Jane Austen und das Chaos in meinem Leben Jane Austen a gâché ma vie
Szenenbild aus Laura Pianis Liebeskomödie "Jane Austen und das Chaos in meinem Leben" (© Splendid Film)

Laura Piani [Interview]

© Assaf Shoshan

Nachdem Laura Piani an einer Reihe von Drehbüchern für Filme und Fernsehen beteiligt war, gibt die Französin mit Jane Austen und das Chaos in meinem Leben ihr Regiedebüt. Darin erzählt sie die Geschichte der Buchhändlerin Agathe (Camille Rutherford), die bei einem Schreibwettbewerb gewinnt und eingeladen wird, in der Jane Austen Writers’ Residency an ihrem ersten Roman zu arbeiten. Das stellt sich aber als deutlich komplizierter heraus, sie kommt mit dem Schreiben nicht voran. Und dann ist da noch die Sache mit der Liebe, wenn sie plötzlich zwischen ihrem besten Freund Félix (Pablo Pauly) und dem schnöseligen Oliver (Charlie Anson) steht. Wir haben die Regisseurin zum Kinostart am 16. Oktober 2025 gesprochen. Im Interview reden wir über schriftstellerische Ambitionen, Frauenfiguren in der Literatur und welche Vergangenheit sie gern selbst erleben würde.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Jane Austen und das Chaos in meinem Leben verraten? Wie kamst du auf die Idee?

Es fing alles an mit meinen eigenen Erfahrungen in dem Englisch-Buchladen in Paris an, den wir in dem Film zeigen. Ich habe dort selbst viele Jahre gearbeitet, während ich Film studiert habe und als Drehbuchautorin gearbeitet habe. Ich habe dort immer viel die Menschen beobachtet und habe es geliebt, die richtigen Bücher für die Touristen und Kunden zu finden. Damals war ich umgeben von Leuten, die alle davon geträumt haben, als Schauspieler, Musiker oder Autoren zu arbeiten. Für uns war das eine Art Rückzugsort, wo wir unter uns waren und gemeinsam träumen konnten. Diese Erfahrung war die Ausgangslage für meine Geschichte. Ich hatte immer davon geträumt, einmal eine Liebeskomödie zu machen. Nachdem ich die passende Produzentin getroffen hatte, hatte ich endlich die Chance, das auch umzusetzen. Anfangs war es dabei eigentlich gedacht, dass ich nur das Drehbuch schreibe und wir nach dem passenden Regisseur suchen. Ich war immer sehr gern Autorin und hatte nie daran gedacht, einmal selbst Regie zu führen. Nachdem ich zwei Jahre an der Geschichte gearbeitet hatte, merkte ich aber, dass sie zu persönlich geworden war und ich sie nicht hergeben wollte.

Und warum hast du Jane Austen als Referenz genommen? Es gibt Millionen von Autoren und Autorinnen, warum ist es sie geworden?

Am Anfang stand wie gesagt der Buchladen. Von dort aus habe ich die Figuren entwickelt. Was ich bei Agathe ausdrücken wollte, war das Hochstapler-Syndrom, wenn sie das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein, aber auch ihre Trauer und den Mut, überhaupt etwas schreiben zu wollen. Ich erzähle von einer Frau, die das Gefühl hat, nicht im richtigen Jahrhundert zu sein. Eine, die von der großen Liebe träumt, aber nicht mit der Realität umgehen kann. Also habe ich nach jemandem gesucht, dem sie die Schuld dafür geben kann. Da war Jane Austen eine naheliegende Wahl. Sie ist eigentlich die Begründerin der Liebeskomödien, wie wir sie kennen, und kombiniert eine gewisse Leichtigkeit mit Tiefe. Du kannst in einer Liebeskomödie so viel sagen, wenn du beispielsweise der Gesellschaft den Spiegel vorhältst, ohne dass du deshalb belehrend auftrittst. Diese Geschichten können und sollen auch Spaß machen.

Da du so viel Zeit mit Literatur verbracht hast: Hast du einen Lieblingsautor oder eine Lieblingsautorin?

Du brichst mir mit dieser Frage mein Herz, weil ich das Gefühl habe, so viele Menschen im Stich zu lassen. Das Buch, das mich vermutlich am meisten umgehauen hat, war aber wahrscheinlich Das goldene Notizbuch von Doris Lessing. Wie sie über die Erfahrungen von Frauen geschrieben hat, über Politik, Aktivismus, Literatur, Kolonisation, das war unglaublich.

Du hast gemeint, dass du eigentlich gar nicht vorhattest Regie zu führen. Wie war die Erfahrung am Ende für dich?

Es war sehr spannend und ich konnte eine ganze Menge lernen. Der größte Unterschied ist, dass du beim Schreiben ganz allein bist, bei der Regie aber mit einem ganzen Team arbeiten musst. Das war schon eine Umstellung für mich. Gleichzeitig ist es das, was ich besonders geliebt habe: dieses kollaborative Arbeiten. Manchmal ist es so, dass du nicht weiter weißt. Hast du ein Team um dich, findet sich aber immer jemand, der eine Idee hat. Das war fantastisch. Außerdem hatte ich von der ganzen Technik keine Ahnung, habe sie zum Teil immer noch nicht. Ich musste eine Art neue Sprache finden, um mit den anderen zu sprechen und für sie das zu übersetzen, was ich im Kopf hatte. Das war ebenfalls sehr interessant. Außerdem bist du beim Schreiben immer sehr auf die Figuren fokussiert und beschreibst, was sie tun. Wenn du mit Schauspielern und Schauspielerinnen arbeitest, musst du das dann adaptieren. Du lernst da jeden Tag am Set dazu.

Nachdem du diese Übersetzung hinter dir hast, hat diese Erfahrung Auswirkungen auf dein Schreiben? Bist du jetzt eine andere Autorin, nachdem du als Regisseurin gearbeitet hast?

Das ist eine interessante Frage, über die ich glaube ich noch mehr nachdenken muss. Wenn du schreibst, bereitest du dich immer darauf vor, deine Geschichte irgendwann abzugeben. Du denkst da nicht darüber nach, wer die Figuren später einmal spielen könnte. Darauf hast du überhaupt keinen Einfluss. Auch so Punkte wie Musik spielen beim Drehbuchschreiben keine Rolle. Wenn ich jetzt schreibe, dann habe ich mehr Raum dafür und denke bereits weiter. Aber ich kann dir noch keine definitive Antwort geben, weil das mein erstes Mal als Regisseurin war. Da muss ich erst noch sehen, wie und ob sich das verändert. Eine Sache, die sich aber nicht verändert hat: Du weißt am Anfang nicht, wohin dich deine Geschichte führt. Zu schreiben, das ist so, als würdest du durch einen dunklen Wald gehen, der voller Äste ist, und du siehst nicht, wohin du gehst. Daran hat sich nichts geändert.

Du hast uns erzählt, dass du in einem Buchladen gearbeitet hast und dir diese Bücher nahe waren. Warum hast du nicht angefangen Bücher zu schreiben statt Drehbüchern?

Ich komme aus einer Familie von Autoren, meine Großeltern waren Autoren. Ich bewundere Menschen sehr, die Bücher schreiben. Mir macht es Angst, ein ganzes Buch zu schreiben. Drehbücher sind da im Vergleich für mich weniger einschüchternd. Vielleicht versuche ich mich irgendwann einmal daran, schauen wir mal.

Agathe erlebt bei ihrem ersten Buch gleich einmal eine Schreibblockade. Ist das etwas, womit du selbst Erfahrungen hast?

Nein. Ich fange immer nur dann an zu schreiben, wenn ich bereits dafür bin. Manchmal muss ich spazieren gehen, mich mit Leuten treffen, lesen oder einen Film schauen. Ich setze mich nicht vor einen Computer und fange einfach so an zu schreiben, ohne zu wissen, was ich schreiben will. Ich brauche zumindest den Anfang. Eine Idee, der ich nachgehen will. Wobei es natürlich auch sein kann, dass du schreiben musst, wenn eine Deadline nahe ist und du für die Arbeit bezahlt werden willst. Das ist so, als würde jemand eine Pistole an deine Schläfe halten.

Es gibt eine Szene in deinem Film, in denen sie darüber diskutieren, wie Literatur zu sein hat. Ganz allgemein: Wozu gibt es Kunst? Wofür brauchen wir sie?

Tatsächlich war diese Szene in meinem ersten Drehbuchentwurf nicht drin. Ich habe sie erst eingebaut, als ich den Film wegen einer Förderung vorgestellt habe und gefragt wurde, inwieweit mein Film die Welt und die politische Komplexität wiedergibt. Ich war ziemlich wütend, weil ich mir nur dachte: Das ist eine Liebeskomödie. Da geht es um Liebe. Ist das nicht genug? Also habe ich die Diskussion eingebaut, um zu zeigen, dass eine Geschichte nicht unbedingt politisch sein muss. Es gibt genug Raum für alle Themen. Natürlich brauchst du politische Filme, weil das Thema wichtig ist. Aber es ist auch wichtig, leichtere Stoffe zu haben.

An einer Stelle des Films argumentiert Agathe, dass vor Jane Austen Frauenfiguren immer von Männern geschrieben wurden. Ist es möglich, dass man Figuren des anderen Geschlechts schreibt und ihnen gerecht wird?

Ich denke schon, dass das möglich ist. Einige der tollsten Frauenfiguren wurden von Männern geschrieben. Jahrhunderte lang wurden nur alle Frauenfiguren von Männern geschrieben. Das ist das Problem. Oft wurden sie darauf reduziert, schön oder charmant zu sein. Bei Jane Austen durften die Frauen so viel mehr sein. Sie sind intelligent und witzig und wissen sich selbst zu helfen. Austen hat da schon die Art und Weise, wie Frauen beschrieben werden, revolutioniert. Aber sie hat auch sehr spannende und komplexe Männerfiguren geschrieben.

Und ganz allgemein: Gibt es einen Unterschied zwischen Männerliteratur und Frauenliteratur?

Nein, das glaube ich nicht. Der große Unterschied ist für mich, dass Frauenliteratur lange nicht veröffentlicht wurde.

Eine ganz andere Frage. Du hast erwähnt, dass Agathe sich in der falschen Zeit fühlt. Es gibt auch diese eine Szene mit dem Kostümball, in der die Figuren gewissermaßen in die Vergangenheit reisen. Wenn du dir eine Vergangenheit aussuchen und in diese reisen könntest, welche würdest du aussuchen?

Ha! Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, ich würde in einen Jazzclub in New York in den 1930ern und 1940ern gehen.

Kommen wir noch zur Zukunft: An welchen Projekten arbeitest du?

Ich schreibe an einer Komödie über Freunde in Italien, die sich verlieben. Bis zum Ende des Jahres habe ich hoffentlich einen guten Entwurf zusammen, damit wir mit dem Casten anfangen können. Da Jane Austen und das Chaos in meinem Leben gut in den USA lief, werden mir auch von dort lauter Liebeskomödien angeboten. Bisher war da nichts Interessantes dabei. Jetzt ist da aber ein Projekt, das ich wirklich spannend finde und das ich auch umschreiben und europäischer machen darf. Das spielt zwischen London und Griechenland und es geht ums Kochen. Ich wollte keinen amerikanischen Film machen. Das könnte ich auch gar nicht. Der Film ist auch schon finanziert und ich hoffe, dass wir nächsten September mit dem Dreh anfangen könnten.

Vielen Dank für das Interview!



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