Als in die Jahre gekommener Dichter lebt Ed Saxberger (Willem Dafoe) ein bescheidenes Leben in New York City. Der größte Erfolg seiner Karriere, „Way Past Go“, fand abseits der Szene kaum Beachtung und so blieb trotz positiver Kritiken der große Geldsegen aus. Danach ließ Saxberger sein altes Leben hinter sich. Sein letztes Gedicht liegt Jahre zurück, seine Freunde wissen nichts von seiner früheren Karriere und er selbst arbeitet inzwischen in einer Postzentrale. Doch die Vergangenheit holt ihn ein, als er dem jungen Studenten Wilson Meyers (Edmund Donovan) begegnet, der nicht nur mit „Way Past Go“ vertraut, sondern gleichzeitig ein großer Fan ist. Widerwillig lässt sich Saxberger überreden, mit Meyers und einer Gruppe selbstproklamierter junger Intellektueller essen zu gehen. Nach und nach findet er Gefallen an seiner neu erlangten Berühmtheit und damit kehrt auch seine künstlerische Leidenschaft zurück.
Zwischen Posse und Poesie
Regisseur Kent Jones findet für seinen neuesten Film neben einem fantastischen Cast vor allem eine gelungene Balance. Anders als es der Klappentext vermuten lassen könnte, erzählt Late Fame keine Tragödie verpasster Chancen. Stattdessen findet Kent Jones einen eleganten und gleichzeitig paradoxen Weg, den kulturellen Wandel New Yorks darzustellen. Seine Darstellung ist dabei weniger subtile Kritik als vielmehr die Inszenierung einer echten, gelebten Absurdität. Wie Willem Dafoes Ed Saxberger anmerkt, kommt er aus dem New York einer anderen Zeit. Speziell SoHo, war ein kulturelles Zentrum, eine Enklave für Kreativität und Mut. Einen Status, den es wie der Rest von Manhattan schon lange hinter sich gelassen hat. Im Finanzzentrum der Moderne sind Kreativität und künstlerische Freiheit unbezahlbar und damit verdrängt. Eine Entwicklung, die Kent Jones in seinem Film nicht explizit bedauert, die er aber durch die Ambivalenz zwischen Saxberger und der Gruppe um Wilson Meyers verdeutlicht.
Während Ed ein Original dieser Zeit ist, sind Wilson und seine Freunde alte Seelen in einer neuen Welt. Late Fame ist weniger Kapitalismuskritik als eine Karikatur der New Yorker Kunstszene. Fast alle Mitglieder von Wilsons „Enthusiasm Society“ stammen aus wohlhabendem Haus. Ihr pseudo-individueller Retro-Kleidungsstil ist nur das erste Indiz ihrer Romantisierung einer Zeit, die sie abseits von Filmen und Büchern nie kennengelernt haben. Late Fame hebt die Mystifizierung einer Vergangenheit hervor, die nie so glanzvoll war, wie sie heute erzählt wird. Dabei beschränkt sich der Film nicht nur auf die Gruppendynamik zwischen Ed und Wilsons Enthusiasm Society, sondern taucht auch spezifisch in die Charaktere von Ed Saxberger und Greta Lees Gloria ein. Durch sie erforscht Late Fame eine intimere, nuancierte Gegenüberstellung von Saxbergers Ausgeglichenheit und Akzeptanz und Glorias Flucht in eine Welt aus Selbstbetrug und Wunschdenken, die ein weiteres Mal stellvertretend für die kulturelle Entwicklung New Yorks steht.
Authentisch und geerdet
Passend zu Willem Dafoes Darstellung Ed Saxbergers ist Late Fame geerdet und authentisch inszeniert. Wyatt Garfields Kameraarbeit und Jones’ präzise Regie passen perfekt zu dem Gefühl, das Late Fame seinen Kinogängern vermittelt. Willem Dafoe beweist erneut seine Qualitäten als Charakterdarsteller und liefert ein nahbares, intimes Bild eines vermeintlich ehemaligen Künstlers, der trotz allem mit sich im Reinen ist. Neben ihm ist es Greta Lee, die schauspielerische Höchstleistungen abliefert. Als gescheiterte Schauspielerin Gloria flieht sie vor sich selbst in eine selbstinszenierte Illusion einer exzentrischen, erfolgreichen Diva. Greta Lee beweist hier sowohl in den lauten als auch in den leisen Momenten ihre Exzellenz und trägt Late Fame damit besonders gegen Ende während emotionaler Höhe- und Tiefpunkte.
OT: „Late Fame“
Land: USA
Jahr: 2025
Regie: Kent Jones
Drehbuch: Samy Burch
Vorlage: Arthur Schnitzler
Musik: Don Fleming
Kamera: Wyatt Garfield
Besetzung: Willem Dafoe, Greta Lee, Jake Lacey, Clark Johnson, Edmund Donovan, Luca Padovan, Michael Everett Johnson
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)

