
Der Schuster Julius Kraus (Josef Hader) lebt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zurückgezogen im oberbayerischen Lohfing. Als der Bürgermeister stirbt, soll Kraus ihm nachfolgen. Doch der will davon nichts wissen, Politik hat ihn nie interessiert. Stattdessen übernimmt sein Freund Silvan Heingeiger (Sigi Zimmerschied) das Amt. Während der Schuster Gefühle für dessen Tochter Elies (Verena Altenberger) hegt, macht Sohn Silvan Jr. (Frederic Linkemann) immer wieder Ärger. Beispielsweise prügelt der sich mit Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel), den er wie alle Rotgardisten hasst. Doch mit der Zeit wird auch der Hass auf Juden größer – bei ihm und im ganzen Land –, während die Lebensbedingungen hart bleiben …
Reise in die Vergangenheit
Meistens ist der Montag im ZDF ja für Krimis reserviert, damit das Publikum mit ein bisschen Nervenkitzel in die Woche starten kann. Dieses Mal schauen Genrefans zwar in die Röhre, dafür gibt es eine Alternative, die nicht minder düster ist. Basierend auf dem Roman Unruhe um einen Friedfertigen von Oskar Maria Graf nimmt uns der Zweiteiler Sturm kommt auf mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Erzählt wird von dem Leben in der bayerischen Provinz zwischen 1918, also vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zu Hitlers Machtergreifung. Ob sich der Sender an den Jahrestagen großer Ereignisse orientiert, wie es Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen über die Nürnberger Prozesse am Tag zuvor tat, ist nicht ganz klar. Die Geschichte selbst ist angesichts der derzeitigen politischen Tendenzen aber ohnehin zeitlos.
Im Mittelpunkt des Historiendramas steht dabei prinzipiell der Schuster, der eigentlich nur seine Ruhe haben will und niemandem etwas zuleide tut. Doch sein jüdisches Erbe lässt ihn zunehmend zur Zielscheibe werden, vor allem für den Sohn des Bürgermeisters. Dieser ist der klare Antagonist in Sturm kommt auf. Teilweise ist er dabei nicht mehr als ein wandelndes Klischee ohne Nuancen. Wobei zumindest zwischendurch durchschimmert, dass er gar nicht die großen faschistischen Überzeugungen mitbringt, wenn er sich von Kraus für sein Schweigen bezahlen lassen will. Geld geht dann doch über Gesinnung. An anderen Stellen hat man das Gefühl, dass es primär Macht oder eine Ego-Sache ist, da er es genießt andere zu unterdrücken und dadurch eine Bedeutung erhält, die er sonst nicht findet. Richtig ausformuliert wird das aber nicht.
Stimmungsvolles Zeit- und Gesellschaftsporträt
Aber es geht in dem Drama auch weniger um ausgefeilte Charakterisierungen, viele Figuren bleiben schemenhaft. Stattdessen geht es um ein Zeit- und Gesellschaftsporträt, welches das Leben auf dem Land während dieser Ära schildert. Die Menschen haben kaum noch zu essen, in den Städten hungern sie bereits. Aber auch in der Provinz reicht es nicht mehr für alle, weshalb die Spannungen zunehmen. Sturm kommt auf handelt eben auch davon, wie die Unzufriedenheit der Bevölkerung dazu führen kann, Feindbilder zu kultivieren. Die Analogie zu heute ist dabei kaum zu übersehen. Der Zweiteiler bleibt aber auch in der Hinsicht wortkarg, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die Geschichte früh endet. Bis zum Krieg und dem Holocaust kommen wir gar nicht, es geht lediglich um die Anfänge.
Manchen wird das zu wenig sein, gerade für ein drei Stunden dauerndes Werk. Und doch ist dieses interessant, wenn man es eben eher als eine Art Momentaufnahme sieht, weniger als Thesenfilm. Das ruhig erzählte Historiendrama, das auf dem Filmfest München 2025 Premiere hatte, gefällt durch Ausstattung, Atmosphäre und Besetzung. Sturm kommt auf ist dabei auch näher an den Menschen dran, als man es oft von solchen Rückblicken gewohnt ist. Selbst wenn bei der Figurenzeichnung etwas geknausert wurde, gibt es doch ein Zusammenspiel der unterschiedlichsten Lebensgeschichten, Schicksale und Ansichten, welches einem das Gefühl vermittelt, mitten im Dorfgeschehen zu sein. Einfache Antworten gibt es dort dann vielleicht nicht, aber doch genügend Ansätze, um selbst weiter darüber nachzudenken.
OT: „Sturm kommt auf“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2025
Regie: Matti Geschonneck
Drehbuch: Hannah Hollinger
Vorlage: Oskar Maria Graf
Musik: Boris Bojadzhiev
Kamera: Theo Bierkens
Besetzung: Josef Hader, Sigi Zimmerschied, Verena Altenberger, Frederic Linkemann, Antonia Bill, Sebastian Bezzel, Susi Stach, Helmfried von Lüttichau
Amazon (Roman „Unruhe um einen Friedfertigen“)
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