
Nach einem tragischen Unfall, der das Verhältnis zwischen der jungen Rebecca (Miley Locke) und ihrem Vater Michael (Johnny Harris) schwer belastet, ziehen die beiden von England nach Israel um. Dort hat Michael ein Haus in Jerusalem geerbt. Der Neuanfang verläuft jedoch anders, als geplant, als Rebecca auf ein mysteriöses Mädchen namens Rasha (Sheherazade Makhoul Farrell) trifft, das nur von Rebecca gesehen werden kann.
Das Geisterhaus
Die Handlung beginnt mit einer nächtlichen Taxifahrt. Als das von Miley Locke gespielte Mädchen Rebecca und sein von Johnny Harris verkörperter Vater Michael zu ihrem neuen Zuhause unterwegs sind, erhält das Kinopublikum einen ersten Eindruck von der Pracht Jerusalems. Im Vorbeifahren fängt Sebastian Bocks Kamera die wunderschöne Stadtmauer ein, die auf byzantinischen und römischen Fundamenten errichtet wurde und dort seit bald 500 Jahren steht. Etwas später in der Filmhandlung entfernt sich Rebecca unerlaubt von einer Gruppe Schulkinder und erkundet die verschlungenen Wege des gemauerten Altstadt-Labyrinths auf eigene Faust. Es ist nicht die einzige Mauer, die in der Handlung eine Rolle spielt.
Deutlich später in der Filmhandlung macht sich Rebecca verbotenerweise auf den Weg ins Westjordanland. Nachdem sie den Checkpoint zu Fuß passiert hat, geht sie an der Mauer von Bethlehem entlang, die man beim besten Willen nicht schön nennen kann. Sie wurde als Teil der israelischen Sperranlagen ab dem Jahr 2002 hochgezogen. Während die Stadtmauer Jerusalems ihren historischen Zweck schon lange nicht mehr erfüllt, also keine Menschen fernhält, sondern ganz im Gegenteil Touristen anzieht, dient die Mauer in Bethlehem genau dazu: unerwünschte Menschen auszuschließen. Und Ein Haus in Jerusalem erzählt genau davon: von Mauern; den realen aus Stein und Beton und von jenen in den Köpfen.
Die Mauern in den Köpfen
Rebeccas Vater hat eine solche Mauer im Kopf. Die Trauer um seine bei einem Autounfall ums Leben gekommene Frau hat ihn blind für seine Umgebung gemacht. Er sieht weder, was seine Tochter sieht: ein geisterhaftes Mädchen, das vor Jahrzehnten in dem Haus in Jerusalem gelebt hat, bevor sie daraus vertrieben wurde, noch erkennt er, was die mysteriöse Erscheinung Rebecca und ihm sagen soll: genauer hinzusehen auf die jüngere Vergangenheit dieser Stadt und des Staates Israel. Ein Haus in Jerusalem erzählt nämlich auch von historischem Unrecht, das vielerorts bis heute zementiert ist.
Der 1985 in Palästina geborene und heute in Israel lebende Regisseur Muayad Alayan (Der Fall Sarah & Saleem) hat das Drehbuch zu seinem jüngsten Film erneut mit seinem Bruder Rami Alayan geschrieben. Das darin geschilderte Unrecht hat er nicht mit erhobenem Zeigefinger auf die Kinoleinwand übertragen. Eine übersinnliche Komponente in Form des Mädchens Rasha (Sheherazade Makhoul Farrell), das als Geist der Vergangenheit durch das ansehnliche Haus spukt, lockert das schwere Thema auf. Ein wenig erinnern die Grundkonstellation dieses Dramas und der erzählerische Kniff, ein Mädchen aus einer vergangenen Zeit als vermeintlich reale Figur in die Gegenwart zu versetzen, an Céline Sciammas Film Petite Maman (2021). Und in seinen besten Momenten reicht Ein Haus in Jerusalem tatsächlich an Sciammas zauberhafte Balance zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit heran.
OT: „A House in Jerusalem“
Land: Palästina, UK, Deutschland, Niederlande, Katar
Jahr: 2023
Regie: Muayad Alayan
Drehbuch: Rami Alayan, Muayad Alayan
Musik: Alex Simu
Kamera: Sebastian Bock
Besetzung: Johnny Harris, Miley Locke, Sheherazade Makhoul Farrell, Souad Faress, Rebecca Calder
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