerke reduziert. Neben dem ab 1875 veröffentlichten Anna Karenina über eine verheiratete Frau, die sich in eine Affäre stürzt, ist es vor allem Krieg und Frieden, das den Ruhm des Autors begründet. Der 1868 veröffentlichte Roman hat mit seiner Mischung aus militärischen Beschreibungen und dem Porträt des Adels zur Zeit der Napoleon-Kriege Literaturgeschichte geschrieben. Immer wieder wurde diese adaptiert, etwa 1966 unter der Regie von Sergei Bondartschuk. Während dieses Werk als die aufwändigste und wohl auch beste Verfilmung gilt, ist die zehn Jahre zuvor veröffentlichte Version sicherlich die bekannteste. Nicht zuletzt wegen der prominenten US-Besetzung.
Dabei kann man sich darüber streiten, ob man sich mit dieser einen Gefallen getan hatte. So war schon damals umstritten, dass Henry Fonda die Rolle des Pierres übernahm. Nicht nur, dass der Schauspieler damals bereits die fünfzig überschritten hatte, während die Figur aus dem Roman zwanzig war. Die romantisch angedachten Szenen mit der halb so alten Audrey Hepburn wirken dadurch auch etwas verstörend. Aber auch die Hauptdarstellerin hinterlässt nicht den besten Eindruck. Es gelingt ihr nicht, der Figur Tiefe zu gehen. Natascha ist nicht mehr als ein schmachtendes Kind, das auf den ersten Blick die große Liebe zu sehen glaubt. Krieg und Frieden macht sich an einer Stelle auch darüber lustig, wie sie alles für Anatol Kuragin (Vittorio Gassman) aufgeben will, den sie gerade mal dreimal gesehen hat. Wirklich überzeugend ist das nicht. Zwar wird auf den letzten Metern ihr noch eine weitere Charaktereigenschaft zugestanden. Die kommt aber zu plötzlich.
Zu kurz gedacht
Wobei das auch ein Problem des Umfangs ist. Tolstoi hat nun einmal ein monumentales Werk vorgelegt, das entsprechend viel Raum braucht, um seine Geschichte zu erzählen. Nicht ohne Grund waren die meisten Adaption Serien. Die oben genannte von 1966 war zwar ein Film, jedoch einer mit einer Laufzeit von mehr als sieben Stunden. Regisseur und Co-Autor King Vidor (Mit stahlharter Faust) hat hier nur die Hälfte zur Verfügung, weshalb viele Schritte sehr kurz ausfallen mussten. Entwicklungen können da schon mal sehr spontan auftreten. Außerdem fallen die gesellschaftlichen und historischen Umstände kürzer aus, als es im Roman der Fall war. Wo Krieg und Frieden in geschriebener Form noch in erster Linie ein Zeitporträt war, rückt dies hier in den Hintergrund, während es vordergründig um Liebe und Leidenschaft geht.
Wobei es auch in der Fassung genug Sehenswertes gibt. Ob es die Sinnsuche des unehelichen Sohns Pierre ist oder auch Andreis Wunsch, sich zu beweisen und dem erstickenden Leben in Moskau zu entkommen, das ist durchaus interessant. Vor allem aber das letzte Drittel ist sehenswert, wenn sich die Ereignisse überschlagen. Nicht nur, dass Krieg und Frieden dann eine beeindruckende Massenschlacht zeigt, bei der wirklich an verschiedensten Stellen etwas geschieht. Es gelingt in diesem Abschnitt auch besser, die persönlichen Geschichten mit dem historischen Drumherum zu verbinden, Einzelschicksale inmitten großer Umwälzungen zu zeigen. Insofern ist der Film für sich genommen durchaus einen Blick wert, selbst wenn er gemessen an den Möglichkeiten etwas enttäuschend ist.
OT: „War and Peace“
Land: Italien, USA
Jahr: 1956
Regie: King Vidor
Drehbuch: Bridget Boland, Robert Westerby, King Vidor, Mario Camerini, Ennio de Concini, Ivo Perilli
Vorlage: Lew Tolstoi
Musik: Nino Rota
Kamera: Jack Cardiff, Aldo Tonti
Besetzung: Audrey Hepburn, Henry Fonda, Mel Ferrer, Vittorio Gassman, Anita Ekberg, Herbert Lom
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