Jetzt. Wohin. - Meine Reise mit Robert Habeck
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Jetzt. Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck

„Jetzt. Wohin. Meine Reise mit Robert Habeck“ // Deutschland-Start: 7. Dezember 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Lars Jessen hat sich bislang als Chronist des norddeutschen Milieus im Spielfilm einen Namen gemacht – mit Arbeiten wie Dorfpunks oder Mittagsstunde. Nun legt er mit Jetzt. Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck seinen ersten Dokumentarfilm vor. Dass dieser kein neutraler Blick von außen ist, macht Jessen gleich zu Beginn unverblümt klar: Er ist nicht nur Regisseur, sondern Freund des Porträtierten. Beide stammen aus Kiel, kennen sich seit einigen Jahren. Und als im Februar 2025 vorgezogene Bundestagswahlen anstanden, holte Habeck ihn ins Wahlkampfteam – verantwortlich für die digitale Kommunikationsstrategie. „Mich kennt niemand, aber ich kenne alle“, sagt Jessen über sich selbst, halb augenzwinkernd, halb als Selbstbeschreibung seines Netzwerker-Daseins. Dass er bei dieser Gelegenheit auch seine Kamera mitnahm, wirkt im Nachhinein weniger wie ein Zufall als wie eine stille Verabredung mit der Geschichte. Nur blieb die aus. Die Grünen verloren, Habeck wurde nicht Kanzler. Aus der mutmaßlich angedachten Heldenerzählung wurde eine filmische Spurensuche nach den Gründen des Scheiterns.

Portrait und Wahlkampfbeobachtung

Zunächst ist Jessens Film vieles zugleich: Porträtfilm, Wahlkampfbeobachtung, politisches Tagebuch und zunehmend auch Selbstbefragung des Regisseurs. Der Film zeichnet Habecks Werdegang nach – vom Kieler Schüler über den Landespolitiker in Schleswig-Holstein bis zum Bundeswirtschaftsminister. Weggefährten kommen zu Wort, ebenso er selbst. Doch als klassisches Porträt bleibt der Film erstaunlich blass. Wer Habecks politische Biografie bereits kennt, erfährt wenig Neues; wer sie nicht kennt, bekommt vor allem ein freundschaftlich gerahmtes Schlaglicht, keine tiefergehende Analyse.

Stärker ist der Film dort, wo er den Wahlkampf unmittelbar beobachtet: Ausschnitte aus Wahlwerbespots, Talkshow-Auftritte, große Hallen, jubelnde Anhänger – und schließlich die Wahlnacht. In diesen Momenten gelingt Jessen, was Dokumentarfilm kann: Nähe herstellen, Spannung konservieren, Atmosphäre verdichten. Die Sequenzen rund um die Verkündung der Ergebnisse, die sichtbar werdende Nervosität, das Warten, das Hoffen – das sind die intensivsten Szenen des Films. Hier ist der Film am nächsten dran an einem politischen Zeitdokument.

Selbstbefragung des Regisseurs

Der Titel Jetzt. Wohin. verweist auf ein Heinrich-Heine-Gedicht und auf eine Schuljahresschrift, die Robert Habeck einst mit verantwortete. Heute bekommt die Frage für ihn eine existenzielle Note: Wohin geht es nach der Niederlage, nach Habecks Rückzug aus der Tagespolitik? Doch diese offene Zukunftsfrage wird im Film zunehmend überlagert von einer anderen: Warum hat es nicht gereicht? Jessen formuliert früh sein eigenes Selbstverständnis – „wir sind doch die Guten“. Umso größer ist sein Bedürfnis, das Scheitern zu verstehen. Seine Erklärungsversuche richten den Blick auf die thematische Verschiebung des Wahlkampfs: Migration und Sicherheit hätten alles überlagert, das Thema Klimakatastrophe – für ihn zentral – sei marginalisiert worden. In diesem Zusammenhang zeigt der Film auch gezielt Material politischer Gegner, um zu illustrieren, wie Habeck diskreditiert worden sei.

Doch bei aller Ehrlichkeit über seine eigene Position bleibt Jessen genau darin gefangen: in der eigenen Perspektive. Zwar spricht er mit Datenanalysten und Neurowissenschaftlerinnen über digitale Aufmerksamkeit, über Algorithmen, über gescheiterte Reichweitenstrategien. Ein Schlüsselsatz fällt, als Jessen über den Online-Erfolg der Linkspartei und von Heidi Reichinnek sagt: „Die haben genau das gemacht, was wir uns vorgenommen haben.“ Die Grünen, so das Eingeständnis, seien nicht aus ihrer eigenen Bubble herausgekommen.

Gefangen in der eigenen Bubble

Ironischerweise gilt das auch für Jessens Film selbst. Seine Gesprächspartner stammen fast ausschließlich aus dem progressiven Spektrum: Marina Weisband, Jan „Monchi“ Gorkow von Feine Sahne Fischfilet, Maja Göpel, Luisa Neubauer. Das sind keine unkritischen Stimmen – ihre Einwürfe sind teilweise die schärfsten im ganzen Film. Und doch bleiben sie innerhalb desselben politischen Resonanzraums. Eine wirkliche Konfrontation mit konträren Denkweisen, mit anderen Lebensrealitäten, mit Wählern jenseits des eigenen Milieus findet nicht statt. So kreist die Analyse immer wieder um sich selbst – klug, reflektiert, aber seltsam folgenlos.

Jetzt. Wohin. bleibt daher ein ehrlicher, aber begrenzter Film. Seine größte Stärke ist die Nähe, die er herstellt – zu Robert Habeck, zur Nervosität des Wahlkampfs, zur Emotionalität der Wahlnacht. Seine größte Schwäche liegt in eben dieser Nähe: Sie verhindert Distanz, Reibung, wirkliche Öffnung. Jessen macht keinen Hehl daraus, dass er Partei ergreift. Das ist respektabel. Doch es kostet dem Film jene Schärfe, die aus einer persönlichen Chronik eine wirklich gesellschaftliche Erzählung hätte machen können.

Credits

OT: „Jetzt. Wohin. Meine Reise mit Robert Habeck“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Lars Jessen, Rasmus Jessen
Buch: Lars Jessen, Rasmus Jessen, Sebastian Thümler
Musik: Anna Bauer.
Kamera: Fritz Butze

Bilder

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Jetzt. Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck
fazit
“Jetzt. Wohin. - Meine Reise mit Robert Habeck” überzeugt durch Nähe, Atmosphäre und emotionale Verdichtung des Wahlkampfs, bleibt in seiner Analyse jedoch in der eigenen Perspektive gefangen. Ein ehrlicher, stellenweise eindringlicher, aber letztlich zu wenig offener Film über Niederlage, Selbstvergewisserung und politische Filterblasen.
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