Wicked Teil 2
© Universal Pictures

John Powell [Interview]

Komponist John Powell bei der Los Angeles Premiere von „Wicked (Foto: Nick Agro/ABImages)

Deutsche Version

John Powell ist ein britischer Filmkomponist. Seine Filmografie umfasst inzwischen über 70 Filme, darunter Happy Feet, Drachenzähmen leicht gemacht und zahlreiche weitere Animationsfilme. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet und bereits zweimal für den Oscar nominiert: 2011 für Drachenzähmen leicht gemacht und erneut 2025 für Wicked: Teil 1. Zum Kinostart des Nachfolgers Wicked: Teil 2 am 19. November 2025 sprechen wir mit John über seine Arbeit an beiden Filmen, die Zusammenarbeit mit Stephen Schwartz und die Herausforderungen, bereits bestehende Theatermusik für einen Film zu adaptieren.

Stephen Schwartz ist für beide Filme zurückgekehrt, um seine Originalsongs anzupassen, aber welche spezifischen Elemente der Filmmusik waren Ihre eigenen, die Sie neu erschaffen oder erweitert haben?

Stephen und ich haben uns vor jedem Film einige Zeit getroffen, bevor wir mit dem Komponieren begonnen haben, um bestimmte Arbeitsbereiche aufzuteilen. Ich wusste natürlich, dass er vollständig für die Songs verantwortlich sein würde. Aber es gab ein paar Stellen, bei denen sich das später verschoben hat, weil es so viele Verflechtungen in bestimmten Abschnitten gab, dass ich mich darum kümmern musste. Aber grundsätzlich haben wir einfach darüber gesprochen, worum es im Film geht. Stephen ist ein brillanter Komponist. Seine Melodien, seine harmonische Sprache sind außergewöhnlich. Und dann kommt noch sein Talent als Dramaturg dazu, als Geschichtenerzähler, und auch da glänzt er. Es war faszinierend, Stephens Sicht auf die Geschichte zu hören.

Bevor wir also wirklich mit John gearbeitet haben, hatten die beiden selbstverständlich lange miteinander gesprochen. Das ist ein so langer Prozess, der schon lief, bevor ich überhaupt dazukam. Ich mochte Stephens Sicht darauf, wer die Figuren sind, was sie antreibt und was er im Musical immer erreichen wollte im Vergleich zu dem, was der Film nun tut. Also sprachen wir auch viel über thematisches Material und erzählerische Motive. Wie beim ersten Film habe ich mich dann durch das komplette Material für den zweiten Film gearbeitet, auf der Suche nach Elementen seiner Themen und der musikalischen Struktur aus dem Musical: was man nutzt, warum und wo.

Aber bei diesem Film mussten wir viel mehr neues Material schreiben. Es gab Themes, die weiterentwickelt werden mussten. Es lag nicht daran, dass wir keine großartigen Themes für Glinda hatten, aber Glinda ist wirklich die treibende Kraft dieses Films. Und ihre Songs bedeuten sehr spezifische Dinge, nicht nur musikalisch, sondern auch durch ihre Texte. Deshalb besteht für John als Filmemacher die Gefahr, dass man inhaltlich stolpert, also mussten zusätzliche Melodien  geschrieben werden.

Fast alle dieser Melodien kamen aus der Perspektive von Glindas Geschichte. Was Lügen bewirken, was Täuschung mit jemandem macht, wie eine Figur erst zerbrechen muss, bevor sie sich neu aufbauen kann. Am Anfang waren Stephen und ich in einem kleinen Raum und haben versucht all das auszutüfteln. Dann ging er zurück nach New York, wo er viel mit den Songs und den Zwischenteilen zu tun hatte, und ich hatte auch jede Menge Arbeit vor mir. Nach und nach warfen wir uns Dinge hin und her, änderten unsere Vorstellungen davon, was getan werden musste und wer es tun sollte. Es war immer sehr kollaborativ. Und selbst wenn ich nicht ständig mit Stephen zusammen war, war ich doch ständig mit seiner Musik beschäftigt, suchte nach Teilen von Themes. Ich glaube, einige der neuen Melodien sind sogar aus der musikalischen Sprache entstanden, die er schon im ersten Musical festgelegt hat.

Da würde ich gerne einhaken. Wie herausfordernd ist es, auf bestehenden Themen aufzubauen, wenn man ein Bühnenstü
ck für den Film adaptiert? Macht vorhandenes Material die Arbeit leichter oder eher komplexer im Vergleich dazu, bei null anzufangen?

Die Antwort ist ja und ja. Es ist leichter, weil man diese großartigen Melodien hat, aber dann stellt sich die Frage, was man mit ihnen macht, wie man sie nutzt. Und gleichzeitig wird es dadurch komplizierter. Anfang des Jahres musste ich das bei meinem eigenen Score zu Drachenzähmen leicht gemacht tun, und das war schwer, weil es gleich sein musste, aber dennoch anders. Ich bin froh, dass ich Drachenzähmen nach dem ersten Wicked gemacht habe, denn ich habe gelernt, mutiger mit meinem eigenen Material umzugehen, weil ich auch mit Stephens Material mutig sein musste.

Ein Teil der Idee, mich ins Team zu holen, war, dass ich Melodien finden würde, die ich auch geschrieben hätte, wenn der Score nichts mit Wicked zu tun gehabt hätte. Also habe ich nach Material gesucht, das so funktioniert, wie ich einen Film normalerweise vertone. In beiden Filmen, mit so viel vorhandenem Stoff von Stephen, stand immer die Frage im Raum, wie man es nutzt.

In Teil zwei gibt es eine Szene, die mit einer Hochzeit zu tun hat. Es hat lange gedauert herauszufinden, welche Melodie wir dort verwenden. Es gab viele komplizierte Entscheidungen in beiden Filmen. Ich würde sagen, dieser Film war so komplex wie kaum einer, an dem ich gearbeitet habe. Ich erinnere mich an Happy Feet auch der war komplex. Das hier war zumindest noch komplexer als Wicked: Teil 1.

Durch den englischen Titel Wicked: For Good stellt sich ja auch die große Frage des gesamten Musicals, besonders in der zweiten Hälfte: Was ist gut? Was ist böse? Dieses Nebeneinander. Viel des musikalischen Materials wurde aus der Sprache des Songs For Good entnommen. Da steckt viel Symbolik drin, in der Harmonik, den Melodieformen, der Konstruktion. Ich habe viel in diesem Song gegraben. Viel des neuen Materials ist fast wie eine Explosion aus diesen ersten vier Noten von For Good.

Das Ganze ist Teil einer amerikanischen Musiksprache. Ich bin Europäer, ich schreibe nicht automatisch amerikanisch. Ich klinge eher englisch oder russisch. Aber hier habe ich schon beim ersten Wicked gelernt, dass es ein amerikanischer Score ist, geschrieben von einem Amerikaner aus einer amerikanischen Sprache heraus. Stephens Tonsprache erkundet Copland und Bernstein. Ich musste sicherstellen, dass ich diese Sprache abdecke, damit die Integrität des ursprünglichen Musicals erhalten bleibt. Es ist ein sehr anspruchsvoller Score. Diese offenen Quinten, die Quinten, die zu Nonen werden, für mich als Ausländer ist das Americana. Viel davon stammt daher. Aber es war nicht leicht. Ich habe sehr damit gerungen.

Sie haben die Broadway-Produktion schon angesprochen, jetzt wurde sie fürs Kino adaptiert. Können Sie den Unterschied zwischen dem Score für die Bühne und einem vollwertigen Filmscore wie hier erklären? Wie viel größer ist der orchestrale Umfang?

Es gibt zwei Dinge. Erstens: Man spielt einen Broadway-Score achtmal pro Woche. Die Anzahl der beteiligten Musiker hat also starke Auswirkungen auf die Kosten. Für einen Film wie diesen hat man eine Woche oder zehn Tage mit einem Orchester, und man macht es nur einmal. Also kann man mehr Geld dafür ausgeben. Das ist ein Teil der Ökonomie.

Aber auch die Filmsprache hat etwas Teures an sich. Filmemacher bringen das auf die Leinwand, und sie wollen, dass der Sound und die Musik das repräsentieren. Der eigentliche Unterschied aber kommt mit der Kamera. Wohin die Kamera schaut, ist eine Sprache, die nur der Film besitzt. Das gibt es auf der Bühne nicht. Dort sieht man eine Realität, während im Film eine andere Art von Realität und zugleich mehr Intimität möglich ist.

Ich glaube, deshalb hat es gut funktioniert. John Chu hat mich als jemanden ausgewählt, der sich nicht an die Bühnensprache hält, aber sehr sensibel für die Kamera ist, die er zusammen mit Alice, der Kamerafrau, erschaffen hat. Ich sagte zu Alice: Jedes Mal, wenn du die Kamera bewegst, bedeutet das etwas. Und das wirkt sich auf mich als Komponisten aus. Wie man sie bewegt, wohin, wann innerhalb einer Szene – das bestimmt der Kameramann, aber auch der Schnitt, wann ein Shot tatsächlich eingesetzt wird. Die rhythmische Sprache des Schnitts spüre ich sehr intensiv. Vieles davon ist schon im Bild angelegt, und darauf reagiere ich.

Das wäre für mich auf einer Bühne schwer umzusetzen, während Stephen Schwartz, Stephen Oremus und sein Team genau wissen, was man für die Bühne braucht. Die Scores überschneiden sich, es gibt in ein paar Momenten ähnliches Material, und einige Arrangements sind vergleichbar. Aber sie durften hier deutlich orchestraler sein. Wenn Stephen sich ein 80-köpfiges Orchester im Broadway-Graben leisten könnte, würde er das tun. Hier konnte er es ausprobieren, mit großartigen Orchestrierungen und der zusätzlichen Orchestrierungen von Jeff Atmajian, der darin ein Meister ist.

So ein gewaltiger Score in einem Theater wäre natürlich auch etwas besonderes. Als Abschluss noch eine letzte Frage: Was ist Ihr Lieblingstheme, das Sie für Wicked: Teil 2 komponiert haben? Worauf sind Sie am meisten stolz, oder was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Es gibt eine Stelle, ich weiß nicht mehr welche, mit Nessa Rose und Boq, es geht um ihre Beziehung. Dort ist es mir gelungen, meine Arbeit deutlich mehr nach Brahms und weniger nach den nordischen Komponisten klingen zu lassen. Darüber war ich ziemlich glücklich. Während ich zuhörte, dachte ich: Donnerwetter, das klingt ja fast so, als würde Brahms mir dafür eine Note 2  geben. Darauf war ich Stolz.

Vielen Dank für all Ihre Einblicke.

English version

John Powell is a British film composer whose filmography now includes more than 70 movies, among them Happy Feet, How to Train Your Dragon, and numerous other animated films. His work has earned him multiple awards and two Oscar nominations: in 2011 for How to Train Your Dragon and again in 2025 for Wicked: Part 1. With the theatrical release of its successor, Wicked: For Good, we speak with John about his work on both films, his collaboration with Stephen Schwartz, and the challenges of adapting existing theatre music for the big screen.

Stephen Schwartz returned for both films to adapt his original songs, but what specific elements of the score were yours to create or expand on?

I mean, Stephen and I met up for some time before each film, before we started scoring, to divide up certain types of work. Obviously, I knew he was going to be involved entirely in the songs. But there were a few places where it swapped later on, where there was so much interweaving in certain sections that I had to deal with those. But generally, we would just talk about what the film was about. Stephen is a brilliant composer. His tune writing, his harmonic language is extraordinary. But then you get into him as a dramaturg, a storyteller, and that’s where he also shines. It was fascinating to hear Stephen’s take on the story.

Before we really got into it with John as well, obviously they talked at length, this is such a long process that had been going on before I even got involved, I liked having Stephen’s takes on who the characters were and what they were trying to do, and what he’d always been trying to do in the musical versus what the film was doing. So we would talk about a lot of thematic material and story themes as well. As on the first film, I chewed my way through all the material for the second movie, looking for elements of his themes and score from the musical: what to use, why, and where.

But on this film, we did need to write a lot more material. There were themes that needed to be developed. It wasn’t that we didn’t have great themes for Glinda, but Glinda is really the force of this movie. And she has songs that mean very specific things, not just musically but because of their lyrics. So there’s a slight danger for John as a filmmaker that if we use themes with lyrical connections, there’s a bit of a tripwire. So some extra themes had to be written.

Almost all of them were from a perspective of this story of Glinda. What lies do, what deception does, how a character needs to break before they can rebuild. So that time at the beginning of the film was Stephen and me in a small room trying to work stuff out. Then he goes off to New York with lots to do on the songs and all the interstitial material, and I had a lot of work to start.

Gradually we would throw things across from one to the other, change our ideas of what needed to be done, who needed to do it. It was always very collaborative. And even if I wasn’t with Stephen all the time, I was always with his music, digging around for parts of themes. I think even new themes were created out of the language he established in the very first musical.

I would like to expand on that. I was wondering: How challenging is it to build on established themes while adapting a stage play for film? Does working from existing material make your job easier, or is it more complex compared to starting from scratch?

The answer is yes and yes. It’s both easier because you’ve got these great tunes, but then what do you do with them, how do you use them. And it makes it more complicated. There’s a lot to be said for starting afresh. Earlier this year I had to do this to my own score with How to Train Your Dragon, and that was hard because it needed to be the same but different. I’m glad I did Dragons after I’d done the first Wicked, because I learned to be bolder with my own material since I had to be bold with Stephen’s.

Part of the idea of having me on board was that I would go off finding the themes I would have used if it was a score with nothing to do with Wicked. I would still need themes. So I looked for material that would work the way I know how to score a film. In both films, with so much material from Stephen, the question of how to do it was always there.

One of the things we do in film number two has to do with a wedding. It took a long time to figure out which tune to use for that wedding. There were lots of complicated pieces about both situations. I’d say this film was as complicated as I’ve ever worked on. I remember Happy Feet — that was complicated. This was more complicated than Wicked one.Because they subtitled it Wicked: For Good, that is the big question of the whole musical, and especially the second half: What is good? What is wicked? This juxtaposition. A lot of the musical material was being plucked from the language of the song “For Good.” There’s lots of symbolism in the harmonic language, the melodic shapes, the construction. I went digging in that song a lot. Much of the new material is almost an explosion out of those first four notes of “For Good.”

It’s also part of an American musical language. I’m European, so I don’t naturally write very Americanly. I tend to sound more English and Russian. But on this, I learned on the first Wicked that it’s an American score, written by an American from an American language. Stephen’s language explores Copland and Bernstein. I needed to make sure I had that language covered, so the integrity of the original musical remained. It’s a sophisticated score. Those open fifths, the fifths becoming ninths, to me, as a foreigner, that is Americana. That’s where a lot of it came from. But it was not easy. I struggled a lot with it.

You already touched on the Broadway play, now adapted for film. Could you elaborate on the difference between the score of a stage play and a full cinematic score for a film like Wicked? How much larger is the orchestral scope?

There are two things. One: you have to play a Broadway score eight times a week, so the number of people you involve has a big effect on the bottom line. For a film like this, we have a week or ten days with an orchestra, and we only do it once. So we can spend more money on that. That’s part of the economics.

But also, the language of cinema has a certain expensive quality. Filmmakers are putting that on the screen, and they want the sound and music to represent that as well. But the real difference comes with the camera. Where the camera is looking is a language unique to cinema. That doesn’t happen on stage. On stage you’re seeing a reality, there’s a lack of reality compared to film, but there’s also more intimacy in cinema.

I think that’s why it worked well. John Chu cast me as somebody who didn’t abide by the language of the stage but was very sensitive to the camera he was creating with Alice, the cinematographer. I was talking to Alice about this: every time you move the camera, it means a lot. And that affects me as a composer. How you move it, where you move it, when you move it within a scene is determined by the cinematographer, and also when the shot is used by the editor. The rhythmic language of the editing is something I feel very deeply. A lot of what I react to is already there in the visual language.

That would be hard for me to know what to do on stage, whereas Stephen Schwartz and Stephen Oremus and the guys he’s worked with, they’re masters of knowing exactly what you need for the stage. The scores do overlap; there’s similar material in a few places, and some arrangements are similar. But they’ve been allowed to be more orchestral. If Stephen could afford an 80-piece orchestra in a Broadway pit, he’d do it. In this case, he got to have it, with amazing orchestrations and additional orchestrations by Jeff Atmajian, who’s a master.

Nice, you’d love to hear that grand of a score in a theatre. To
wrap things up, a more lighthearted question: Whats your favorite theme you composed for Wicked: For Good? What are you most proud of, or whats closest to your heart?

There’s one bit in a cue, I don’t know which cue it is, with Nessa Rose and Boq, about their relationship. I think it’s that cue. I managed to finally get my woodwind writing to sound much more like Brahms than Norse. I was particularly pleased with that. I was listening as they were playing and thinking, “Good heavens, that almost sounds like Brahms would give me a sort of B for that.”

That you so much for all your insights.



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