No Hit Wonder
Florian David Fitz als gefallener Sänger in der Musikkomödie "No Hit Wonder" (© Warner Bros.)

Florian David Fitz [Interview]

No Hit Wonder (Kinostart: 30. Oktober 2025) erzählt die Geschichte von Daniel Novak (Florian David Fitz), der eher zufällig zum Star wird, als sein Lied „Time, Time, Time“ durch die Decke geht. Dummerweise ist das aber auch das einzige, was bei ihm geht: Nach dem Hit folgt der Abstieg, nach einem verpatzten Selbstmordversuch landet er sogar in einer psychiatrischen Anstalt. Dort trifft er auf die Psychotherapeutin Lissi (Nora Tschirner), die ihn dazu überredet, in einer Gruppe mitzumachen, bei der es darum geht, ob Singen glücklich macht – auch wenn er selbst alles andere als glücklich darüber ist. Wir haben Fitz, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch das Drehbuch geschrieben hat, im Rahmen der Weltpremiere getroffen. Im Interview spricht er über den Glücksfaktor Musik, Filme als gesellschaftliche Beiträge und psychische Probleme.

Könntest du uns etwas über die Entstehung von No Hit Wonder verraten? Wie bist du auf die Idee für die Geschichte gekommen?

Grundsätzlich laufe ich mit einer Art Ideensegel durch die Gegend und wenn da etwas hineinfällt, stecke ich das in eine Box. Eine Idee war: Macht Singen glücklich? Das ist jetzt per se noch kein Film. Also habe ich angefangen zu recherchieren, warum das so ist und ob das so ist. Du brauchst natürlich auch eine Figur, die denkbar ungeeignet ist für so etwas, um ein Komödienpotenzial zu haben. Daraus entstand die Figur des Daniel, der sein Leben lang immer das eine Lied singen musste, Musik hasst und Leute hasst. Wenn so jemand Leute glücklich machen soll, hast du einen Spannungsbogen drin. Der Rest ergab sich aus dem Thema. Singen innerhalb einer Gruppe macht glücklich, weil du Teil einer größeren Sache bist. Und von dort aus bist du schnell bei den Gründen, warum Menschen unglücklich sind: Vereinzelung und Einsamkeit. Das Thema des Films ist also eigentlich Einsamkeit.

Du hast in den letzten Jahren einige Komödien gedreht, die gesellschaftliche Themen aufgreifen, Oskars Kleid und Wochenendrebellen zum Beispiel. Ist das etwas, das du gerade gezielt suchst?

Das war eigentlich von Anfang an so. Seitdem ich selber schreibe, mache ich Komödien und Tragikomödien über etwas, das gar kein komödiantisches Thema ist. Erst einmal macht es den Stoff breiter, weil es den Menschen leichter macht, sich damit zu befassen. Ich finde es aber auch eine schöne Art ans Leben ranzugehen. Humor ist die logische Reaktion auf Tragödie. Manchmal brauchst du ihn einfach um durchzukommen. Außerdem hast du eine größere Spannung drin. Für mich ist es interessanter, eine Komödie über einen tragischen Stoff zu machen als eine Tragödie oder auch eine Komödie über einen komödiantischen Stoff. Bei Jesus liebt mich war es Religion, bei Der geilste Tag war es der Tod, bei 100 Dinge Konsum und Kapitalismus. Das sind alles keine lustigen Themen. Ich versuche dann, den komödiantischen Kern herauszuholen. Aber auch den tragischen: Die Filme dürfen auch weh tun.

Das sind oft Themen, über die man nicht gern spricht und über die man nicht nachdenken mag. Glaubst du, dass Filme dabei helfen können, sich doch damit auseinanderzusetzen?

Auf jeden Fall! Es ist ja auch nicht so, dass wir uns mit den Themen nicht auseinandersetzen, weil wir zu doof sind. Wir drücken uns nur davor. Doch das Leid kommt früher oder später in unser Leben, ob wir es wollen oder nicht. Es kann daher auch etwas Tröstliches haben, solche Themen anzusprechen und zu sehen, dass wir nicht allein damit sind. Und auch zu wissen: Das Leben geht weiter.

Nun gibt es aber Menschen, die manche Themen partout ablehnen, etwa Transgeschlechtlichkeit. Kann man diese Menschen mit Filmen noch erreichen? Kann man sie überhaupt erreichen?

Hm, die Frage ist eher, ob sie den Film anschauen würden. Wenn ja, na klar. Genau deshalb haben wir die Geschichte ja aus Sicht des Vaters erzählt, der sich selbst überhaupt nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat und vielleicht überfordert ist. Auch hier war ja der Zugang die Komödie, zuzugucken, wie beim Vater Groschen nach Groschen fällt. Dann sind die Leute auch offener für die emotionaleren Sachen. Ich fand damals, dass die Perspektive der Eltern noch nicht oft beleuchtet wurde. Es ist nämlich gar nicht so einfach, das richtige für das Kind zu tun, und auch die Eltern haben natürlich unendliche Ängste. Interessant war auch, wie die Leute reagiert haben. Dass die AfD den Film als Trans-Propaganda verteufeln würde, war klar, das war zu erwarten. Lustigerweise kam von der anderen Seite das genaue Gegenteil: der Titel müsse ‚Lillis Kleid‘ sein, sonst sei es Deadnaming, was ja ein bisschen Bullshit ist, ein Filmtitel beschreibt ja die Frage am Anfang eines Filmes und selten das Ergebnis. Und trotzdem hat der Film die Menschen erreicht. Also manchmal muss man auf die Ideologen pfeifen.

Du hast vorhin davon gesprochen, dass das gemeinsame Singen glücklich macht. Was unterscheidet die Musik da von anderen gemeinsamen Aktivitäten? Der Film hätte zum Beispiel auch mit einer Theatergruppe arbeiten können.

Ja, das geht auch. Musik ist nur grundsätzlicher, simpler. Zu singen, ist etwas ganz Physisches: Du spürst das in deinem eigenen Körper. Und du fühlst auch, wie das für den Moment gemeinsam entsteht. Sobald du den Mund zumachst, ist es wieder weg. Wenn du mit anderen singst, bist du selbst nicht so wichtig, weil du nur ein Teil von etwas bist. Gleichzeitig geht es ohne dich nicht. Der Buddhismus sagt ja, dass wir unser Ego lassen müssen, um zufrieden sein. Nun sind wir aber alle auf das genaue Gegenteil trainiert: jeder seines Glückes Schmied. Jeder kämpft um seinen Platz an der Sonne, um Geld, um Ansehen. Beim Singen ist es tatsächlich so, dass sich dein Ego in etwas Größerem auflöst, ohne das man Panik bekommt.

Wie sah deine musikalische Vorbereitung für die Rolle aus? Hast du Gesangsunterricht genommen?

Ne, ich habe in der Schule in Boston jahrelang Gesangsunterricht gehabt. Das muss reichen. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass ich in dem Film andauernd singe. Denn genau darum sollte es nicht gehen. Ich spiele jemanden, der in eine Gruppe kommt und in dieser aufgeht.

Es gibt eine Szene in No Hit Wonder, in der sich alle in der Gruppe ein Lied aussuchen müssen, das sie singen sollen. Welches wäre dein Lied?

Ah, die klassische Karaoke-Frage. Es gibt Lieder, die ich sehr gerne mag, aber gar nicht so gut singen kann. Ich finde zum Beispiel alle Queen-Lieder super, aber das ist überhaupt nicht meine Stimmlage. Ich liebe My Way. Das kannst du aber unmöglich singen, wenn du nicht Harald Juhnke bist und mindestens zwei Promille intus hast.

Oder das Publikum zwei Promille intus hat.

Genau. Das ist ja das Gute bei Karaoke: Irgendwann haben sie alle zwei Promille und du kannst singen, was du willst. Du musst in dem Moment einfach vergessen, dass es vielleicht gerade uncool ist, was du singst.

Dein Film handelt von einem Menschen, der auf ein einziges Lied reduziert wird. Das ist natürlich eine gemeine Frage für einen Künstler, aber wenn du dir eines deiner Werke aussuchen müsstest, das dich am besten repräsentiert, welches wäre das?

Das würde ich nie machen, weil es auch gar nicht darum geht: „Das bin ich!“. Ich greife ja immer ein Thema aus der Gesellschaft heraus und in jedem dieser Themen findest du etwas von mir. Ich kann das ja nur aus meinen Erfahrungen, meinen Beobachtungen und meiner Vorstellungskraft heraus erzählen. Deswegen ist da schon genug von mir drin, ohne dass es deshalb gleich autobiografisch sein muss.

Auch kein Film, auf den du besonders stolz bist?

Also, der Film, der für mich am meisten verändert hat, war sicher Vincent will Meer. Aber das ist, weil es mein erster Film war, bei dem ich selbst geschrieben habe. Das war also schon etwas Besonderes.

Bei No Hit Wonder ist es so, dass deine Figur gar nicht Sänger werden wollte. Sie wurde dann aber zu einem und wollte auch Sänger bleiben, durfte aber nicht, weil ihr niemand zuhören wollte. Gab es für dich einen Plan B, wenn das mit der Schauspielerei nicht geklappt hätte?

Ich bin ein Typ, der immer einen Plan B hat oder zumindest das Gefühl: Wenn etwas nicht geht, dann mache ich eben etwas anderes. Das ist eine innere Freiheit, die man sich bewahren muss. So ein bisschen lebe ich meine Plan-B-Möglichkeit aber schon, indem ich selbst schreibe. Wenn ich keine interessante Rolle sehe, schreibe ich mir eine. Das macht es mir ein bisschen leichter.

Wobei das immer noch dasselbe berufliche Umfeld ist, anders als bei deiner Figur, wo das Singen wirklich gar nichts mehr einbringt.

Das stimmt. Aber du kannst auch andere Tätigkeiten finden, die dich ausfüllen. Es gibt im Englischen den Spruch: „It‘s not so much do what you like, as ist is that you like what you do.“ Und das muss du beherzigen, selbst bei so banalen Sachen wie dem Abwasch. Natürlich kannst du beim Abwaschen schimpfen, weil du keinen Bock hast. Aber damit machst du dir das ja nur schwerer. Das ist schon auch eine Frage der Einstellung, das Glück in dem zu suchen, was du tust.

Und was macht dich beim Schauspielen oder dem Schreiben glücklich?

Beim Schauspielen ist es die Möglichkeit, kurz in einem Leben zu wohnen, das nicht deins ist. Als es bei Hin und weg um das Thema Sterbehilfe ging, war das eine ganz eigenartige, erschütternde Erfahrung. Man darf also quasi mit Sicherungsseil andere – manchmal auch krasse – menschliche Erfahrungen machen. Als Schauspieler ist dir also immer klar, dass jeder von uns ganz unterschiedliche Leben führen könnte, dass es immer von den Umständen abhängt, wie und wer wir sind, das ist irgendwie schön.

Beim Schreiben ist das Tolle, dass du schauen kannst, was dich beschäftigt und was du vielleicht beitragen kannst. Das gibt mir das Gefühl von Sinn. Und es ist toll, wenn du das Gefühl hast, dass das zumindest ein bisschen sinnvoll ist, was du tust.

Dann sprechen wir noch über das Unglücklichsein. Das Thema psychische Probleme ist in den letzten Jahren präsenter geworden. Liegt das daran, dass mehr Leute Probleme haben, oder an einem stärkeren Bewusstsein dafür, dass es diese Probleme gibt?

Es ist schon so, dass das Bewusstsein stärker ist. Wobei das keine ganz neue Entwicklung ist, da hat sich schon vor einer Generation einiges getan. Aktuell habe ich das Gefühl, dass es durch die Digitalisierung tatsächlich mehr Probleme gibt. Wir werden da in eine Unordnung hingeworfen, die uns gar nicht bekommt und wie wir gesellschaftlich gerade merken. Wir schauen dauernd in kleine Apparate, die das zeigen, worüber wir uns am meisten aufregen. Das macht etwas mit unserer Psyche, was wir erst noch unter Kontrolle kriegen müssen. Wir kriegen auch keine gemeinsame Realität mehr hin.

Wobei es auch die Außenwelt ist, die zu einer Belastung geworden ist, unabhängig von der Digitalisierung. Da ist schon einiges los, was uns zusetzen kann.

Das stimmt. Aber ist es wirklich mehr als früher? In den 1980er Jahren haben wir auch gedacht, dass die Welt untergeht mit saurem Regen, Ozonloch, Kalter Krieg. 1989 gab es dann die große Befreiung und wir hatten alle das Gefühl, dass es bergauf geht. Jetzt sind wir wieder im Weltuntergangsmodus. Es gab also immer wieder Wellen. Was mich mehr beunruhigt ist, dass wir uns nicht mehr einigen können, was denn unsere Probleme sind. Dass wir uns so wenig um die Natur kümmern, um Klimaschutz und das Artensterben, weil wir plötzlich wieder wie im 19. Jahrhundert Kriege führen, das ist schon erschreckend. So als hätten wir alle vergessen, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist. Vielleicht brauchen die Menschen wirklich immer mal wieder so einen Krieg, um sich daran zu erinnern, dass das keine besonders gute Option ist. Das ist es, was mir gerade Angst macht.

Vielen Dank für das Interview!



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