
Früher einmal, da hatten der Musiker Y. (Ariel Bronz) und seine als Tänzerin arbeitende Freundin Yasmine (Efrat Dor) sicherlich künstlerische Ambitionen. Doch davon ist nicht viel geblieben, die beiden machen, was auch immer von ihnen verlangt wird, solange es nur Geld dafür gibt – sexuelle Gefälligkeiten inklusive. Als Y. den Auftrag erhält, eine neue Nationalhymne für Israel zu komponieren, welche den Gazakrieg für das stolze Vaterland glorifizieren soll, ist das daher für ihn nur ein Auftrag wie jeder andere auch. Warum sollte er das nicht tun? Doch je mehr er sich mit dem Thema befasst und je mehr er erfährt, was in dem umkämpften Gebiet vor sich geht, umso mehr kommen ihm Zweifel daran, ob das wirklich so richtig ist …
Grelle Kritik an israelischer Dekadenz
In dem rund zwei Jahre dauernden Gazakrieg sind immer wieder Filme erschienen, welche das Leid der Palästinenser zeigten oder Israel dafür kritisieren. Da war die preisgekrönte Dokumentation No Other Land, welche die Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland offen zeigte und damit für einen Eklat sorgte. Viel Aufmerksamkeit erhielt zudem das Drama Die Stimme von Hind Rajab, das mit Originalaufnahmen unterlegt erzählt, wie ein palästinensisches Mädchen in einem Auto eingeschlossen und unter Beschuss ist. Etwas weniger Aufmerksamkeit erhielt Yes, das zwischen diesen beiden Filmen erschienen ist. Doch auch das auf mehreren Festivals gezeigte Werk ist sehenswert geworden, wenn es sich auf eine nicht minder harte Weise mit dem auseinandersetzt, was in Nahost geschieht.
Die Besonderheit dabei ist, dass die Geschichte nicht von palästinensischen oder diesen nahestehenden Filmschaffenden stammt, sondern von einem Israeli. Genauer handelt es sich hierbei um den mittlerweile fünften Langfilm von Nadav Lapid (Synonymes, Aheds Knie). Das bedeutet aber nicht, dass er bei der Kritik an seinem Heimatland spart. Anders als die beiden oben genannten Werke, die dafür auf Emotionalität setzten, ist Yes grell und überzeichnet. Schon die ersten Szenen, in denen wir das Paar im Einsatz sehen, führen das Unmoralische vor Augen. Das betrifft einerseits die israelische Oberschicht, die ein Leben in Dekadenz führt, aber eben auch die beiden Hauptfiguren, die sich für keine Selbsterniedrigung zu schade sind, solange es bezahlt ist. Wobei nicht ganz eindeutig sind, ob der Film da auch die beiden verurteilt oder sie doch selbst Opfer sind.
Tiefschlag, der Eindruck hinterlässt
Das ist unterhaltsam, wenn auch nicht sonderlich tiefgründig mit der Frontalattacke auf die herrschende Klasse und den guten Geschmack. Interessanter wird es im weiteren Verlauf. Nicht nur, dass Lapid zwischendurch auch die von den Hamas begangenen Gräueltaten thematisiert, er also daran erinnert, dass die Gegenseite zu einer gleichermaßen abscheulichen Barbarei in der Lage ist. Es kommen dem Paar zudem Zweifel an der Mission. Je mehr es sich mit dem Thema beschäftigt, je mehr es über die Zustände dort hört, umso mehr dämmert es ihm, dass dieser patriotische Auftrag sogar für sie eine amoralische Nummer zu groß ist. Yes macht die beiden damit zu Identifikationsfiguren, die stellvertretend für andere Israelis erkennen müssen, dass ihre Heimat nicht das ist, wofür sie sich verkauft.
Richtig viel Raum für Ambivalenz lässt einem die Satire, die in der Quinzaine des cinéastes von Cannes 2025 Weltpremiere hatte, da zwar nicht. Die Wut und Empörung des Regisseurs geben einem den Weg schon recht deutlich vor, wenngleich sie es dabei nicht sehr eilig haben. Zweieinhalb Stunden ist als Laufzeit schon recht üppig, zumal es dabei nicht kontinuierlich vorangeht. Sehenswert ist diese bittere Odyssee aber durchaus. Das anfängliche Lachen bleibt einem bei Yes mitunter im Hals stecken, gerade auch, wenn es irgendwann richtig ans Eingemachte geht und nicht mehr das überzeichnete Milieuporträt den Ton angibt. Der Film lässt einen auf diese Weise mit den unterschiedlichsten Gefühlen zurück, Eindruck hinterlässt dieser filmische Tiefschlag auf jeden Fall.
OT: „Ken“
Land: Deutschland, Frankreich, Israel, Zypern
Jahr: 2025
Regie: Nadav Lapid
Drehbuch: Nadav Lapid
Kamera: Shai Goldman
Besetzung: Ariel Bronz, Efrat Dor, Naama Preis, Alexey Serebryakov, Sharon Alexander, Pablo Pillaud Vivien, Idit Teperson, Shira Shaish
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