Tiefwassertaucher unterm Dach

Die Mittdreißigerin Annie Breuer (Martina Ebm) lebt mit ihren beiden Kindern Tino (Leopold Pallua) und Lena (Ariana Stöckle) im obersten Stockwerk eines alten Mietshauses in der Wiener Vorstadt. Sie bemüht sich auch, eine gute Mutter für die beiden zu sein. Aufgrund ihrer psychischen Probleme klappt das aber nicht immer so wie gewollt. Die Ärztin Anoush Kamrani (Neda Rahmanian) würde sie deshalb gern stationär behandeln, was Annie aber entschieden ablehnt. Und als wäre das nicht schon kompliziert genug, taucht auch Richard Tomek (Hanno Koffler) wieder in ihrem Leben auf und möchte nun doch die Vaterrolle in Lenas Leben übernehmen, droht dafür sogar mit dem Anwalt. Dabei hat auch er genügend Probleme …

Ernst und leicht zugleich

Während man bei den anderen Wochentagen im Ersten eigentlich recht genau sagen kann, was einen erwartet, der Donnerstag und der Sonntag etwa Krimis vorbehalten ist, da gleicht der Mittwoch einer Wundertüte. Zuletzt wurde auf dem Programmplatz zur Hauptsendezeit der Öko-Thriller Verschollen gezeigt, wo ein Deutscher nach Brasilien reist, um seinen verschwundenen Sohn zu suchen. Davor lief die Krimikomödie Theken-Cowboys um drei Freunde, einen Kiosk und einen folgenreichen Tod. Jetzt folgt mit Tiefwassertaucher unterm Dach eine österreichisch-deutsche Produktion, welche ernste Themen mit einer charmanten Leichtigkeit verbindet.

Zu diesen Themen gehören Punkte, die sehr viel Identifikationsfläche bieten. Alleine zwei Kinder großziehen zu müssen, das ist immer eine Herausforderung, was sicher so manche Mutter vor dem Fernseher daheim wird bestätigen können. Erschwerend kommt bei Annie hinzu, dass sie mit psychischen Problemen zu kämpfen hat. Aber auch finanzielle Schwierigkeiten und ein Sorgerechtsstreit spielen zwischendurch eine Rolle. Womit man eben so zu kämpfen hat, während man durchs Leben geht. Tiefwassertaucher unterm Dach zeigt auf, wie schwer es manchmal sein kann und wie man ungewollt in Situationen rutscht, aus denen man so leicht nicht wieder herausfindet. Da wird der Sohn schonmal zum Ersatzvater, eben weil er es muss.

Beiläufige Menschlichkeit

Daraus hätte man ein schweres Drama machen können, vergleichbar etwa zu 22 Bahnen. Der Stoff hätte sich dafür angeboten. Doch Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning (So weit kommt’s noch, Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein) will das nicht ganz so hart angehen. Er verzichtet auch, bei aller Ernsthaftigkeit, darauf, das Publikum emotional manipulieren zu wollen. Stattdessen ist sein Film oft heiter, teils ein wenig verträumt. Es gibt auch amüsante Momente. Die großen Schenkelklopfer sollte man dabei jedoch nicht erwarten, nicht einmal dann, wenn Kekse eine unvorhergesehene Wirkung zeigen. Tiefwassertaucher unterm Dach mag es lieber ein bisschen schräg und versponnen, gerade auch bei den Nebenfiguren.

Insgesamt menschelt es sehr stark in dem Film, der 2024 auf der Diagonale Premiere feierte. Denn auch wenn die vier Leute der Kernfamilie im Mittelpunkt stehen, tauchen regelmäßig andere auf. Gerade im Wohnblock von Annie wuseln viele herum, die sich dann auf die eine oder andere Weise einbringen – manch auf überraschende Weise. Ein bisschen ist Tiefwassertaucher unterm Dach deshalb ein Wohlfühlfilm, wenn er das Humanistische betont. Hier springt immer irgendjemand ein, wenn gerade Not ist, nicht durch Zwang oder auf großes Bitten, sondern weil es irgendwie selbstverständlich ist, für andere da zu sein, wenn sie das brauchen. Dies geschieht jedoch beiläufig, ohne erhobenen Zeigefinger, was angenehm ist. Und auch die poetische Ader, wenn sich die wechselnde Wahrnehmung der Protagonistin und der beiden Kinder auf die Inszenierung niederschlagen, machen die Tragikomödie sehenswert.