Sehnsucht in Sangerhausen
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Sehnsucht in Sangerhausen

„Sehnsucht in Sangerhausen“ // Deutschland-Start: 27. November 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

An Arbeit mangelt es Ursula (Clara Schwinning) nicht. Wenn sie nicht gerade in einem Möbelhaus putzt, jobbt sie in einem Café als Kellnerin. Nur das mit der Bezahlung klappt nicht so wirklich, das Geld reicht vorne und hinten nicht. Auch bei Neda (Maral Keshavarz) ist das Leben nicht so verlaufen, wie sie sich das erhofft hatte. Eigentlich hätte die Iranerin gern künstlerisch wertvolle Filme gedreht. In Deutschland reicht es aber nur für ein Dasein als Influencerin für Billig-Reiseangebote. Das ist mühsam, vor allem seitdem sie sich den Arm gebrochen hat. Auch Sung-Nam (Kyung-Taek Lie) hat in Deutschland eine neue Heimat gesucht und schlägt sich mit Reisetouren durchs Leben, die er und sein Wahlenkel Buk (Buksori Lie) in seinem Kleinbus anbieten …

Gewohnt anders

Sonderlich umfangreich ist die Filmografie von Julian Radlmaier bislang noch nicht. Doch der deutsch-französisch-schweizerische Regisseur und Drehbuchautor hat sich einen Namen gemacht mit eigenwilligen Komödien, in denen er die unterschiedlichsten Themen zusammenbringt. So befasste er sich in einem Abschlussfilm Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes 2017 mit Apfelernten und einem Kommunismus ohne Kommunisten und ließ einen beständig im Unklaren, ob er das gerade alles ernst meint oder das Publikum mit seinen doppelten Böden und Verweisen nur veralbert. Blutsauger triebt 2021 das Spiel mit den Metaebenen weiter, da traf dann Marxismus auf Vampire. Mit Sehnsucht in Sangerhausen legt Radlmeier nun seinen dritten Kinofilm vor und unterstreicht noch einmal seinen Ruf, wonach man bei ihm mit allen rechnen muss, nur nicht mit einem leicht verständlichen Film.

Der Filmemacher greift dabei erneut tief in die erzählerische Trickkiste und lässt dabei die Grenzen zwischen den Zeiten verschwimmen. So beginnt die Geschichte im 18. Jahrhundert mit einer Magd, die für den Dichter Novalis tätig ist, bevor sie in einer dunklen Höhle verschwindet. Der Hauptteil von Sehnsucht in Sangerhausen dreht sich aber um die oben genannten Figuren, die sich in der Gegenwart in der titelgebenden Stadt über den Weg laufen, während sie versuchen, für sich ein einigermaßen erträgliches Leben zu finden. Das hat mit dem ersten Kapitel zunächst nichts zu tun. Und doch sind die Vergangenheit und die Gegenwart miteinander verknüpft, mal auf direkte Weise, mal über Umwege – und manchmal durch Geschichten und Reliquien. Die Geister von frühen spuken herum, nicht ganz zufällig gerade auch im Kino.

Grübeln kann Spaß machen

Was genau die Aussage des Films sein soll, wird wie schon bei den ersten beiden Werken Radlmaiers nicht klar. Das heißt nicht, dass man hier gar nichts versteht oder es keine Anknüpfungspunkte gibt. Die finden sich durchaus. Da geht es mal um unerwiderte Gefühle, mal um finanzielle Nöte. Auch Rassismus und Geschlechterbilder finden ihren Weg in die nur anderthalb Stunden lange Komödie. Und eben der Gedanke, dass wir immer auch von der Vergangenheit geprägt sind, selbst wenn wir von dieser gar nichts wissen. Wer gern über Filme nachgrübelt, wird bei Sehnsucht in Sangerhausen also durchaus bedient. Wenn am Anfang darüber diskutiert wird, was die blaue Blume von Novalis bedeutet, dann ist das schon auch eine Aufforderung an das Publikum, sich an den Diskussionen zu beteiligen.

Einfach ist das aber nicht, da der Film doch zu erratisch ist. Wobei die Komödie, die beim Locarno Film Festival 2025 Premiere hatte, zumindest teilweise zugänglicher ist als die ersten beiden Filme des Regisseurs. Wenn irgendwann die Figuren zusammenfinden und sich bei der Sinnsuche gegenseitig Gesellschaft leisten, darf man zeitweilig den Eindruck haben, einen vergleichsweise normalen Streifen vor sich zu haben. Die Art Ersatzfamilie, die sich aus den gescheiterten Figuren zusammensetzt, erinnert etwa an die Geschichten von Hirokazu Koreeda. Doch wo der Japaner das Versöhnliche betont, wird es bei dem europäischen irgendwann doch wieder schräg. Ein Crowdpleaser ist Sehnsucht in Sangerhausen daher ebenfalls nicht geworden. Hat man aber den verwirrenden Einstieg hinter sich, kann man durchaus beim Grübeln Spaß haben.

Credits

OT: „Sehnsucht in Sangerhausen“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Julian Radlmaier
Drehbuch: Julian Radlmaier
Musik: Steve Hackman
Kamera: Faraz Fesharak
Besetzung: Clara Schwinning, Maral Keshavarz, Henriette Confurius, Paula Schindler, Ghazal Shojaei, Kyung-Taek Lie, Buksori Lie

Bilder

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Sehnsucht in Sangerhausen
fazit
In „Sehnsucht in Sangerhausen“ treffen mehrere Leute zusammen, die alle im Leben irgendwo gescheitert sind. Das ist wie bei den vorherigen Filmen von Julian Radlmaier verwirrend und seltsam zusammengeworfen. Die skurrile Komödie bietet aber auch viel Stoff zum Grübeln und macht zwischendurch tatsächlich Spaß.
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