Basierend auf der Kinderbuchreihe von Guy Bass erzählt Alles voller Monster die Geschichte von Stichkopf, einem aus menschlichen Resten zusammengeflickten Junge, der das erste Mal das Leben außerhalb der ihm bekannten Burg kennenlernt, wo ihn ein verrückter Professor erschaffen hat. Bei seinem Abenteuer trifft er auf Menschen, die große Angst vor ihm und anderen Monstern haben – und auf den Jahrmarktbesitzer Fulbert Freakfinder, der in ihm das große Geschäft wittert. Nach der Weltpremiere beim Annecy Festival 2025 und diversen weiteren Festivalteilnahmen startet der Animationsfilm am 16. Oktober 2025 in den deutschen Kinos. Wir haben und mit Regisseur Steve Hudson darüber unterhalten.
Könntest du uns etwas zu der Entstehungsgeschichte von Alles voller Monster erzählen? Wie kam es zu dem Film?
Ich lebe als Brite in Deutschland und habe in den vergangenen 30 Jahren viel als Sprecher gearbeitet. Das, was mir immer am meisten Spaß gemacht hat, war Animation. Meine Frau Sonja, die auch Alles voller Monster produziert hat, hat viele Familienfilme produziert. Da wollten wir immer schon etwas gemeinsam machen. Bei Animation ist es so, dass du so viele begnadete Zeichner hast, die an diesen Filmen arbeiten. Das siehst du auch sofort. Doch der Ton ist genauso wichtig. Einen Witz ganz ohne Ton zu erzählen, das ist richtig schwierig. Und das ist ein Bereich, wo ich etwas anzubieten habe und wo ich Erfahrungen habe. Zeichnen kann ich überhaupt nicht, das sieht immer ganz furchtbar aus. Ich kenne mich dafür beim Timing aus, was ganz wichtig ist, wenn du jemanden zum Lachen bringen willst.
Und weshalb habt ihr die Buchreihe von Guy Bass dafür ausgesucht?
Wir haben das Buch geschenkt bekommen als Audio-CD, so lange ist das schon her, und haben es auf der Fahrt gehört mit unseren Kindern. Zwei Dinge haben uns sofort gepackt. Das eine sind die Genre-Anspielungen. Damals hatte glaube ich noch keines unserer Kinder etwas von Frankenstein gesehen. Frankenstein ist aber so tief in unser Kollektives Bewusstsein eingedrungen, dass alle das verstehen. Dass da ein verrückter Professor in seiner Burg Monster schafft und die Menschen da draußen einen Mob bilden, damit können alle etwas anfangen. Das ist so ein Geschenk, wenn du eine Geschichte erzählen willst. Wenn du bei einem Animationsfilm eine neue Welt erschaffst, musst du so viel Zeit investieren, um sie vorzustellen und zu zeigen, wie sie funktioniert. Das brauchten wir nicht, das Publikum weiß sofort, was Sache ist. Außerdem kannst du als Regisseur so viel Spaß haben mit diesen Genreanspielungen. Das ist wie bei Chicken Run – Hennen rennen, wo der Film Gesprengte Ketten als Inspiration genommen wurde. Bei uns hast du ganz viele klassische Elemente. Gleichzeitig kehren wir das ein wenig um, wenn wir Monster zeigen, die Angst vor den Menschen haben.
Und was war der zweite Punkt?
Die Charaktere. Vor allem Stichkopf und Ungetüm, die haben richtig Seele. Sie sind richtig menschlich. Menschlicher als die Menschen selbst. Das hast du oft bei Monstern, dass du mit ihnen mitfühlen kannst. Wir fühlen uns oft wie Monster, die ausgestoßen sind. Mit so etwas zu arbeiten, ist sehr wichtig in Filmen. Es geht da nicht immer darum zu sehen, was am Ende passiert. Bei Titanic weiß du, wie die Geschichte ausgeht: Das Schiff sinkt. Es sind die Figuren, die den Film so tragisch und sehenswert machen. Die Tragik von Frankenstein und seinem Monster, die ist schon im Original von Mary Shelley herzzerreißend. Und bei Guy hast du das auch. Die Figuren berühren dich wirklich, weil man dort keine Angst hat vor Emotionen. Und das brauchst du. Du kannst keinen Feel-Good-Film haben ohne die Feel-Bad-Momente. Diese Kombination aus Genre und Gefühlen, die hatte mich überzeugt. Und der Humor natürlich auch.
Als ihr euch dann an die Umsetzung gemacht habt, was waren die Herausforderungen?
Das Kinderbuch ist zu kurz. Wenn wir es so verfilmt hätten, wie es war, hätten wir vielleicht einen 30-minütigen Kurzfilm gehabt. Wir wollten aber mehr. Deswegen haben wir den zweiten Akt hinzugedichtet. In der Vorlage stürmt der Mob sehr schnell die Burg. Der Anfang und das Ende sind also aus dem Buch. Der ganze Mittelteil, in dem Stichkopf zum Star wird und der Zirkus, der kam von uns. Ich hatte ein bisschen Angst davor, das so abzuändern. Aber Guy war sehr verständnisvoll. Uns war es auch wichtig, dass die Figuren nah an dem Original bleiben und wir sie trotz der neuen Szenen nicht verändern. Außerdem war da die Sache mit dem Geld. Für europäische Verhältnisse hatten wir zwar ein hohes Budget, wofür ich sehr dankbar bin. Aber es war kein Vergleich zu dem, was sie in den USA zur Verfügung haben. Wir konnten es uns nicht erlauben, ganz viel herumzuprobieren, sondern mussten uns früh entscheiden, was wir machen wollen. Die größte Herausforderung war aber, dass du viel Ausdauer brauchst. Einen Film zu machen, das ist ein Marathon.
Du hast bereits angesprochen, dass die Monster in eurem Film Angst haben vor den Menschen und dass sich die Menschen mit Monstern identifizieren. Dabei verschwimmen auch die Grenzen, wer eigentlich ein Monster ist. Was macht für dich ein Monster aus?
Nicht perfekt zu sein. Und dieses Gefühl, nicht perfekt zu sein, tragen wir glaube ich alle in uns. Wer dieses Gefühl nicht kennt, nicht reinzupassen und anders zu sein, der ist fast nicht menschlich. Das ist das Paradoxe: Es macht uns zu Menschen, wenn wir glauben, nicht menschlich zu sein. Wir sind nicht heil und normal und haben Angst vor den Menschen, die völlig normal sind, vor dem faschistoiden Mob, der reine Konformität will. Und das aus gutem Grund, wie man derzeit sieht. Denn das ist gerade überall auf dem Vormarsch.
Was ebenfalls paradox ist: Die Menschen in eurem Film bezahlen sogar Geld, um von dem Monster im Zirkus erschreckt zu werden. Sie wollen also Angst haben. Ähnlich ist es, wenn wir uns Horrorfilme anschauen, um beim Anschauen Angst zu haben. Warum tun wir das?
Da fragst du den Falschen. Ich selbst bin total empfindlich und erschrecke mich bei Jump Scares im Kino immer zu Tode. The Blair Witch Project war eine Qual für mich. Warum sich andere das anschauen wollen, freiwillig, das kann ich nicht nachvollziehen. Im echten Leben bin ich hingegen total angstbefreit und zuversichtlich. Ich kann nachts über Friedhöfe gehen, ohne dass das ein Problem ist. Wahrscheinlich wollen die Menschen eine Art Grenzerfahrung, wenn sie sich Horror anschauen. Man nimmt ein bisschen von dem Gift, ohne dass es gefährlich wird. Man hat Angst, ohne dass etwas passieren kann.
Angst ist dabei per se ja auch nicht verkehrt. Es gibt nun einmal reale Gefahren und Angst hilft uns davor, ihnen aus dem Weg zu gehen. Wie schafft man die Balance aus einer gesunden und einer ungesunden Angst?
Gefährlich wird es, wenn Angst genutzt wird, um das Denken auszuschalten. Auch das siehst du im Moment, wenn weltweit die Ängste der Menschen politisch genutzt werden. Wenn du aufhörst nachzudenken und du Ängste nicht mehr hinterfragst, dann wird es ungesund. Der Mob in dem Film wird auch zur Angst verführt. Angst kann dumm machen, wenn du sie einfach übernimmst.
Kommen wir zu euren Monstern: Ihr habt so viele ganz besondere Kreaturen geschaffen. Wie sah dieser Schaffensprozess aus?
Wir hatten richtig viel Spaß damit, alles Mögliche auszuprobieren. Das war ein bisschen so wie bei Sid, dem Nachbarjungen aus Toy Story, der die Spielzeuge auseinandergenommen und falsch zusammengebaut hat. So wie der verrückte Professor. Der Film hatte damals schon eine konservative Aussage, wenn es hieß, dass es nur eine richtige Weise gibt, wie man spielen soll. Okay, Sid hat die Spielzeuge auch gequält, unser Professor tut das nicht. Aber ich finde schon, dass man mit Spielzeugen auch anders spielen darf und ein bisschen kreativ sein darf, selbst wenn die Hersteller das so nicht wollten. Bei uns durfte sich das Team richtig ausleben und Kreaturen zusammenbauen, wo eigentlich gar nichts zusammenpasst.
Guy Bass hat eine ganze Reihe von Büchern geschrieben. Habt ihr schon darüber nachgedacht, weitere Filme zu drehen?
Mich würde das sehr freuen. Ich habe auf jeden Fall Lust drauf und es gibt eine Menge cooler Geschichten, die wir erzählen können. Erst einmal müssen wir aber abwarten, wie Alles voller Monster läuft. Denn wie immer ist das eine Frage der Finanzierung.
Vielen Dank für das Interview!
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