Was wäre, wenn alle unsere Wünsche wahr werden? In Das Leben der Wünsche geschieht das tatsächlich: Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Glavinic erzählt das Fantasydrama von Felix (Matthias Schweighöfer), dem es eigentlich an nichts fehlt, der aber doch mit allem unzufrieden ist. Die Ehe läuft nicht so wirklich, bei der Arbeit fühlt er sich nicht wert geschätzt. Und dass man ihn beim Coffee Shop immer fälschlicherweise Niemand nennt, nagt ebenfalls an ihm. Als er einen mysteriösen Fremden (Henry Hübchen) trifft, der einem Wünsche erfüllen kann, meint Felix, das Glück gefunden zu haben. Ganz so einfach ist das dann aber doch nicht. Wir haben uns zum Kinostart am 13. November 2025 mit Regisseur und Co-Autor Erik Schmitt getroffen. Im Interview spricht er über falsche Wünsche, die Suche nach einem persönlichen Sinn und das Arbeiten mit einer fremden Geschichte.
Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Das Leben der Wünsche erzählen? Wir ist es zu dem Projekt gekommen?
Matthias Schweighöfer hat mich 2019 angerufen und gefragt, ob ich den Film machen möchte. Er hat mir damals ein total wahnsinniges Drehbuch geschickt. Matthias war voller Energie und so mitreißend. Er hatte vorher Cleo gesehen und wollte etwas ganz Neues machen. Man hatte mir damals mehrere Projekte angeboten. Aber das war das Angebot, wofür mein Herz auf Anhieb am meisten geschlagen hat. Mich hat sofort fasziniert, dass die Geschichte etwas zutiefst Menschliches erzählt – über Sehnsucht, Schuld und Selbsttäuschung – und trotzdem so verspielt und surreal ist. Obwohl – oder gerade weil – das Drehbuch erstmal ebenso unverfilmbar klang wie der Roman, auf dem es basierte und den ich erst danach gelesen habe.
2019 ist aber schon eine Weile her. Warum hat es so lang gedauert?
Zuerst kam uns Corona dazwischen. Danach ging es mit einer anderen Konstellation weiter, wir haben neue Leute dazugeholt. Aber auch das Drehbuch hat sich noch einmal sehr gewandelt. Wir haben lange nach einem Weg gesucht, wie wir diese Geschichte erzählen können. Irgendwann hatten Friedemann Karig und ich aber eine Drehbuchfassung, mit der alle happy waren.
Was hat sich denn in dem Drehbuch geändert seit der ersten Fassung?
Die erste war schon sehr dunkel und sehr böse. Da ging es viel um Tod und Verletzte. Der Roman war auch sehr dunkel und für mich wie gesagt unverfilmbar, weil er hauptsächlich aus inneren Monologen besteht und keine standardisierte Handlungsstruktur hat, die du beim Kino dann doch brauchst. Ich wollte aber nicht nur Düsternis zeigen, sondern auch, dass in diesen dunklen Themen oft etwas zutiefst Menschliches und sogar Humorvolles steckt. Das war für uns der einzige Weg voranzukommen.
Kann man dem deutschen Publikum keine dunklen Stoffe zumuten?
Das hängt davon ab, wen und wie viele Leute du erreichen willst. Ich persönlich habe schon einen klaren Hang dazu. Natürlich habe ich auch meine Grenzen, aber persönlich sehe ich schon gern düstere Filme. Aber in Deutschland ist das tatsächlich schwierig. Wobei natürlich immer die Frage ist, woran das liegt. Lehnt das deutsche Publikum solche düsteren Sachen ab? Das würde erklären, warum so viele tolle Projekte gefloppt sind in den letzten Jahren. Oder muten wir ihnen zu wenig zu und bringen sie so nicht dazu, dass sie solche Filme überhaupt erst entdecken? Mir ist es grundsächlich wichtig, dass wir in Deutschland lernen, mehr Risiken einzugehen – als Publikum und als Filmschaffende.
Wie war es für dich überhaupt, mit einem bestehenden Stoff zu arbeiten, anstatt einen eigenen zu entwickeln?
Es war nicht so, als hätte ich da ein fertiges Projekt, in das ich nur noch ein paar schöne Sätze und visuelle Ideen einbaue. Klar, ich hatte da immer dieses Grundgerüst von dem faustischen Thema, auf dem ich aufbauen konnte. Das war für mich auch sehr wichtig. Wir brauchen einen neuen Faust für die heutigen seltsamen Zeiten, die wir gerade durchleben und in denen wir alles haben, dabei aber so unzufrieden sind. Wir erzählen von einem Egozentriker, der in seinem Selbstmitleid gefangen ist und erst durch die Wunscherfüllung erkennt, wie armselig er selbst ist. Das war das Grundmotiv, das fest war und das mich auch immer an dem Projekt interessiert hat. Bis daraus aber etwas wurde, mit dem wir arbeiten können, das war fast schwieriger, als etwas Eigenes zu erfinden. Manchmal war es wie ein Dialog mit dem Roman – ich habe versucht, seine Essenz zu hören, ohne ihr sklavisch zu folgen.
Dann kommen wir auf das Thema Wünsche. In deinem Film ist es so, dass das mit dem Wünschen nicht gut ausgeht. Dabei ist es aber so, dass wir alle irgendwelche Wünsche in uns tragen. Ist das verkehrt?
Nein, überhaupt nicht! Wir müssen nur, glaube ich, wieder lernen, richtig zu wünschen. In einer Zeit, in der wir ständig bekommen, was wir wollen, verlieren wir oft den Kontakt zu dem, was wir wirklich brauchen. Wir wünschen uns oft materielle Sachen, von denen wir uns Glück erhoffen. Wir glauben dann vielleicht, dass unser Leben besser wäre, wenn wir nur den beheizten Außenpool neben unserem Haus hätten. Im besten Fall kriegen wir diese Sache vielleicht auch, nur um dann festzustellen, dass wir nicht glücklicher geworden sind. Das ist, denke ich, eine Erfahrung, die viele von uns gemacht haben. Ich glaube, dass wir lernen müssen zu erkennen, was hinter diesen Wünschen steht. Oft geht es gar nicht um die Sache an sich, sondern ein Gefühl, das wir damit verbinden. Unsere Wünsche sollten uns dabei helfen, zu diesen Gefühlen zu kommen. Das bringt uns dann vielleicht nicht das Glück. Glück ist so kompliziert und so flüchtig. Das ist wie ein Stück Seife, das dir durch die Finger rutscht. Aber was wir finden können, ist ein gewisser innerer Frieden. Und ich glaube, dass Wünsche dabei helfen können.
Aber wenn du selbst einen Wunsch frei hättest wie dein Protagonist, welcher wäre das? Oder hast du keine Wünsche?
Oh doch, sehr viele sogar! Natürlich habe ich auch über diese Frage sehr viel nachgedacht. Aber auch wenn sich das jetzt vielleicht komisch anhört, komme ich immer zu der Antwort zurück: dass alles so ist, wie es ist, und dass ich es so akzeptieren kann. Das ist vermutlich das größte Glück, dass du als Mensch erreichen kannst. Ich fühle mich sehr wohl damit, wie es ist, und mit meinem Umfeld. Und ich hoffe, dass ich das auch weiterhin sehen kann, ohne dass mir eine Unzufriedenheit dazwischenkommt. Denn die hindert dich oft daran, das Leben zu führen, das du leben kannst. Das heißt aber nicht, dass du keine Ziele haben sollst und dich mit allem abfindest. Ehrgeiz kann sehr schön sein, wenn er dir dabei hilft, einen Sinn in deinem Leben zu finden und in dem, was du tust. Oft besteht dieser Sinn darin, etwas zurückzugeben und deinem Umfeld weiter zu helfen.
Was erfüllt dich mit Sinn beim Filmemachen?
Meinen Sinn sehe ich darin, anderen Menschen einen neuen Blickwinkel zu geben. Ich glaube, das hängt auch mit meiner eigenen Suche zusammen – Filme helfen mir, die Welt zu verstehen, genauso wie ich hoffe, dass sie anderen helfen. Ich bin ein Freund von visueller Kunst und mag es, wenn uns Perspektivenspiele kurz aus dem Alltag reißen. Kunst kann dir dabei helfen, Probleme mal ganz anders zu betrachten und eine neue Sicht auf die Welt zu geben. Kino kann in diesem Bereich eine ganz tiefe Kraft entfalten. Nach einem guten Kinofilm kann die Welt poetischer sein oder verständlicher, ergibt vielleicht ein bisschen mehr Sinn. Das ist es, was mich interessiert und was ich sehr gerne mache.
Es gibt aber auch Leute, die nicht ins Kino gehen, um die Welt anders zu sehen, sondern um die Welt zu vergessen.
Natürlich, die gibt es auch. Es ist auch nicht verkehrt, sich einen Film anzuschauen, um sich ablenken zu lassen oder herzhaft zu lachen. Das ist alles möglich und hat seine Berechtigung. Wenn du einen Film lustig findest und er dir etwas bringt, dann ist das etwas Gutes. Auch ein Unterhaltungsfilm kann einen Menschen prägen und verändern und ihn vielleicht kurz aus seinen schwarzen Gedanken rausreißen. Das alles kann Kino. Filme können uns auch etwas zeigen, das wir so nicht kannten. Auch wenn es manchmal weh tut: Wir haben damals „Schindlers Liste“ in der Schule gesehen. Das war schon hart. Aber es war ein besonderer Film, der uns alle erreicht hat und etwas mit uns gemacht hat. Ich denke, dass es wichtig ist für die Gesellschaft, in einem dunklen Raum zusammenzukommen und sich mit anderen fremden Menschen auf eine Reise zu begeben, mit ihnen zu lachen oder zu weinen. Oder auch mal zu denken: What the fuck ist das hier?
Neben dem Wunschmotiv und der Unzufriedenheit sprichst du in deinem Film eine Reihe weiterer Themen an. Eines ist der Konkurrenzkampf zwischen dem Protagonisten und seiner Kollegin. Den will er so ja eigentlich gar nicht. Aber lässt sich das verhindern, dass wir in Konkurrenz zu jemandem stehen? Bei euch ist es ja auch so: Das Geld, das ihr für euren Film bekommt, fehlt dann anderen. Wer sich Das Leben der Wünsche im Kino anschaut, entscheidet sich damit auch gegen einen anderen.
Nein, das lässt sich nicht immer verhindern. Aber das muss es vielleicht auch nicht. Ich denke da zugegebenermaßen nicht viel drüber nach, weil einen das nur wahnsinnig macht und meiner Meinung nach zu nichts Gutem führt. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit und will mich mit den Themen und mit mir selbst auseinandersetzen, ohne darüber nachzudenken, was andere machen. Das ist schon Arbeit genug. Grundsätzlich finde ich es richtig, dass wenn du einen Film machen willst, andere erst davon überzeugen musst, dir dafür Geld zu geben. Ob das Ergebnis am Ende dann auch gerecht ist, darüber lässt sich natürlich streiten.
Verbunden wird das Thema bei euch mit der Geschlechterfrage, weil Jill sich darüber beklagt, als Frau mehr tun zu müssen, um beachtet zu werden. Ist das etwas, worüber du als Filmemacher nachdenkst? Schließlich gibt es gerade im Bereich Film viele Frauen, die sich benachteiligt fühlen.
Dass sie nach wie vor benachteiligt sind, ist schon eine Beobachtung, die ich immer wieder mache und die ich auch einfließen lassen wollte. Im Grunde gehe ich mit meinem Film dem mittelalten, weißen Mann in der Midlife Crisis an den Kragen. Du hast da so viele, die unzufrieden sind. Und wenn sie sehen, dass eine Frau einen Posten bekommt, beschweren sie sich, dass das nur wegen irgendwelcher Quoten ist. Aber das stimmt nicht. Viele Frauen müssen leider noch immer härter arbeiten, um in gleiche Position zu kommen.
Felix lernt in der Hinsicht, aber auch allgemein im Laufe des Films einiges dazu, über sich und seine Situation. Hast du selbst durch diesen Film etwas über dich gelernt?
Ich musste erst einmal dort ankommen anzuerkennen, dass dieser Protagonist etwas mit mir zu tun hat. Mich mit dem Motiv des unzufriedenen, mittelalten, weißen Mannes auseinanderzusetzen und in die Tiefe zu gehen, war gar nicht so leicht, weil ich mich selbst gar nicht so sehe. Wer will das schon? Aber deswegen war es auch wichtig, dass ich das tue. Da ist nicht nur die Sache mit dem Älterwerden. Ich bin außerdem in den 80ern aufgewachsen. Damals hatten wir noch das Gefühl, dass alles besser wird. Die Zukunft war damals etwas ganz Tolles. Und jetzt leben wir in einer Zeit, die irgendwie blöd ist und in der sich alles unsicher anfühlt, wir so viele Probleme haben und Konstanten wackeln. Dinge, von denen wir uns sicher waren, dass sie keine Rolle mehr spielen würden, werden einfach nur noch größer. Wer hätte gedacht, dass wir uns irgendwann wieder über unsere Demokratie Sorgen machen müssten? Und dass das so ratzfatz geht? Dieses Grundgefühl wollte ich in dem Film drin haben und habe so auch ganz viel von mir selbst reingesteckt.
Und jetzt, wo das alles abgeschlossen ist, wie geht es bei dir weiter? Hast du schon nächste Projekte?
Ich habe angefangen, ein neues Projekt zu schreiben, ein eigenes Projekt. Ich habe aber auch Angebote bekommen und werde das jetzt alles mal sortieren. Ich hätte wahnsinnig Lust schnell zu drehen, weil dafür mein Herz brennt, und ich sehr motiviert bin – gerade auch weil Das Leben der Wünsche viel Zeit in Anspruch genommen hat. Aber ich lasse das jetzt erst einmal auf mich zukommen. Um es in einen Wunsch zu formulieren: Ich wünsche mir, dass das nächste Projekt wieder diesen Moment hat, in dem alles plötzlich Sinn ergibt – und ich weißt: Jetzt musst ich diesen Film machen.
Vielen Dank für das Interview!
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