
Die meisten dürften irgendwann einmal darüber nachgedacht haben, was einen wohl nach dem Tod erwartet. Zweigstelle (Kinostart: 9. Oktober 2025) hat darauf eine sehr ernüchternde Antwort: eine Behörde. Und mit eben dieser muss sich eine Freundesclique herumschlagen, nachdem sie bei einer konfliktreichen Autofahrt mitten ins Jenseits düsen. Wir haben Regisseur Julius Grimm bei der Premiere auf dem Filmfest München 2025 getroffen. Im Interview spricht er über die Entstehung des Films, seinen Bezug zum Glauben und was er sich vom Leben nach dem Tod erhofft.
Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Zweigstelle verraten? Wie bist du auf die Idee gekommen?
Ich hätte im Sommer 2023 ein Theaterstück für das Lustspielhaus in München inszenieren sollen, was wir aus zeitlichen Gründen verschieben mussten. Till Hofmann meinte daraufhin, dass er mir das Theater den Sommer über zur Verfügung stellen würde, während sie Pause haben, damit ich darin meinen Film drehen kann. Also habe ich überlegt, was man darin so drehen könnte. Ich bin dann auf die Idee gekommen: Was, wenn man nach dem Tod auf einer Bühne landet? Diese Idee habe ich immer weiter gesponnen und bin dabei immer mehr zur Behörde rübergerutscht. Das Drehbuch wurde auch immer bürokratischer. Die Inspiration war natürlich der berühmte Passierschein A38 von Asterix und Obelix. Ich wollte zeigen, wie jemand nach dem Tod die ganze Zeit hin und her rennt mit einem Zettel.
Deine Figuren haben zum Zeitpunkt ihres Todes den Glauben verloren. Es ist auch kein Geheimnis, dass in Deutschland immer weniger Menschen glauben. Brauchen wir ihn überhaupt noch?
Ich finde schon. Ich bin auch jemand, der immer durchs Leben gegangen ist und gesagt hat: Ich glaube an nichts nach dem Tod. Ganz pragmatisch, danach ist Schicht im Schacht. Ich mag es aber, mir bei meinen Filmen immer selbst eine Challenge zu geben. Die Figuren geben deshalb viele meiner eigenen Haltungen wieder. Ich glaube, dass sich während der Corona-Pandemie meine Einstellung zum Glauben noch einmal grundlegend verändert hat, weil ich die Menschen, die glauben, sehr bewundert habe. Sie hatten einfach einen Anker, der ihnen Halt gab in dieser Zeit. Etwas, das mir fehlte. Deswegen würde ich schon sagen, dass wir Glauben brauchen – und sei es der Glaube an sich selbst.
Und hat sich deine Einstellung zum Glauben durch die Arbeit an Zweigstelle noch einmal verändert?
Dafür bin ich glaube ich noch zu nahe dran. Der Film ist noch zu frisch, um die Frage zu beantworten. Ich hatte noch gar nicht die Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Da braucht es noch ein bisschen mehr Abstand.
In deinem Film wird über die unterschiedlichsten Religionen gesprochen. Manchmal hat man da den Eindruck, es ist wichtiger, an etwas zu glauben, als woran man eigentlich glaubt. Was ist wichtiger, der Glaube an sich oder der konkrete Inhalt?
Ich denke, dass es der Glaube an sich ist. Als ich an dem Film arbeitete, habe ich mir einige Regeln selbst auferlegt. Eine davon war, dass ich über keinen Glauben Witze machen will. Das wär zu einfach und zu billig. Ich wollte, dass bei uns jeder Gaube respektiert und ernstgenommen wird, egal wie klein er ist. Den Humor habe ich mir eher über die Situation geholt.
Du hast in dem Film eine Möglichkeit entworfen, wie es nach dem Tod weitergehen kann. Aber was wäre, wenn du es dir frei aussuchen könntest? Wie sollte das Leben nach dem Tod für dich aussehen?
Wir bestehen alle aus Atomen und können uns nicht in Luft auflösen. Wir setzen uns also wieder irgendwo zusammen, womit wir schon nahe sind an Reinkarnation. Der Film Indien ist einer, der mich sehr lange begleitet hat. Wenn Josef Hader am Ende dasteht und den Hund anschaut, geht mir das Herz auf. Da kann ich schon sehr andocken. Das wir auf eine andere Weise weiterexistieren, das würde mir schon sehr gefallen.
Und was wäre umgekehrt das Schlimmste? Du hast in dem Film ja eine Art Mini-Hölle erdacht, Stichwort: singender Fisch.
Das Schlimmste wäre für mich wahrscheinlich wirklich eine Behörde. Nach dem Tod aufzuwachen und zu merken, dass du in einer Behörde feststeckst, das würde mir schon reichen.
Hast du so traumatische Erfahrungen mit Behörden gemacht?
Tatsächlich nicht. Ich finde, dass denen oft ein Klischee auferlegt wird, was so gar nicht stimmt. Persönlich hatte ich bislang immer sehr witzige Begegnungen. So schlimm war das nicht. Vielleicht wäre deshalb die Behörde nach dem Tod dann auch nicht so schlimm.
Und wie stehst du zu dem Klischee, dass Deutschland ein Behördenland ist und wir immer etwas umständlich und zu genau sind?
Ein bisschen stimmt das vielleicht schon, wobei ich auch da sagen würde, dass wir so schlimm gar nicht sind. Wir genießen in Deutschland schon große Freiheit und es ist nicht so, dass unser Leben von Behörden völlig durchstrukturiert ist. Man hält sich ja immer an negativen Erlebnissen fest. Da reicht es, wenn man einmal etwas Negatives hatte, damit die Meinung insgesamt negativ ist.
In Zweigstelle betonst du sehr stark das Bayerische, wo viele auch mit Dialekt sprechen. War dir das Thema wichtig?
Ja, sehr, weil es auch Teil meiner eigenen Identifikation ist. Ich bin in Regensburg aufgewachsen, meine Großeltern kommen aus der tiefsten Oberpfalz. Meine Bezugspersonen waren bayerisch. Deswegen wollte ich das drin haben. Außerdem wollte ich, dass meine Behörde einen gewissen Charme hat. Und das lässt sich mit einem Dialekt gut herstellen. Durch die Sprache bekommt das noch einmal einen ganz eigenen Charakter. Wobei wir auch darauf geachtet haben, dass der Film für Nicht-Bayern trotzdem verständlich ist. Wir sind also nicht voll in den Dialekt gegangen.
Du sprichst neben dem Glauben und dem Tod noch viele weitere Themen an, die durchaus ernst sind: Liebe, Freundschaft, Aufopferung. Warum wolltest du das trotzdem als Komödie umsetzen? Du hättest ja auch ein Drama machen können.
Das stimmt. Aber ich finde, dass gute Komödien immer auch ein Drama sind. Wenn in einer Komödie wirklich gar kein Drama ist, schöpft sie für mich ihr Potenzial nicht aus.
Zum Thema Freundschaft: Deine Figuren streiten darüber, was eine Freundschaft ist und was man in einer Freundschaft machen darf. Was ist deine Meinung dazu?
In einer guten Freundschaft kann man sich meiner Meinung nach alles erlauben. Eine Freundschaft muss das aushalten können, dass man durch Höhen und Tiefen geht. Zumindest bei mir ist es so, dass die richtig guten Freundschaften Dinge aushalten.
Vielen Dank für das Interview!
(Anzeige)

