
Eigentlich läuft es gerade nicht schlecht im Leben des 33-jährigen Floristen Pierre (William Lebghil). Sein Blumenladen läuft gut, eventuell kommt demnächst eine Kooperation, die ihn und seinen Mitarbeiter Ibou (Salif Cissé) richtig voranbringen könnte. Und dann ist da auch noch Lisa (Alison Wheeler), mit der er schon lange befreundet ist, die jetzt aber mehr werden könnte. Bis eine andere Frau auftaucht und alles durcheinanderbringt: seine Mutter Judith (Agnès Jaoui). Eigentlich lebt diese in einer psychiatrischen Anstalt, wo man sich um ihre bipolare Störung kümmert. Doch ihr gefällt es dort nicht, weshalb sie ausbüxt und zu ihrer Mutter (Rosita Dadoun Fernandez) gefahren ist, wo sie bald für neues Chas sorgt. Pierre bleibt nichts anderes übrig, als sich ihrer anzunehmen und zurückzubringen – was nicht einfach ist, da sie mitten in einer manischen Phase steckt …
Wenn Eltern hilfsbedürftig werden
Eigentlich ist es ja die Aufgabe der Eltern, sich um die Kinder zu kümmern. Aber manchmal kommt es anders im Leben und die Rollen drehen sich um. Meistens hängt das mit dem Alter zusammen, wenn die Eltern irgendwann zerbrechlich werden und nicht mehr in der Lage sind, alles selbst zu machen. Aber es gibt auch andere Gründe, wie man in Filmen immer wieder zu sehen bekommt. 22 Bahnen etwa erzählt, wie eine junge Frau die Familie zusammenhalten muss, während die Mutter sich ständig besäuft. In Falling ist es der demente Vater, den der Sohn versorgen muss. In Das Leben meiner Mutter ist es nun eine psychische Erkrankung der Mutter, die den Protagonisten immer wieder vor Probleme stellt und die ihn regelmäßig dazu zwingt, eigene Bedürfnisse hintenanzustellen.
Wobei es eine Weile dauert, bis das Publikum die genauen Hintergründe erfährt. Die Geschichte beginnt mit dem Alltag des Protagonisten, der durch die Rückkehr der Mutter völlig auf den Kopf gestellt wird. Sie ist laut, aufbrausend, kann keine Minute stillsitzen. Das erklärt aber nicht, warum Pierre so panisch reagiert, als sie vor ihm steht. Erst nach und nach stellt sich heraus, dass Judith psychisch krank ist und in einer Anstalt lebt. Und eben dorthin soll sie zurück. Zu diesem Zweck vereint Das Leben meiner Mutter gleich mehrere Genres. So gibt es zwischendurch amüsante Momente, wenn sich die Hauptfigur mal wieder danebenbenimmt und ihren Sohn in Verlegenheit bringt. Außerdem hat der Film Elemente eines Roadmovies, wenn das Duo viel umherfährt und dabei verschiedene Leute trifft.
Kleine Szenen mit großen Gefühlen
Aber der französische Film ist eben auch ein Drama. Das betrifft natürlich die psychische Verfassung von Judith, die immer wieder Sachen kaputt macht und nach einer Entschuldigung sucht. Es betrifft aber vor allem auch das Zwischenmenschliche. Regisseur und Co-Autor Julien Carpentier erzählt primär von einer Mutter-Sohn-Beziehung, die von der Krankheit gezeichnet ist, von traurigen Erlebnissen, aber auch Liebe. Immer wieder gibt es Momente in Das Leben meiner Mutter, in denen die tiefen und manchmal komplizierten Gefühle der beiden zum Ausdruck gebracht werden. Dafür braucht es keine großen Szenen, vieles läuft eher beiläufig. Schön wird es vor allem dann, wenn die Gemeinsamkeiten der beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Menschen durchschimmern – etwa bei der Liebe zu Blumen oder beim Singen.
Das Ganze lebt dabei maßgeblich vom schauspielerischen Talent von Agnès Jaoui (Die Kunst der Nächstenliebe), die mit einer kaum zu bändigenden Energie durch die Gegend wirbelt und damit automatisch die Aufmerksamkeit an sich zieht. Ihr junger Kollege William Lebghil (Das erste Jahr) überzeugt dafür in den leisen Momenten, wenn es ans Eingemachte geht und der Mann, der immer wieder so stark sein musste, Risse zeigt. Das Leben meiner Mutter ist dann auch ein Film für Zuschauer und Zuschauerinnen, die gern emotionale Geschichten sehen, ohne dass deswegen gleich die Kitschkeule rausgeholt werden müsste. Und auch wenn das hier nicht ganz dem Alltag der meisten Menschen entsprechen dürfte, liefert der französische Film doch genügend Identifikationsfläche.
OT: „La Vie de ma mère“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Julien Carpentier
Drehbuch: Julien Carpentier, Benjamin Garnier
Musik: Dom La Nena
Kamera: Martin de Chabaneix
Besetzung: Agnès Jaoui, William Lebghil, Salif Cissé, Alison Wheeler, Rosita Dadoun Fernandez
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